Der Zinssatz als Risikoindikator
Dieses Prinzip – ursprünglich vor allem von öffentlichen Kreditgebern angewandt – wird auch Zahnärzte in Zeiten von Basel III künftig bei Kreditgesprächen begleiten. Es ist daher sinnvoll, sich mit den Mechanismen dieser „individuellen Kreditbepreisung“ einmal näher zu befassen.
1. Ermittlung der Bonität
Zunächst werden die wirtschaftlichen Verhältnisse anhand der Unterlagen zur Vermögens- und Ertragslage der Praxis geprüft. Dazu gehören in der Regel die aktuellen Jahres- oder Zwischenabschlüsse und die betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) beziehungsweise die Einnahme-Überschuss-Rechnungen. Diese Bonitätsermittlung erfolgt auf der Basis komplexer Bewertungsmodelle wie Ratingverfahren. Für Zahnärzte ist es wichtig, nachzufragen, welche Elemente mit welchem Faktor im jeweiligen Ratingverfahren berücksichtigt werden. Neben einem angemessenen Eigenkapital geht es hier auch um vom Kreditnehmer beeinflussbare Größen – etwa um die unternehmerischen Fähigkeiten zur strategischen Führung seiner Praxis und seiner Mitarbeiterinnen. Allerdings sollte man die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen als die nach wie vor wesentlichen Kriterien der Bonitätsprüfung nicht unterschätzen – und deshalb auch seinen Steuerberater hinzuziehen.
Gemäß dem Ergebnis der Bonitätsprüfung wird die Praxis in eine Bonitätsklasse eingeordnet. Diese Bonitätsklassen können sich zum Beispiel am Schulnotensystem von 1 bis 6 mit den Qualifikationsmerkmalen „ausgezeichnet“ bis „gerade noch (oder nicht mehr) ausreichend“ orientieren. Bleibt man bei diesem Beispiel, ist die Risikoeinschätzung bei der Note 1 „niedrig“ und die Ein-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit unter 0,1 Prozent. Bei einer Bonitätsnote von 6 hat es die Bank dagegen mit der Einschätzung „hohes Risiko“ und einer Ein-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit von etwa 5 bis 10 Prozent zu tun. Gilt ein Zahnarzt als bonitätsmäßig befriedigend, erhält er bankintern folgerichtig die Bonitätsklasse 3 – damit ist der erste Schritt zum späteren Kreditzinssatz erfolgt.
2. Prüfung der Sicherheiten
Der zweite Schritt ist die Prüfung der vorgesehenen Kreditsicherheiten. Im Rahmen der bankinternen Bewertung schätzt die Bank ein, welcher Kreditanteil durch die erwarteten Erlöse voraussichtlich abgedeckt werden kann, wenn es tatsächlich zu einer Sicherheitenverwertung kommen sollte. Diese sogenannte Werthaltigkeit der Besicherung orientiert sich vor allem am möglichen Wiederverkaufswert jeder einzelnen Sicherheit. So ist eine im Grundbuch erstrangig eingetragene Grundschuld regelmäßig „werthaltiger“ als die Sicherungsübereignung der Praxisausstattung oder die Abtretung von Patientenforderungen. Auf dieser Grundlage ordnet die Bank die Sicherheiten in (meist drei) Besicherungsklassen ein, in denen die werthaltige Besicherung in Prozentwerten angegeben wird. Etwa so:
Besicherungsklasse 1:werthaltige Besicherung ab 80 Prozent
Besicherungsklasse 2:werthaltige Besicherung 50 bis 80 Prozent
Besicherungsklasse 3:werthaltige Besicherung unter 50 Prozent
Ermittelt die Bank nun, dass eine Grundschuld den Kredit zu voraussichtlich 70 Prozent abdecken würde, ergibt sich daraus Besicherungsklasse 2 – und damit das Ergebnis des zweiten Schrittes.
3. Festlegung der Preisklasse
Abschließend wird mithilfe der ermittelten Bonitäts- und der ermittelten Besicherungsklasse die „Preisklasse“ des Kredits festgelegt. Das dazu erforderliche Kombinationsraster kann durchaus umfangreich sein, weil es sämtliche Bonitäts- und Besicherungsklassen zusammenführen muss. Die Unterschiede vom besten bis zum maximal möglichen Zinssatz können dabei je nach Bankinstitut erheblich variieren können – Zinsdifferenzen von fünf Prozent und mehr sind keineswegs selten.
Checkliste
Neben der Kenntnis der Einzelheiten des Ratingverfahrens sollte man über die Bewertungsrichtlinien der Kreditsicherheiten seiner Bank informiert sein.
Zudem sollte thematisiert werden, in welchem Umfang „Basel III“ und das bereits diskutierte „Basel IV“ die künftige Risikoermittlung beeinflussen werden und wie sich Bank und Kunde gegenseitig unterstützen können, um auch die zukünftige Kreditversorgung sicherzustellen.
Michael Vetter
Fachjournalist für Finanzen