Geschäftsmodell Patientenvermittlung

Immer mit ohne Provision

Eine Richtung des Medizintourismus ist der Weg nach Deutschland – Zahn-/Medizin made in Germany wird geschätzt. Im großen Stil gemanagt wird die Reise von selbst ernannten Patientenvermittlungsagenturen. Dabei wird es häufig dubios, intransparent und unprofessionell, sagen die Kritiker. Wir haben nachgebohrt, wer wem wie viel zahlt und welche Strukturen hinter den Portalen stehen.

Nach mehrfachem Klingeln nimmt endlich jemand ab. Am anderen Ende der Telefonleitung ertönt eine dunkle Männerstimme, es ist die von Vadim Pepler. Auf die Frage, ob er zeitnah bereit sei zu einem Gespräch über seine Patientenvermittlung, entgegnet der Geschäftsführer der HRC International in gebrochenem Deutsch, er befinde sich gerade in einem anderen Gespräch. Er melde sich – „in einer Stunde“. Aber Pepler meldet sich nicht in einer Stunde. Weitere telefonische Anfragen wimmelt der gebürtige Russe ab. Schriftliche Fragen beantwortet er gar nicht.

Man übernimmt auch gerne "Sonderwünsche"

Die Internetseite der HRC International – Patientenvermittlung Service, heißt es dort – kommt überaus  professionell daher. Sie suggeriert in einwandfreiem Deutsch, für jeden eine Lösung anbieten zu können – sei es der nach einer Klinik suchende ausländische Patient, sei es das deutsche Krankenhaus, das sich einen neuen Markt mit Auslandspatienten erschließen möchte. Die Liste der Serviceleistungen, die die Agentur anpreist, ist schier endlos: Die HRC übernehme die Planung und Durchführung von Klinikaufenthalten einschließlich der An- und Abreise des Patienten, inklusive Behördenservice wie Visaanträge, aber auch die Organisation von Konzertbesuchen vor Ort, von privaten Pflegediensten, von Sicherheitsdiensten, von Wellnessangeboten und ... von „Sonderwünschen“.

Und das ist noch nicht alles: Deutschen Kliniken bietet die HRC ein umfassendes Grundlagenkonzept zum Geschäftsfeld Auslandspatienten an, im Paket ein Workshop in der Klinik selbst und Unterstützung beim Aufbau eines klinikinternen „International Office“. Egal, auf welchen Internet-Button die Besucher der Seite klicken, immer erscheint dieselbe Kontaktnummer – die von Pepler. Dem Mann, der keine Angaben machen möchte. Wieso nicht?

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Dubiose One-Man-Shows mit Migrationshintergrund

Nach Einschätzung von Jens Jusczak, Experte für Auslandspatienten an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, gibt es in Deutschland inzwischen Tausende von Patientenvermittlungen. Die meisten von ihnen seien „One-Man-Shows mit Migrationshintergrund und intransparenten Organisationsstrukturen“. Noch fataler: Häufig fühlten sich medizinische Laien berufen, für Auslandspatienten eine geeignete Klinik in Deutschland zu suchen – „das kann nicht gut gehen“, ist Jusczak überzeugt.

Dennoch sind Patientenvermittlungen gefragter denn je. Schließlich boomt das deutsche Geschäft mit Auslandspatienten, wie die neueste Erhebung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ergab. 251.000 internationale Medizintouristen aus 176 Ländern kamen 2014 nach Deutschland, um sich – stationär und ambulant – behandeln zu lassen. Gegenüber 2013 ist das ein Zuwachs von rund 4,5 Prozent. Die meisten von ihnen kommen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (ein Plus von 30 Prozent), nach wie vor gefolgt von russischen Patienten.

Vor allem die Nachfrage in der Hauptstadt steigt und steigt, gegenüber 2004 hat sie sich sogar verfünffacht, so Juszczak: „Durch Erlöse in den medizinischen Einrichtungen, Hotelübernachtungen und Einkäufe werden jährlich schätzungsweise 150 Millionen Euro in die Kassen der Hauptstadt ’gespült’. Nicht enthalten sind indirekte Effekte wie Ausgaben für Transporte (Flugzeug, Taxi etc.), Dolmetscher, touristische Ausgaben wie der Besuch von Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie Investitionen in Immobilien, Unternehmensbeteiligungen oder zur Wartung von Privatflugzeugen.“ Den Umsatz, den das Geschäft mit den Auslandspatienten dem deutschen Gesundheitswesen beschert, beziffern Experten auf rund 1,2 Milliarden Euro.

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Namen werden nicht genannt

Medizin „made in Germany“ scheint beliebt und gefragt, auch die Qualität im Bereich der Zahnmedizin zieht immer mehr Auslandspatienten an, berichtet Fabian Jain von Ku64 in Berlin. Nach Aussagen des PR-Managers der nach eigenen Angaben „größten Zahnarztpraxis an einem Standort in Deutschland“ suchen Auslandspatienten genau diese Qualität. Einige Patienten der Zahnarztpraxis ließen sich diese Qualität dann auch mal 30.000 Euro pro Behandlung kosten.

Auf Wunsch bietet Ku64 Auslandspatienten das gesamte Programm an – Hotelbuchung, Transport, Abholservice inklusive Rahmenprogramm. Nicht selten organisiere all das aber auch eine der „zwei bis drei“ Vermittlungen, mit denen die Zahnklinik zusammenarbeite, so Jain. Diese Vermittlungen seien in Berlin ansässig und hätten ein gutes Netzwerk von Patienten in Russland.

Die Namen dieser Vermittlungen werden jedoch nicht genannt. Eines stellt Jain aber schnell klar: „Provisionen zahlen wir den Vermittlungen nicht mehr!“ Der Grund: In der Vergangenheit seien etliche von Vermittlern aufgeschlagen und hätten als Provision einen bestimmten Prozentsatz an den Gesamtbehandlungskosten verlangt. Deren schlechter Service habe die Zahnarztpraxis allerdings dazu bewogen, grundsätzlich keine Provisionen an Vermittlungen mehr zu zahlen. Nun wird Vorkasse vom Patienten verlangt, heißt es.

Sittenwidrige Provisionen, illegale Geschäftspraktiken

Der Grund für diese Entscheidung ist sicherlich noch ein weiterer: Provisionen für die Vermittlung von Patienten an Kliniken sind sittenwidrig, hat das Landgericht Kiel in einem Urteil vom 28. Oktober 2011 entschieden; entsprechende Vereinbarungen nach geltendem Recht sind nichtig. Kontrollen über die Preisgestaltung von Vermittlungen gibt es in Deutschland keine, erklärt Leonore Boscher, Leiterin der German Health ManagementConsulting.

Der gemeinsame Versuch, mit Juszczak Kriterien für die Zulassung von Patientenvermittlungen in Deutschland einzuführen, lief bislang ins Leere. Weder das Bundesgesundheitsministerium noch die Deutsche Krankenhausgesellschaft und schon gar nicht die Vermittler selbst seien an Siegeln oder Zertifikaten zum Qualitätsnachweis interessiert.

Auf eine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Maria Klein-Schmeink hin, ob die Bundesregierung zur Unterbindung unseriöser Geschäftspraktiken gesetzliche Regelungen plane, hieß es bereits 2012 von der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz (CDU), lediglich: „Die Einführung eines Zulassungsverfahrens für Vermittlungsfirmen mit illegalen Geschäftspraktiken kann aus Sicht der Bundesregierung nicht als zur Unterbindung solcher Praktiken geeignete Maßnahme in Betracht kommen“. Punkt.

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Vermitteln geht auch seriös

Es gibt jedoch nicht nur schwarze Schafe unter den Vermittlungen. Es gibt auch solche, die Auskünfte geben, die offen sind. Die Orient Academy versteht sich als Serviceagentur. Sie bietet alles von Firmentrainings, interkulturellen Seminaren, Arabischkursen, Politikberatung bis hin zu Leistungen im Gesundheitsbereich an. Kunden, also Patienten, kommen dem Geschäftsführer Mohammed Khalil zufolge häufig von Ministerien aus Jordanien, Kuweit und dem Irak. Die Orient Academy plant deren Reise von A bis Z. Sie schlägt ihnen Privatkliniken in Deutschland vor, die sie nach eigenen Angaben zuvor geprüft hat. Auch einen Kostenvoranschlag erhielten die Patienten vor Antritt ihrer Reise, dieser enthalte die Kosten für den Service der Orient Academy.

Dr. Jochem Heibach sieht die Kooperation mit Vermittlungen gelassen. Heibach leitet seit einigen Jahren eine schicke Praxis direkt am Flughafen Köln/Bonn, einen Ableger der auf finanziell gut gestellte Geschäftsleute ausgerichteten „dental suite“ gibt es noch in Rösrath. Er arbeite gerne mit Agenturen zusammen, sagt Heibach auf Nachfrage, er kontrolliere diese auch nicht. Wichtig sei ihm, dass alles rund läuft und die Agenturen ihm vieles abnehmen – sprich: Übersetzer, Anfahrt, Unterbringung, eventuelle Verpflegung der Patienten ihren Kulturen entsprechend.

Ähnlich sieht dies auch Marina Schermer von der Berlin-Klinik – „wenn schon zum Zahnarzt, dann 1. Klasse!“, lautet das Leitmotiv der Luxuszahnarztpraxis am Berliner Leipziger Platz. Schermer, auch Russin, ist im Gegensatz zu ihrem Landsmann Pepler besser zu erreichen. Wenngleich die Praxis- Managerin als alleinige Organisatorin des gesamten Auslandsgeschäfts alle Hände voll zu tun zu haben scheint. Telefonate führt sie im Gehen.

Die Patienten der Berlin-Klinik kommen aus aller Welt. Manche von ihnen ließen sich eine Behandlung auch mal 60.000 Euro kosten, sagt Schermer. Das Rahmenprogramm nicht miteingeschlossen. Für die Organisation dieses Rahmenprogramms greift die Berlin-Klinik gern mal auf Vermittlungen zurück. Diese erhalten von der Klinik ein Prozent vom Arzthonorar. Die Erfahrungen mit Vermittlungen seien unterschiedlich: Einige wollten nur Geld, andere arbeiteten professionell. Grundsätzlich, ergänzt Schermer, freue sich die Berlin-Klinik, durch Agenturen neue Patienten zu gewinnen und schätze professionelle Kooperationen.

Der Vizepräsident der Berliner Zahnärztekammer, Dr. Michael Dreyer, warnt vor der Kooperation mit unbekannten Agenturen. „Schließlich wissen die Patienten meist nicht, ob der vermittelte Arzt auch wirklich qualifiziert ist“, betont Dreyer. Grundsätzlich hält Dreyer den Medizintourismus aber für eine gute Entwicklung. Es sei positiv zu bewerten, dass ausländische Patienten an deutscher Medizin interessiert sind. „Das spricht für unsere gute Qualität.“

Bei seinen Auslandspatienten wird der GOZ-Preis um einiges überschritten

Ob Vermittlungen mit ihren Patienten letztlich „den großen Reibach machen“, hängt von den einzelnen Ärzten und Kliniken ab. Im zahnärztlichen Bereich erfolgt bei ausländischen Patienten zwar ebenso wie bei inländischen die Abrechnung gemäß der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Möglich ist aber eine „abweichende Vereinbarung“ (§ 2, Absatz 1 und 2 GOZ). Hierin heißt es: Durch Vereinbarung zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem kann eine von dieser Verordnung abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden.

Bei seinen Auslandspatienten werde der normale GOZ-Preis um einiges überschritten, sagt Heybach von der dental suite ganz offen. Und das sei auch richtig so. „Es ist bei Auslandspatienten eine ganz andere Dynamik vom Arzt gefordert, es fällt ein völlig anderer Aufwand an“, lautet seine Erklärung. So müsse er sich als Arzt beispielsweise sprachbedingt mehr Zeit für die Behandlung des Patienten nehmen und auf die Übersetzer einstellen. Zudem seien die Zahnarzthelferinnen bei der Betreuung verstärkter gefordert als bei deutschen Patienten. Darüber hinaus werde von seiner Klientel nahezu immer gefordert, umgehend Termine zu erhalten und auch aufwendige Behandlungen schnell durchzuführen.

Soviel Offenheit ist im klinischen Bereich eher selten. Offiziell gibt es gemäß dem Krankenhausentgeltgesetz keinerlei Anreiz für deutsche Kliniken, Auslandspatienten zu behandeln. Die Häuser, die dem Fallpauschalensystem unterliegen und für die dementsprechend ein Basisfallwert vereinbart wird, sind auch bei der Vergütung für die Behandlung ausländischer Patienten an diesen gebunden. Es gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Pflegesätze gemäß § 8 Absatz 1 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz. „Für eine Klinik ist die Behandlung eines ausländischen Patienten durch die dafür notwendige Organisation so aufwendig, dass es sich selbst bei Privatzahlern theoretisch nicht lohnt“, sagt Experte Jusczak.

Closed Shop - eine strategische Entscheidung

Allerdings kontrolliert derzeit niemand, ob sich Kliniken auch wirklich an diese Vorgabe halten. Die Tatsache, dass Erhebungen der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zufolge an beinahe jeder größeren deutschen Klinik Auslandspatienten gern gesehene Gäste sind, lässt anderes vermuten. Gesprochen wird darüber jedoch nicht. So heißt es vom Leiter der Abteilung Auslandspatienten an der Charité International, Henri Ritschel, dazu lediglich: Der Umsatz durch Auslandspatienten wachse. Mit Vermittlungen arbeite man ungern zusammen. Es komme jedoch in wenigen Fällen vor – allerdings ohne Provisionen.

Gar keine Angaben möchte Vivantes International Medicine zum Geschäft mit Auslandspatienten machen. Es bestehe kein Interesse an Offenheit gegenüber deutschen Medien, heißt es von der zuständigen PR-Dame schlicht. Das sei eine strategische Entscheidung.

Martina Merten, Fachjournalistin

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