ePA und eGK – der Vergleich von Äpfeln mit Birnen
Ich weiß nicht, wie Sie die momentane Situation rund um die Telematikinfrastruktur in Deutschland empfinden. Nach all den Aufgeregtheiten rund um die „nun aber endlich und überhaupt und jetzt geht‘s los, denn so steht es im Gesetz und der Minister will es auch“-Einführung der eGK in den Wirkbetrieb – Stichwort fehlende und (noch) nicht zertifizierte Konnektoren – scheint irgendwie die Luft aus diesem Thema zu sein.
Dafür werden nun weitere Ballons aufgeblasen, die beim Ablassen der heißen Luft laut quiekend durchs Gesundheitswesen fliegen. Nachdem fast alle großen GKV-Kassen lautstark verkündeten, dass sie eine eigene elektronische Patientenakte (ePA) implementieren wollen, mit der dann „alles“, zumindest aber Kommunikation, Information und Transparenz im Gesundheitswesen (sic!) besser werden soll, hat nun der PKV-Verband nachgezogen und will im kommenden Jahr ebenfalls eine eigene digitale Gesundheitsakte anbieten. Dies alles natürlich zusätzlich zu den von privaten Unternehmen bereits entwickelten Patientenakten.
Manche dieser Angebote gibt es bereits seit mehr als zehn Jahren, sie sind aber über den Mauerblümchenstatus nicht hinausgekommen. Insofern verwundert es schon sehr, dass führende Kassenmanager die ePA nun zu einem Quasi-Ersatz der eGK stilisieren – mit dem Hinweis, dass die von der gematik entwickelte Technik eh nicht zukunftsfähig sei. Und überhaupt sei der Patient Herr seiner Daten. Und dass würde die eGK ja nicht so wirklich leisten können.
Ich bin gespannt, ob wir uns in einigen Jahren fragen werden, warum Milliarden von Beitragsgeldern für die Entwicklung der TI und lediglich einer banalen Funktion wie dem Versichertenstammdatenabgleich ausgegeben wurden. Aber es gibt ihn, den kleinen Unterschied. Denn all die schönen Funktionalitäten der ePAs bieten zurzeit eines nicht: Interoperabilität. Deshalb werden sie auch kein „kurzfristiger“ Ersatz der eGK werden können, egal wie viele Versicherte eine Kasse damit ausstatten kann.
Womit wir dann doch wieder bei dem vermaledeiten Thema eGK und dem Start des Wirkbetriebs wären: Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Editorials gab es immer noch keinen zertifizierten Konnektor. Von den 18 Monaten, die zur Umsetzung der Vorgaben des E-Health-Gesetzes – startend mit dem Versichertenstammdatenmanagement zum 1. Juli 2018 – vorgesehen waren, sind somit bereits vier vergangen. Insofern kann sich jeder Praxisinhaber, der abgewartet hat und damit den Empfehlungen der KZVen und Zahnärztekammern gefolgt ist, bestätigt sehen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Nun kann Zeitverzug auch sein Gutes haben, nämlich wenn man die „gewonnene“ Zeit in die Problemlösung investiert. So konnte die KZV Westfalen-Lippe mittlerweile eine europaweite Ausschreibung abschließen, mit dem Ziel, die sich abzeichnende Monopolsituation bei den Konnektoren zu beseitigen.*
Aber ob die Zeit wirklich gewonnen oder doch verronnen ist, wird sich noch zeigen. Denn der gesetzlich vorgegebene Zeitplan, der vorschreibt, welche Funktionalität der eGK bis wann im Wirkbetrieb sein muss, ist bis dato nicht verändert worden. Und die Sanktionsbewehrung im Übrigen auch nicht. Nach wie vor ist die Nichterfüllung zum Termin mit Honorarkürzungen für die Leistungserbringer gekoppelt. Bis dato gibt es keine Verlautbarung aus dem BMG. In Anbetracht der anstehenden Koalitionsverhandlungen verständlich, aber für Unternehmer, und das sind niedergelassene Zahnärzte und Zahnärztinnen nun mal, eine nicht hinnehmbare Situation.
Da nicht davon auszugehen ist, dass die Politik das Druckmittel der Sanktionen aufgeben wird – obwohl hier offensichtlich der Sack statt des Esels geschlagen wird –, muss jeder Niedergelassene mit der notwendigen Technik vertraut sein sowie den Installationsaufwand abschätzen können. Die nötigen Informationen finden sich auf den Webseiten der KZVen und der KZBV.
Abschließend ein Zitat aus der Produktbeschreibung einer Patientenakte: „Sie ersetzt weder die Primärdokumentation des Arztes noch die bereits etablierte Arzt-Arzt-Kommunikation [...] Ärzte können keine Gewähr für die Vollständigkeit oder Richtigkeit der Daten in der ePA übernehmen. Aus forensischen Gründen ist der Umfang der dem Arzt vom Patienten freigegebenen Daten [...] revisionssicher zu dokumentieren. Das Potenzial der ePA liegt damit insbesondere darin, den Arzt-Patienten-Dialog zu verbessern. Außerdem stärkt sie die informationelle Selbstbestimmung des Patienten.“ Wir vergleichen also mal wieder Äpfel mit Birnen. Aber immerhin: Sie sind digital.
Dr. Uwe Axel Richter,
Chefredakteur