Radikale OP eines duktalen Speicheldrüsenkarzinoms
Im Januar 2011 stellte sich ein 70-jähriger Mann mit einem unklaren Befund der rechten Gesichtshälfte in der Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz vor. Die Größe der indurierten, nicht druckdolenten Schwellung betrug zu diesem Zeitpunkt etwa 3 cm x 3 cm (Abbildung 1). Der Patient gab an, dass diese ihm erstmals vor ungefähr drei Monaten aufgefallen sei. Seine Motorik und seine Sensibilität waren nicht beeinträchtigt. Es lagen keine Erkrankungen vor. Der Patient gab an, er habe mit dem Rauchen vor 15 Jahren aufgehört.
Zur diagnostischen Abklärung wurden eine Ultraschalluntersuchung und eine Computertomografie (CT) mit Kontrastmittel durchgeführt.
In der Sonografie sah man eine weitgehend homogen-zystisch anmutende, umkapselte Läsion mit dorsalem Schallschatten (Abbildung 2). Im CT stellten sich ein Kontrastmittel-aufnehmender, inhomogener Tumor am unteren Parotispol rechts (Abbildung 3) sowie ein suspekter Lymphknoten kraniozervikal rechts dar (Abbildung 4).
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Diagnose
Es erhärtete sich die Verdachtsdiagnose, dass ein metastasierendes Parotiskarzinom vorliegt. Nach Abschluss der Staginguntersuchungen wurden daher eine Parotidektomie unter Erhalt des Nervus facialis sowie eine ipsilaterale Neck-Dissection in drei Leveln durchgeführt (Abbildung 5). Die Läsion wurde in toto entfernt (Abbildung 6). In der histopathologischen Begutachtung ließen sich Formationen eines mäßig-gradig differenzierten Speicheldrüsenkarzinoms vom duktalen Typ mit Lymphangiosis carcinomatosa nachweisen (Abbildung 7), wobei zusätzlich zwei ipsilaterale Lymphknotenmetastasen vorlagen (Tumorformel: pT1, pN2b (2/13), M0, G3, R0).
In den ersten postoperativen Tagen bestand ein Defizit des unteren Fazialisastes, das sich in den nächsten Tagen unter Beübung zeitgerecht besserte und schließlich normalisierte. Eine Störung der Sensibilität bestand nicht. Nach Abschluss der Wundheilung wurde im interdisziplinären Tumorboard die Entscheidung zu einer Radiatio getroffen. Anschließend stellte sich der Patient in engen, regelmäßigen Zeitabständen in der Poliklinik vor.
Im Rahmen dieser Kontrolluntersuchungen, nunmehr mehr als viereinhalb Jahre nach der Operation, bestanden weder Anzeichen auf ein Tumorrezidiv noch auf einen Zweittumor oder auch nur eine Beeinträchtigung des Nervus facialis.
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Diskussion
Das duktale Speicheldrüsenkarzinom ist ein seltener, hochgradig aggressiver Tumor [Brandwein et al., 1990; Lewis et al., 1996]. Die Erstbeschreibung erfolgte 1968 [Kleinsasser et al., 1968]. Der Tumor wurde getrennt von den anderen Speicheldrüsentumoren im Jahr 1991 von der World Health Organization (WHO) aufgenommen [Lewis et al., 1996; Tomihara et al., 2015]. Das Karzinom macht circa 0,2 Prozent bis zwei Prozent aller primären Speicheldrüsentumore und ungefähr sechs Prozent bis zwölf Prozent der Parotis-Tumore aus [Weon et al., 2012; Xie et al., 2015].
Aufgrund des aggressiven Tumorverhaltens (lokale Rezidiven (~33 Prozent) und der Bildung früher Fernmetastasen (~46 Prozent) bei einer hohen Mortalität (~65 Prozent) sollten obligatorisch eine schnelle Diagnosesicherung und Therapie erfolgen.
Die meisten Tumore treten in der Glandula parotis und der Glandula submandibularis auf. Vor allem Männer im Alter von 60 bis 70 Jahren sind durch duktale Speicheldrüsenkarzinome betroffen [Etges et al., 2003; Martinez-Barba et al., 1997; Delgado et al., 1993; Hosal et al., 2003; Mlika et al., 2012].
Aus histopathologischer Sicht hat das Karzinom eine große Ähnlichkeit mit dem duktalen Karzinom der Brust [Barnes et al., 1994]. Folglich wurde es als aggressives Karzinom mit hoher Ähnlichkeit zum duktalen Mammakarzinom definiert [Simpson, 2013].
Metastasen in Leber, Lunge und Haut
Duktale Speicheldrüsenkarzinome sind mit einer frühen regionalen Lymphknotenausbreitung und einem raschen Wachstum vergesellschaftet. In einer von Salovaara et al. durchgeführten Studie wiesen 56 Prozent der Patienten zervikale Lymphknotenmetastasen auf – sehr häufig war das Tumorstaging der Patienten T2 oder höher [Salovaara et al., 2013].
Kim et al. beschrieben, dass sogar 74 Prozent ihrer untersuchten Patienten eine pathologische Lymphknotenbeteiligung aufwiesen [Kim et al., 2012]. Bevorzugte Regionen für eine ausgedehnte Metastasierung sind Leber, Lunge und Haut [Guzzo et al., 1997].
Aufgrund seiner aggressiven und infiltrierenden Natur ist bei diesem Karzinom die radikale Operation – das gilt auch für diesen Fall – der therapeutische Goldstandard. Bei in der Parotis gelegenen Tumoren bedeutet dies eine Parotidektomie mit oder ohne Erhaltung des Gesichtsnervs, meist gefolgt von der Neck-Dissection [Xie et al., 2015]. Weil die Rezidivrate so hoch ist, ist von einer schlechten Prognose im Krankheitsverlauf auszugehen. Eine lymphatische Embolie und eine perineurale, extraparotide und/oder lymphatische Invasion wie in dem beschriebenen Fall, sind weitere Indikatoren.
Aufgrund des aggressiven Tumorwachstums ist eine postoperative Strahlentherapie obligatorisch, wobei die Radiochemotherapie bei der metastasierten Form bevorzugt wird [Jamal et al., 2008; Xie et al., 2015]. Die Behandlung mit Trastuzumab, einem monoklonalen anti-HER2-Antikörper, der bei der Behandlung des Brustkrebs eingesetzt wird, hat möglicherweise auch beim duktalen Speicheldrüsenkarzinom seine Indikation [Nabili et al., 2007; Jamal et al., 2008].
Jaspers und Kollegen verwendeten die androgene Deprivationstherapie zur Behandlung von zehn Patienten mit positivem Androgenrezeptor des Tumors bei guten Ergebnissen, wobei die geringe Probandenzahl selbstverständlich wenig repräsentativ ist. Hier sind weitere prospektive Studien erforderlich [Jaspers et al., 2011].
PD Dr. Dr. Peer W. KämmererKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin RostockSchillingallee 35, 18057 Rostockpeer.kaemmerer@med.uni-rostock.de
Dr. Daniel SchneiderKlinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der HELIOS Kliniken SchwerinWismarsche Strasse 393-397, 19049 Schwerin
Univ.-Prof. Dr. Dr. Wilfried WagnerDirektor der Universitätsklinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz, Augustusplatz 255131 Mainz