Still ruht Greifswald
Ende Oktober vergangenen Jahres schrieb die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald den Lehrstuhl C4/W3 für restaurative/konservierende Zahnerhaltung, Parodontologie und Endodontologie neu aus – als Oberarztstelle. Der Nachfolger von Prof. Dr. Georg Meyer soll also nur noch eine W2-Professur erhalten.
Bislang wird die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an den medizinischen Fakultäten Deutschlands mit mindestens vier Kern-Lehrstühlen (C4/W3) repräsentiert – so gibt es der Fächerkanon in der Approbationsordnung vor. Dazu gehören: 1. die restaurative/konservierende Zahnerhaltung, Parodontologie, Endodontologie und Kinderzahnheilkunde, 2. die zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, 3. die für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und 4. die Kieferorthopädie. Darüber hinaus sind an manchen medizinischen Fakultäten ortsspezifisch weitere zahnmedizinische Lehrstühle eingerichtet. Diese Besetzungsstärke hält die Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK) für das „unabdingbare Minimum“, das man gemäß den Empfehlungen des Wissenschaftsrats um die Parodontologie als weiteres eigenständiges Kernfach erweitern sollte, aber keinesfalls reduzieren darf.
Das Profil ist in Gefahr
In einem der zm-Redaktion vorliegenden Brief an Rektorin Prof. Dr. Johanna Eleonore Weber kritisierte VHZMK-Präsident Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf am 12. November die Denomination – insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Lehrstuhl durch Meyers Engagement große nationale und internationale Anerkennung erfahren habe und „so wesentlich zur wissenschaftlichen Exzellenz der Universität Greifswald beigetragen hat“: Schlagenhauf bittet Weber, der Gefahr entgegenzutreten, „durch einen Verzicht auf die Neubesetzung des Lehrstuhls und der hieraus resultierenden Reduktion der Anzahl der Lehrstühle der Greifswalder Zahnmedizin die Leistungsfähigkeit der zahnmedizinischen Ausbildung und Forschung am Standort Greifswald nachhaltig zu beschädigen“.
Außer Schlagenhauf wurde die Entscheidung nur vom Berufsverband der Allgemeinzahnärzte Deutschlands (BVAZ) öffentlich thematisiert: „Bei allem verständlichen Interesse für Sparmaßnahmen, aber faktisch bedeutet dieser Schritt eine Abwertung der Zahnerhaltung innerhalb des zahnmedizinischen Fächerkanons“, rügte Geschäftsführer Dr. Dr. Rüdiger Osswald. „Eine Abschaffung eines
Lehrstuhls für konservierende Zahnheilkunde in Greifswald ist gegenüber der Lehre der Zahnheilkunde kontraproduktiv und absolut der falsche Weg.“ Eine Universität ohne Lehrstuhl für Zahnerhaltung sei nach geltender Approbationsordnung nicht in der Lage, die zahnmedizinische Ausbildung sicherzustellen.
Paro-Professur als Leitung
Prof. Heyo Kroemer, von 2000 bis 2012 Dekan der Medizinischen Fakultät und seit 2011 Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin Greifswald sowie Präsident des Medizinischen Fakultätentages, antwortete auf unsere Nachfrage: „Besetzungen von Lehrstühlen, deren Denomination und Wertigkeit sind Entscheidungen unserer Mitgliedsfakultäten, die vom MFT grundsätzlich nicht kommentiert werden. Dieses Grundprinzip werden wir auch in diesem Fall beibehalten.“ Die Fachschaft reagierte gar nicht auf unsere Anfragen – sie hüllt sich in Schweigen.
In einer Stellungnahme erklärte Prodekan Prof. Dr. Reiner Biffar Mitte Dezember gegenüber der DZW, dass Prof. Dr. Max Baur die Fakultätsleitung seit Juni 2015 innehabe. Das Schreiben der VHZMK verleite zu Missinterpretationen, da es die zugehörigen Gremienbeschlüsse nicht berücksichtige.
Der zm gegenüber legte er am 19. Januar dar, dass bestehende Überlappungen der Denominationen der berufenen Professoren bei den Neuausschreibungen bedacht werden müssten. Die zu besetzende Stelle laute gemäß Ausschreibung Professur für Restaurative Zahnmedizin und Endodontologie und entspreche Meyers Lehrgebiet der Zahnerhaltung. „Die drei Fächer in der Fächergruppe Zahnerhaltung werden [...] adäquat durch die aufeinander abgestimmten Denominationen der Professuren für Restaurative Zahnmedizin/Endodontologie, Parodontologie und Kinderzahnheilkunde umfassend repräsentiert. Weiterhin gibt es keine Veränderung der vier Kernabteilungen oder ihrer Zuständigkeiten.“ Zu dem historischen Begriff des Lehrstuhls gebe es im Landeshochschulgesetz keine Entsprechung mehr. Dass die Leitung künftig bei der Zahnerhaltungsprofessur für Parodontologie liegt, sei dem „besonderen wissenschaftlichen Profil des Standortes Greifswald“ geschuldet. Den zm schrieb Baur am 18. Januar, dass der Lehrstuhl erhalten bleibe, Lehre und Ausbildung nicht reduziert würden. Aber: „Nach internen Überlegungen hat sich die Fakultät dazu entschlossen, diesen Lehrstuhl mit einer W2-Professur zu besetzen. Alle weiteren Entschlüsse, auch wieder in die andere Richtung, sind zukünftig möglich und Fakultätsentscheidung.“
Kommentar
„Nichtbesetzungen schaffen Präzendenzfälle!“
Die VHZMK spricht sich eindeutig gegen die Verkleinerung der Anzahl von Lehrstühlen im Bereich der Zahnmedizin aus, da der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Zahnmedizin aus dem Jahr 2005 fünf zahnmedizinische Kernfächer benannt hat – Kariologie und Endodontologie, Kieferorthopädie, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Parodontologie, zahnärztliche Prothetik. Aktuell existieren aber an den meisten Standorten bislang nur vier der Zahnmedizin zugeordnete Lehrstühle.
Diese Anzahl noch weiter zu reduzieren ist nicht hinnehmbar. Insbesondere wenn man die Anzahl der Lehrstühle mit der Anzahl der Studenten in Relation setzt. An vielen Standorten beträgt der Anteil der Zahnmedizinstudenten an der Gesamtzahl der Studenten des Fachbereichs Medizin 20 Prozent und mehr. Dies spiegelt sich aber an keinem Standort auch nur annäherend in der Anzahl der Lehrstühle und Professuren wider, die der Zahnmedizin zugeordnet sind.
Von der in Heidelberg zu findenden Relation von 16 Medizinstudenten auf eine der Medizin zugeordnete Professur können wir Zahnmediziner nur träumen (Quelle: Centrum für Hochschulentwicklung (CHE)). Die Situation in Greifswald ist aber etwas komplizierter, da nach den Aussagen der Verantwortlichen vor Ort kein dauerhafter Abbau des Lehrstuhls für Zahnerhaltung, Parodontologie und Endodontologie geplant ist. Vielmehr soll die Ausrichtung des Lehrstuhls in Richtung Parodontologie durch die Berufung eines Parodontologen als Lehrstuhlinhaber verändert werden. Da die Parodontologie aktuell bereits mit Prof. Thomas Kocher durch eine C-3-Professur in Greifswald vertreten ist, soll die Neubesetzung des Lehrstuhls für Zahnerhaltung, Parodontologie und Endodontologie erst nach dem altersbedingten Ausscheiden von Prof. Kocher im Jahr 2019 erfolgen und zwischenzeitlich ein Nachfolger für den Bereich Zahnerhaltung und Endodontologie als W2-Professur berufen werden.
Die VHZMK anerkennt nachdrücklich, dass es jeder Fakultät frei stehen muss, die Schwerpunktsetzung eines Lehrstuhls im Fächerkanon Zahnerhaltung in eigener Entscheidung zu verändern. Sie warnt jedoch ebenso ausdrücklich davor, dass durch eine längerfristige Nichtbesetzung zahnärztlicher Lehrstühle Präzedenzfälle geschaffen werden, um die Anzahl der Lehrstühle in der Zahnmedizin dauerhaft zu reduzieren.
Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf
VHZMK-Präsident, Leiter Abteilung für Parodontologie in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie
Universitätsklinikum Würzburg
Pleicherwall 2, 97070 Würzburg