Blick auf die Nachbarn

Schweiz: Jeder dritte Zahnmedizinstudent wechselt

Fast 30 Prozent der Zahnmedizinstudenten in der Schweiz ändern mittendrin die Fachrichtung. Jeder Fünfte fängt ein Studium an und merkt dann: Das ist nix! Warum die Studierenden so flatterhaft sind, hat einen besonderen Grund, wie eine Langzeituntersuchung zeigt.

Die Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung hat anhand von 50.000 Studenten zwischen 1975 und 2008 untersucht, wie viele ihr Studium abbrechen oder die Fachrichtung wechseln. Das Ergebnis für die Zahnmedizin – ernüchternd! Das Fach steht mit fast 30 Prozent an der Spitze der wechselwütigen Studenten.

Der Grund dafür ist indes überraschend: Das Studium bietet ein Hintertürchen, um den Numerus clausus für die Humanmedizin zu umgehen. Eine Aufnahmeprüfung müssen Zahnmedizinstudenten zwar auch bestehen, aber die Anforderungen sind nicht so streng wie in der Humanmedizin. Wenn Medizinstudenten ihre Prüfungen nicht schaffen und deshalb aufhören, dürfen Zahnmediziner diese Plätze einnehmen – und kommen so doch noch zu ihrem ursprünglich angepeilten Studium.

Ganz so einfach ist der Wechsel dann doch nicht

Dass dieser Wechsel unkompliziert verläuft, ist jedoch ein Mythos – das zumindest erklärt Dominic Schmid, Präsident des Verbands der Schweizer Medizinstudierenden, im zm-Gespräch: Jeder der Humanmedizin studieren will, müsse im Eignungstest für das Medizinstudium (EMS) die Mindestpunktzahl für die Humanmedizin erreichen – das gelte auch für Zahnmedizinstudenten, die in die Humanmedizin wechseln. Außerdem sei ein Wechsel nur möglich, wenn es an der gewählten Universität freie Studienplätze in Humanmedizin gibt – was aber nicht garantiert sei. Schmid: „Was den Studienfachwechslern zugute kommt, ist einzig und allein, dass sie kein Jahr verlieren und keinen neuen Stoff aufarbeiten müssen, wenn der Wechsel nach dem zweiten Studienjahr erfolgt.“

In den ersten zwei Jahren des Studiums lernen die Zahnis die physiologischen Grundlagen des gesamten Körpers kennen. Wie Schmid berichtet, nehmen Zahnmedizinstudierende genauso wie Humanmedizinstudierende am Sezierkurs und an den Biochemie-Laborpraktika teil. Es sei deshalb nicht verwunderlich, dass bei einigen Zahnmedizinstudenten das Interesse an anderen Organsystemen geweckt wird. Dieser Interessenwechsel sei innerhalb der Medizin sehr häufig und zeige sich auch bei den Humanmedizinern, deren Interessen sich in Bezug auf die Fachrichtung ja ebenfalls ändern können.

Die Verteilung der praktischen Arbeiten im Zahnmedizinstudium ist Schmid zufolge ein Grund, warum die Abbruchquote so hoch ist. Während man im dritten, vierten und fünften Studienjahr sehr viel praktisch arbeitet, fehle dieser Aspekt in den ersten zwei Jahren praktisch vollkommen. Das gewählte Fachgebiet werde nur am Rande behandelt. „Eventuell werden diese zwei Jahre einigen Studierenden schon zu viel, und sie brechen ihr Studium ab“, sagt Schmid. Demnach wäre es durchaus denkbar, dass irgendwann der zahnmedizinische Nachwuchs ausbleibt. „Allerdings akzeptieren die Universitäten immer mehr Studierende am Anfang des Studiums als es ihre Kapazitäten eigentlich zulassen.“ Dies führe dazu, dass am Ende des Studiums die Kapazitäten doch noch ausgeschöpft werden.

Neben der Zahn- und Humanmedizin sind auch die Geistes- und Sozialwissenschaften und die Naturwissenschaften mit jeweils knapp 25 Prozent oft vom Bäumchen-Wechsel-Dich-Syndrom betroffen. Ausgesprochen treu sind dagegen Studierende der Theologie: Sie wechseln nur zu zehn Prozent. Im Vergleich zur Schweiz sind die Fachwechselquoten in Deutschland geringer: Laut dem Statistischen Jahrbuch 2014/2015 der Bundeszahnärztekammer wechselten 2006 etwa 10 Prozent der Zahn- und Veterinärmedizinstudenten in einen anderen Fachbereich, und nur drei Prozent brachen das Studium ab. 2008 waren für 27 Prozent der Medizinstudenten Leistungsprobleme ein Grund das Studium hinzuschmeißen, 17 Prozent versagten bei den Prüfungen und für 16 Prozent war mangelnde Motivation ein Grund, das Studium abzubrechen.


Studieren in der Schweiz

Wie schreibt man sich ein?

Alle Schweizer Maturanden, die Zahn-, Humanmedizin oder Chiropraktik studieren wollen, schreiben sich bei swissuniversities ein, der Schweizerischen Vereinigung aller Universitären Hochschulen. Die Unis melden dann swissuniversities die Anzahl ihrer Studienplätze. Übersteigen die Anmeldungen die Plätze, organisieren die Deutschschweizer Universitäten den EMS – einen Eignungstest für das Medizinstudium, der für jede der drei Studienrichtungen gleich ist. Allerdings ist das Verhältnis zwischen Aufnahmekapazität und Zahl der Anmeldungen bei den Humanmedizinern kleiner als bei den Zahnmedizinern, weshalb die Chancen, genommen zu werden, in der Zahnmedizin größer sind.

Wie viele Zahnmedizinstudenten gibt es aktuell in der Schweiz?

Laut dem Bundesamt für Statistik sind im akademischen Jahr 2015/16 insgesamt 797 Studierende immatrikuliert. 2016/17 haben die Universitäten 181 Plätze, wobei sich bislang schon 411 Gymnasiasten für das Studium angemeldet haben.

Zu welchen Tätigkeiten befähigt der Bachelor-Abschluss in der Zahnmedizin?

Als Bachelor darf man den Beruf nicht ausüben – er bescheinigt lediglich, dass man die ersten drei Studienjahre bestanden hat. Natürlich können die Studierenden im Laufe ihres Studiums mehr und mehr Behandlungen durchführen, dies geschieht aber immer unter Aufsicht.

Ist ein anschließendes Master-Studium notwendig?

Zahnärzte unterliegen dem Schweizerischen Bundesgesetz über Medizinalberufe. Wenn man die gesamte Ausbildung durchlaufen hat, muss man beim Bundesamt für Gesundheit das Staatsexamen ablegen. Für Zahnmediziner heißt das, dass sie ihren Beruf erst nach Erwerb des Masters ausüben dürfen. Der Master ist zwingend notwendig, um alle geforderten Fähigkeiten ausweisen zu können. Dominic Schmid beantwortete unsere Fragen, die wir hier gekürzt wiedergeben.


 

dg

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