Aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Generelles Werbeverbot ist rechtswidrig

Ein Kölner Zahnarzt macht mit einem Aufsteller vor seiner Praxis auf sich aufmerksam – kein Problem. Knapp 200 Kilometer entfernt, verstößt der Kollege in Belgien damit jedoch gegen geltendes nationales Recht. Ein Fall für den Europäischen Gerichtshof.

Im vorliegenden Fall hatte ein in Belgien niedergelassener Zahnarzt für seine Leistungen geworben – zum einen mit einem Aufsteller am Eingang seiner Praxis, auf dem auf drei Seiten jeweils 47 cm x 75 cm große Schilder mit seinem Namen, seiner Internetadresse und der Telefonnummer seiner Praxis befestigt waren. Zum anderen schaltete er Werbeanzeigen in lokalen Tageszeitungen.

Da in Belgien jegliche Werbung für zahnärztliche Leistungen nach dem geltendem Berufsrecht verboten ist, wurden nach einer Beschwerde eines zahnärztlichen Berufsverbands strafrechtliche Ermittlungen gegen den Zahnarzt eingeleitet. Dieser argumentierte zu seiner Entlastung, dass die belgischen Regelungen nicht mit dem Europarecht und der Dienstleistungsfreiheit vereinbar seien. Damit wanderte der Streit vom zuständigen Strafgericht in Brüssel zum Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Dieser hat sich auf die Seite des Zahnarztes gestellt: Der EuGH sieht in den strikten belgischen Vorschriften, die Zahnärzten jegliche Werbung für ihre Tätigkeit allgemein und ausnahmslos verbieten, eine Beschränkung der durch die EU-Verträge garantierten Dienstleistungsfreiheit. Danach muss es Zahnärzten zumindest erlaubt sein, auf ihre Leistungen hinzuweisen.

Ausnahme: aggressive, irreführende Werbung

Verbieten dürfen die EU-Mitgliedstaaten dagegen aggressive und irreführende Werbung. In diesem Fall sei eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durchaus gerechtfertigt, urteilte der EuGH. Im Detail heißt es: „in Anbetracht der Bedeutung des Vertrauensverhältnisses, das zwischen dem Zahnarzt und seinen Patienten herrschen muss, [ist] anzunehmen [...], dass auch die Würde des Zahnarztberufs einen solchen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann.“ Vor diesem Hintergrund kann „ein intensives Betreiben von Werbung oder die Wahl von Werbeaussagen, die aggressiv oder sogar geeignet sind, die Patienten hinsichtlich der angebotenen Versorgung irrezuführen, [...] dem Schutz der Gesundheit schaden und der Würde des Zahnarztbesuches abträglich sein, indem das Image des Zahnarztberufs beschädigt, das Verhältnis zwischen den Zahnärzten und ihren Patienten verändert und die Durchführung unangemessener oder unnötiger Behandlungen gefördert wird.“

„Es ist positiv zu werten, dass der EuGH den Gesundheitsschutz und die Würde des zahnärztlichen Berufsstands ausdrücklich als Rechtfertigungsgründe für Werbebeschränkungen anerkennt“, freut sich die Bundeszahnärztekammer (BZÄK). Das Urteil spiegele zudem die Rechtslage wider, die in Deutschland und vielen anderen EU-Mitgliedsstaaten bereits gilt.

In Deutschland wurden in den vergangenen Jahrzehnten die ursprünglich ebenfalls strengen Regeln für die Werbung von Angehörigen der Freien Berufe liberalisiert. Dies war unter anderem Folge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das am 1. Juni 2011 entschieden hatte, dass es „grundsätzlich nicht berufswidrig sei, wenn zahnärztliche und gewerbliche Leistungen nebeneinander angeboten würden. Zu beachten sei jedoch immer, dass durch werbewirksame Verhaltensweisen nicht der Eindruck vermittelt werden dürfe, dass der Arzt die Erzielung von Gewinn über das Wohl seiner Patienten und deren ordnungsgemäße Behandlung stellt“ (AZ: 1 BvR 233/10 und 1 BvR 235/10). Die Musterberufsordnung der Zahnärzte geht ebenfalls in diese Richtung. Sie regelt in § 21 die Werbeformen, die erlaubt beziehungsweise untersagt sind. Verboten ist insbesondere eine anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung.

Ob der in Belgien angeklagte Zahnarzt mit seiner Werbung zu weit gegangen war, müssen nun wieder die belgischen Gerichte klären.

EuGHAZ: C –339/15
Urteil vom 4. Mai 2017

Mehr zum Thema „Werberecht für Zahnärzte“ finden Sie in diesem Heft auf den Seiten 86 bis 88. Der Fachanwalt für Medizinrecht Jens-Peter Jahn gibt Antworten auf die Frage, was erlaubt ist und was illegal.

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