Tabuthema Mundgeruch
Rund jeder zweite Deutsche beklagt, zumindest zeitweise unter Mundgeruch zu leiden. Etwa ein Prozent der Betroffenen sucht deswegen zahnärztlichen oder allgemein ärztlichen Rat.
Zu unterscheiden ist zunächst zwischen einem Foetor ex ore, also einem unangenehmen Geruch beim Ausatmen durch den Mund, und der Halitosis, bei der die Geruchsstoffe sich in der Ausatemluft befinden und auch beim eigenen Ausatmen über die Nase wahrgenommen werden. Während der Foetor ex ore auf eine intraorale Problematik hinweist, kann die Halitosis – als Begriff vom lateinischen Halitus, das für Hauch oder Dunst steht, abgeleitet – vielfältige andere Ursachen haben. Es handelt sich somit nicht um eine eigenständige Erkrankung, sondern um ein Symptom, das Ausdruck verschiedener Störungen sein kann. Ältere sind häufiger betroffen als Jüngere und Männer häufiger als Frauen.
Anamnese
Nicht immer lässt sich der vom Patienten beklagte, vermeintlich belastende Geruch tatsächlich verifizieren. Dies ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung für eine aufwendige und möglicherweise auch invasive Diagnostik. Theoretisch ist der Nachweis flüchtiger Substanzen in der Ausatemluft mittels einer Gaschromatografie möglich. Das Verfahren ist jedoch teuer und nicht überall verfügbar. Alternativ bietet sich die sogenannte organoleptische Methode an, bei der der Untersucher sich vom Betreffenden anhauchen lässt und dabei prüft, in welchem Abstand vom Patienten tatsächlich ein Mundgeruch zu bemerken ist. Dadurch lässt sich zugleich der Schweregrad der Symptomatik erfassen. Da die Intensität variieren kann, ist es ratsam, die Untersuchung an mehreren Tagen zu wiederholen.
Liegt tatsächlich eine Halitosis vor, ist diese unbedingt ernst zu nehmen. Denn viele Betroffene sorgen sich, ihren Mitmenschen dadurch unangenehm aufzufallen und ziehen sich aus diesem Grund mehr und mehr zurück. Mundgeruch ist nach wie vor ein Tabuthema. Es fällt in aller Regel schwer, sein Gegenüber darauf aufmerksam zu machen, dass er keinen frischen Atem hat. Und diejenigen, die betroffen sind, sprechen meist weder darüber noch suchen sie sich professionelle Hilfe.
Ein unangenehmer Geruch aus dem Mund muss nicht unbedingt ein Zeichen einer krankhaften Störung sein. So geben nicht wenige Menschen an, morgens nach dem Aufstehen einen schlechten Atem zu haben. Ein verringerter Speichelfluss in der Nacht ist üblicherweise die Ursache. Das Problem löst sich mit der morgendlichen Mundhygiene. Quasi physiologisch ist ein unangenehmer Geruch außerdem, wenn geruchsintensive Lebensmittel wie Knoblauch, Zwiebeln oder Kohl verzehrt wurden. Auch der reichliche Konsum von Alkohol und/oder Tabakwaren kann einen schlechten Atem erklären.
Co-Faktoren können die Entstehung von Mundgeruch forcieren. Dazu gehören Stress, eine einseitige Ernährung und damit auch Diäten, Heilfasten sowie Zungenpiercings und eine reduzierte Speichelflussrate. Weil Kaffee eine Mundtrockenheit fördert, die ihrerseits die Bildung eines schlechten Atems triggern kann, kann auch reichlicher Kaffeekonsum indirekt Mundgeruch Vorschub leisten. Ebenso können Medikamente wie auch Drogen durch eine Reduktion der Speichelsekretion eine Halitosis begünstigen. Bekannt ist ein solches Phänomen von Anticholinergika, Eisenpräparaten, Antidepressiva, Antipsychotika, Antihypertensiva und auch Antihistaminika. Bei der Einnahme von Bisphosphonaten kann es im Zuge einer Kiefernekrose durch die Granulationsprozesse des Parodonts ebenfalls zu erheblichem Mundgeruch kommen. Auch Erkrankungen, bei denen der Speichelfluss reduziert ist, wie das Sjögren-Syndrom oder eine entsprechende Behandlung wie beispielsweise eine Radiotherapie können Mundgeruch begünstigen.
Doch nicht immer ist bei der Untersuchung beim Patienten tatsächlich ein unangenehmer Mundgeruch festzustellen. Dann ist von einer somatoformen Störung, einer sogenannten Pseudo-Halitosis, auszugehen. Sieht der Patient nicht ein, dass er real keinen schlechten, übel riechenden Atem hat, besteht eine Halitophobie.
Die Halitosis entsteht in bis zu 90 Prozent der Fälle im Mund-Nasen-Rachenraum. Meist ist die Zersetzung organischen Materials in der Mundhöhle die Ursache.
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Ursachen
Es kommt dabei zur Bildung flüchtiger Schwefelverbindungen, kurz VSC (volatile sulphur compounds), die sehr unangenehm riechen. Dabei können die sogenannten Methymercaptane einen modrig-ranzigen Geruch oder einen Geruch nach faulendem Kohl verursachen. Riecht der Atem hingegen nach Fisch oder nach Fäkalien, sind in aller Regel biogene Amine dafür verantwortlich. Auch Ketone und kurz-kettige Karbonsäuren können bei der bakteriellen Zersetzung organischer Substanzen aus Nahrungsresten, Speichel oder abgeschilferten Epithelzellen entstehen und für einen schlechten Atem sorgen.
Wärme und Feuchtigkeit in der Mundhöhle fördern das Mikrobenwachstum, wobei der Mund-Rachenraum physiologisch von mehr als 500 Bakterienspezies besiedelt ist. Halitogene Erreger befinden sich insbesondere auf der Zungenoberfläche und im Zahnbelag. Auch eine Gingivitis und eine Parodontitis sind als Ursache in Betracht zu ziehen, ebenso wie eine bakterielle Besiedlung bei einem ungepflegten abnehmbaren Zahnersatz.
Ursprungsort der von Bakterien gebildeten VSC in der Ausatemluft können außerdem die Tonsillen sowie die Nasennebenhöhlen sein. Auch ein Tumor im Mund-Rachenraum kann als Folge der Gewebezerstörung im fortgeschrittenen Stadium eine Halitosis bedingen.
Deutlich seltener als meist angenommen verursachen gastrointestinale Störungen eine Halitosis. Auslöser können Abszesse oder eine Fistel sein sowie ein gastro- ösophagealer Reflux, bedingt durch eine Sphinkterinsuffizienz am Übergang von der Speiseröhre in den Magen. Diskutiert wird ferner eine Infektion des Magens mit dem Bakterium Helicobacter pylori als Trigger einer Halitosis.
Des Weiteren kann sich der Mundgeruch im Zusammenhang mit einer Hiatushernie und/oder Divertikelkrankheit ausbilden oder auch bei Störungen der Zusammensetzung der Darmflora sowie bei Fastenzuständen. Außerdem können gravierende Krankheiten mit der Ausbildung eines charakteristischen Mundgeruchs einhergehen. Beispiele hierfür sind der aromatisch-fruchtartige Geruch der Ausatemluft bei einer diabetischen Ketazidose sowie der Foetor hepaticus bei einer schweren Lebererkrankung wie etwa einer Leberzirrhose oder einer hepatischen Enzephalopathie und auch der Foetor uraemicus bei einem akuten oder chronischen Nierenversagen. In solchen Fällen kann der Geruch der Ausatemluft als regelrechter Biomarker der Erkrankung fungieren.
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Diagnostik
Es gibt ferner Stoffwechselerkrankungen, die bereits im Kindes- und Jugendalter auftreten und mit einem charakteristischen Geruch der Ausatemluft assoziiert sind. Hierzu gehören beispielsweise der Fischgeruch bei der Trimethylaminurie sowie der Geruch von Mäuseurin bei der Phenylketonurie. Die meisten Menschen mit Halitosis können ihren Mundgeruch nicht selbst riechen. Denn der Geruchssinn spricht in aller Regel vor allem auf Veränderungen der Konzentration von Duftstoffen an. Ein Selbsttest kann Abhilfe schaffen: Leckt man seinen Handrücken ab, nimmt man die Geruchsstoffe meist beim Abtrocknen des Speichels wahr.
Als diagnostisches Verfahren kommt neben der organoleptischen Prüfung die Gaschromatografie mittels eines Halimeters zur Erfassung der Konzentration flüchtiger Schwefelverbindungen in Betracht. Es gibt mittlerweile auch weitere Hilfsmittel wie Sulfit-Monitore, Bio-Sniffer oder sogenannte elektronische Nasen. Die weitere Diagnostik richtet sich primär nach der vermuteten Ursache der Halitosis.
Therapie
Ziel der Behandlung ist die Besserung oder möglichst das Beheben des oft stark belastenden Mundgeruchs. Eine effektive Behandlung hebt nicht nur das Selbstwertgefühl der Betroffenen, sondern insgesamt die Lebensqualität.
Die Therapie richtet sich dabei nach der Ursache der Beschwerden: Liegt eine quasi sekundäre Halitosis vor, ist die zugrunde liegende Systemerkrankung – also beispielsweise der Diabetes oder die Leberzirrhose – optimal zu behandeln. Meist bildet sich dann auch der unangenehme Geruch zurück. Sind Medikamente die Ursache, ist zu prüfen, ob nicht die medikamentöse Therapie geändert werden kann. Wenn die Symptomatik durch eine Tonsillitis oder eine Sinusitis bedingt ist, sollte ein HNO-Arzt konsultiert werden. Vor allem bei Kindern ist in diesem Zusammenhang auch an eine chronische Tonsillitis zu denken und gegebenenfalls die Indikation für eine Tonsillektomie zu stellen.
Von zentraler Bedeutung sind bei der Mehrzahl der Patienten jedoch eine zahnmedizinische Behandlung der Zahn- und Zahnfleischerkrankungen sowie eine professionelle Zahnreinigung. Die Patienten müssen außerdem eingehend zur Mundhygiene instruiert werden einschließlich des Einsatzes eines Zungenschabers sowie geeigneter Lösungen zur Mundspülung.
Die meisten Menschen mit Mundgeruch versuchen den übel riechenden Atem durch Pfefferminzbonbons, Kaugummis oder ähnliche Maßnahmen zu kaschieren, was jedoch bestenfalls eine vorübergehende Besserung bewirkt. Besser geeignet sind regelmäßige Mundspülungen, die gegen die geruchserzeugenden Bakterien im Mund wirksam sind.
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Allgemeine Maßnahmen
Davon abgesehen lässt sich durch die Ernährung zur Vorbeugung beitragen. Zu meiden sind Nahrungsmittel, die Mundgeruch direkt erzeugen. Auch sollte man auf viel Alkohol und Kaffee sowie auf das Rauchen generell verzichten. Dagegen sollte man ausreichend trinken, wobei Wasser und Tees zu bevorzugen sind, zumal beispielsweise schwarzer wie auch grüner Tee Wirkstoffe enthalten, die das Wachstum von Plaquebakterien hemmen.
Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Kölninfo@christine-vetter.de