3 aus 10 ist 2 von was?
Statistiken besitzen im öffentlichen Diskurs eine sehr hohe Glaubwürdigkeit. Woran liegt das? Weil Zahlen bekanntermaßen nicht lügen. Und da Zahlen die Basis jedweder Statistik sind, können diese auch nur eines, nämlich korrekt sein. Oder? Reden wir nicht drum herum: Die meisten Menschen haben keine Ahnung von Statistik, weil sie keine Ahnung von Mathematik haben. Und die mathematischen Fähigkeiten im Lande der Dichter und Denker und der Ingenieure sind ja nicht sehr ausgeprägt. Somit ist es nicht schwer, mittels Statistiken die öffentliche, vor allem aber die veröffentlichte Meinung zu manipulieren. Sagen wir es freundlicher: zu lenken!
Bei diesem Spiel machen fast alle fröhlich mit und bearbeiten die x- und y-Achse auf „meine Erkenntnis komme raus“. Gießt man dann die dabei ermittelten Zahlen in Bilder – seien es Grafiken, Balken- oder Tortendiagramme – sind die Ausgangsgrößen und Bezugspunkte meist nicht mehr vorhanden, eine seriöse Einordnung kaum noch möglich. Aber das damit erzielte Ergebnis wirkt, denn die visuellen Eindrücke zählen, nicht die tatsächlichen Zahlen.
So schafft es auch die kürzlich veröffentlichte Jahresstatistik 2015 der Behandlungsfehlerbegutachtung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen mit Balken- und Tortendiagrammen ein (ver)öffentlich(t)es Bild zu erzeugen, als ob die medizinische und die zahnmedizinische Behandlung in Deutschland lebensgefährlich seien. Die medial vermittelte Quote lautet so: In drei von zehn vorgeworfenen Fällen wurde ein Fehler gutachterlich festgestellt und in zwei von zehn Fällen war der entstandene Schaden ursächlich auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen. Basis waren 14.828 begutachtete Fälle – immerhin ein Anstieg von 1,1 % gegenüber dem Vorjahr – und 4.064 Fälle, in denen der Gutachter den Behandlungsfehler mit einem Schaden in Verbindung bringen konnte. Und die Zahnmedizin spielt ganz vorne mit: 1.101 Fälle und 451 gutachterlich bestätigte Behandlungsfehler.
Damit an dieser Stelle nicht der Eindruck entsteht, dass die Darstellung der erhobenen (!) Zahlen nicht korrekt sei, möchte ich ausdrücklich feststellen, dass die Zahlen, die der MDK in seinem Jahresbericht veröffentlichte, plausibel sind. Allerdings findet sich in dem Gutachten an keiner Stelle der Bezug zu der tatsächlichen Anzahl der durchgeführten Behandlungen, lediglich die Zahl der vermuteten Behandlungsfehler, die in eine Begutachtung durch den MDK mündeten. Die Messgröße für die Zahnmedizin: 90.000.000, in Worten 90 Millionen Behandlungsfälle in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ob mit dieser Art der Darstellung dem hohen Gut der Patientensicherheit gedient wird, wage ich zu bezweifeln. Da helfen alle verbalen Relativierungen der „Zahlenbilder“ auf Pressekonferenzen wenig. Was nützt es der Patientensicherheit, wenn die Zahnärzte, Ärzte und in Teilen die Pflege bereits Wochen vor der Pressekonferenz sich unruhig fragen, welche „Sau wohl diesmal durchs Dorf getrieben werden wird“? Andersherum wird ein Schuh draus: Um einen „Beitrag zur Fortentwicklung der Sicherheitskultur“, wie im Vorwort seitens des MDK vollmundig formuliert wird, zu leisten, wäre zuvorderst der Austausch mit denen wichtig, die mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse die Fehler vermeiden sollen. Dies umso mehr, wenn bereits vorher klar ist, dass „Analysen zu Häufungen und Schwerpunkten (von Behandlungsfehlern) auf dieser lückenhaften Basis nur eingeschränkt möglich sind“, wie es im Vorwort heißt. Dann ließe sich auch die beklagte schmale Datenbasis verbreitern, die bisher fern einer vollständigen oder wenigstens repräsentativen Erfassung der Behandlungsfehler liegt. Womit wir wieder bei der Statistik als Wissenschaft sind und deren fachspezifischer Vorgabe für Korrelation oder Kausalität. Aber wen interessiert’s …