Bisphosphonate: Lieber vorher nachfragen!
Bisphosphonate werden seit Jahren erfolgreich bei Knochenmetastasen und anderen Erkrankungen (Plasmocytom, fortgeschrittene Osteoporose) eingesetzt. Sie vermindern den Knochenabbau (Hemmung der Osteoklasten) und werden chemisch so an den Knochen gebunden, dass ihre Verweildauer sehr lange (Monate bis Jahre) betragen kann. Ihr Nebenwirkungsprofil wird seit Jahren als günstig beurteilt. Bereits im Jahr 2003 erschienen erste Berichte über Kiefernekrosen (osteonecrosis of the jaw = ONJ) unter Bisphosphonate-Medikation. Insofern ist es wichtig, sich bei einem potenziell für diese Problematik infrage kommenden Patienten regelmäßig zu vergewissern, ob er Bisphosphonate einnimmt oder eingenommen hat. Die Gründe dafür zeigt der vorliegende, dem Berichts- und Lernsystem „CIRS dent – Jeder Zahn zählt!“ von BZÄK und KZBV entnommene Fall.
Was war passiert?
Es erfolgte eine Zahnextraktion, obwohl die Patientin über einen Zeitraum von 15 Monaten aufgrund ihrer Osteoporose Bisphosphonate (jede Woche 70 mg) genommen hatte. Vor der Extraktion wurde nicht nach der Einnahme von Bisphosphonaten gefragt.
Was war das Ergebnis?
Die Extraktionswunde heilte trotz der Bisphosphonat-Therapie langsam, aber vollständig aus. Bei einem weiteren Zahn erfolgte später sicherheitshalber keine Extraktion, vielmehr wurde der Wurzelrest endodontisch behandelt und mit einer Kompositkappe auf Gingivaniveau dauerhaft versorgt.
Gründe für das Ereignis?
1. Fehlende Kenntnisse über die Gefährlichkeit von Bisphosphonaten im Rahmen chirurgischer Eingriffe in der Mundhöhle, zu denen bereits die einfache Zahnentfernung gehört.
2. Fehlende Kenntnisse des verordnenden Orthopäden/Hausarztes über die Nebenwirkungen von Bisphosphonaten/Denosumab.
3. Fehlende Kenntnisse und/oder Sensibilisierung der Patienten seitens der Antiresorptiva-verordnenden Ärzte über die Nebenwirkungen von Bisphosphonaten/Denosumab.
Hätte man das Ereignis verhindern können?
1. Patienten sollten vor jeder Extraktion/Operation am Kieferknochen nach einer laufenden oder erfolgten Osteoporose-Therapie oder Medikation einer Knochenmetastase oder eines Knochentumors (Plasmocytom) gefragt werden. Bei Auffälligkeiten sollte man Rücksprache mit den verordnenden Ärzten halten und sich die Medikamente benennen lassen.
2. Der Anamnesebogen sollte alle zwei Jahre oder situativ ausgefüllt und aktualisiert werden. Die Frage nach einer Bisphosphonate- beziehungsweise Antiresorptiva-Therapie oder Osteoporose-Therapie sollte in den Anamnesebogen aufgenommen werden.
3. Vor der oben genannten Behandlung sollte eine Dokumentation der Nachfragen erfolgen.
Weitergehende Hilfe:
Weitergehende Hilfe:
Prof. Dr. Dr. med. Knut A. Grötz
Direktor der Klinik für MKG-Chirurgie
HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken
Akademisches Lehrkrankenhaus der Uni-Medizin Mainz & Tagesklinik MKG-Chirurgie
Burgstr. 2–4, 65183 Wiesbaden
groetz@emaileins.de
Literatur:
Literatur:
Grötz & Kreusch (2006): Wissenschaftliche Stellungnahmen; Zahnärztliche Betreuung von Patienten unter/nach Bisphosphonat-Medikation (verfügbar hier)
Grötz, Piesold und Al-Nawas (2012): AWMF-S3-Leitlinie; Bisphosphonat-assoziierte Kiefernekrose (BP-ONJ) und andere Medikamenten-assoziierte Kiefernekrosen (verfügbar hier)
Grötz (2012): Überweisung/Konsil vor antiresorptiver Therapie des Knochens mit Bisphosphonaten oder Denosumab (im Auftrag der ASORS innerhalb der DKG) (verfügbar hier)