„Selbstverwaltung ist kein Selbstzweck“
Wichtiger Impuls für den Verband: Der Bundesvorstand mit ZA Harald Schrader, Dr. Peter Bührens und Dr. Gudrun Kaps-Richter an der Spitze ist mit großen Mehrheiten wiedergewählt worden. Festes Ziel der im Amt bestätigten Mannschaft ist es, den FVDZ als anerkannten Partner der Politik weiter auszubauen und die politische Meinungsführerschaft im Berufsstand weiter zu verankern. In seinen Ämtern bleibt auch der Erweiterte Bundesvorstand: Bertram Steiner, Dr. Reiner Zajitschek, Dirk Ruffing, Dr. Eckhard Jung, PD Dr. Thomas Wolf, drs. (NL) Hub. van Rijt, Dr. Christian Öttl und Matthias Tamm.
Das GKV-SVSG „atmet Misstrauen“
Den Wertvorstellungen von zahnmedizinischer Versorgung, wie sie bei den Diskutanten der Podiumsdiskussion zur Sprache kamen, stehe die Zielsetzung des GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes entgegen, sagte Schrader in seinem Bericht an die Delegierten: „Dieses Gesetz atmet das tiefe Misstrauen der Staatsgewalt gegenüber den von ihr selbst installierten Körperschaften.“ Deswegen sei eine der Hauptforderungen des FVDZ die nach einer „echten“ Selbstverwaltung. „Das heißt, der Staat muss sich wieder auf das Erstellen von Regeln beschränken, die unabhängige Selbstverwaltung muss die erforderlichen Regulierungen für eine planbare und freiberufliche Berufsausübung innerhalb des Berufsstands festlegen und durchsetzen.“ Schrader betonte „Selbstverwaltung ist kein Selbstzweck“.
Er skizzierte weitere Tendenzen, die die freiberufliche Selbstverwaltung bedrohen. Beispiel MVZ: Mitnichten gehe es der Politik darum, die flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. „Die wahre Intention ist, nachdem man die ökonomische Basis unserer Praxen geschwächt hat, diese jetzt meistbietend zu verhökern. Sanofis, Bertelsmann und multi- und nationales Kapital stehen bereit, den ambulanten Bereich als Renditebringer zu übernehmen.“
Dem stellt der FVDZ die Stärkung der Freiberuflichkeit und der Patientenrechte gegenüber: „Parameter wie Subsidiaritätsstärkung, Anreizmodelle, Belohnungssysteme oder Kostenerstattung sind mit den Vorstellungen des Verbands kompatibel.“ Das Versagen des bestehenden Sachleistungssystems lässt sich für Schrader am Vorenthalt der modernen PAR-Therapie festmachen. Die Zahnärzteschaft habe dazu ein Modell konsentiert, das den Zugang zur modernen Therapie beschreibt: „Ich plädiere dafür, dass – wenn sich beim IQWiG keine Evidenz finden lässt – die Bevölkerung mit einer groß angelegten Kampagne über dieses patientenfeindliche Gezerre aufzuklären ist und gleichzeitig die Möglichkeiten einer modernen Parodontitistherapie vorzustellen sind.“
Der Zukunftsweg der Zahnheilkunde
Klare Vorstellungen hat der Verband auch zum Zukunftsweg der Zahnheilkunde, wie die stellvertretende Bundesvorsitzende, Dr. Gudrun Kaps-Richter, vor den Delegierten ausführte. Die fachliche Zusammenarbeit der Zahnmedizin mit der Medizin müsse zwar gestärkt werden, strukturell müsse aber eine klare Abgrenzung erfolgen. „Wir wollen nicht die Blaupause der Humanmediziner sein“, sagte Kaps-Richter bei der Vorstellung der Eckpunkte. Das Konzept sieht vor, eigene Lösungsansätze für die Zahnmedizin zu erstellen. Beispielsweise sollen Anreizmodelle und Bonussysteme greifen, Kernleistungen sollen über die GKV abgerechnet werden, Alternativleisungen über die GOZ. Zahnärztliche Leistungen in der GOÄ sollen in die GOZ überführt werden. Das Konzept des FVDZ soll weiterentwickelt und in die Politik getragen werden.
Die Delegierten bekräftigen diesen Weg und verabschiedeten Resolutionen, die die Patientensouveränität, die Freiberuflichkeit und die Zahnarztsouveränität stärken.
Zu einem weiteren Kernthema der Diskussionen, der Qualitätssicherung (QS), hielt ZA Martin Hendges, stellvertretender Vorsitzender der KZBV, ein Impulsreferat. Unter dem Thema QS würden derzeit im G-BA drei Themen behandelt: Qualitätsmanagement, die datengestützte Qualitätssicherung und die Qualitätsprüfung und -beurteilung. Aktuell wichtig für den Zahnarzt vor Ort sei die Qualitätsprüfung und -beurteilung. Der Gesetzgeber sieht hier eine Überprüfung der Leistung des einzelnen Zahnarztes in Stichproben vor. Derzeit ist dazu im G-BA eine Richtlinie in Arbeit. Die KZBV sei hier proaktiv im Sinne der Zahnärzte tätig, berichtete Hendges. Sie habe erfolgreich eigene Vorstellungen in die Verhandlungen eingebracht, die den Besonderheiten der Zahnmedizin Rechnung tragen. Die Richtlinie soll im Dezember verabschiedet werden und 2018 in Kraft treten.
Die Delegierten forderten in einem Antrag die politischen Entscheidungsträger auf, die Besonderheiten in der zahnmedizinischen Versorgung im Bereich Qualitätssicherung stärker zu berücksichtigen.
Evidenz – bestmöglich oder bestverfügbar?
In einer emotional geführten Debatte ging es um das PAR-Konzept der deutschen Zahnärzteschaft. Im Ergebnis stellt sich die Hauptversammlung klar hinter das Konzept, sieht aber ebenso wie die KZBV und die BZÄK erheblichen Reformbedarf in der vertragszahnärztlichen Parodontitistherapie. Ewartet werde, dass bei der Überprüfung der Evidenz durch das IQWiG nicht ausschließlich die bestmögliche, sondern auch die bestverfügbare Evidenz berücksichtigt wird, heißt es in dem gefassten Beschluss. Dann könne eine dem Stand der Wissenschaft entsprechende Behandlungsstrategie, die auch die medizinisch notwendige Nachsorge bei Parodontalbehandlungen (UPT) gewährleistet, in der GKV etabliert werden. Anreizkomponenten unter Berücksichtigung einer Bonusregelung seien ein sinnvoller Ansatz.
Zuvor hatte Prof. Dr. Christoph Dörfer als Sprecher der Fachgruppe Zahnmedizin im Deutschen Netzwerk für Versorgungsforschung den Delegierten klar gemacht, wo die Grenze zwischen bestmöglicher und bestverfügbarer Evidenz liegt. Gerade bei bestverfügbarer Evidenz spiele die Versorgungsforschung eine große Rolle (siehe Kasten). Essenziell sei die Frage, ob die UPT vom IQWiG im Rahmen „einer bestverfügbaren Evidenz“ anerkannt werde oder nicht. Dörfer: „Die Zahnmedizin, wie wir sie heute kennen, wäre dann tot.“
Der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer brachte das Problem so auf den Punkt: „Wenn wir die fatale Methodik nicht erfolgreich behaupten, dann wird die Innovation in der Zahnmedizin nicht mehr existieren.“ Und BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel spitzte es so zu: „Wenn die bestverfügbare Evidenz vom IQWIG nicht anerkannt wird, dann können wir einpacken.“
Kritischen Stimmen aus der Versammlung hielt Eßer entgegen: „Wenn einer den Spagat zwischen Ethik und Monetik hinbekommen muss, so ist das die KZBV. Unser ärztliches Grundverständnis ist es, kranken Menschen zu helfen.“
Nachwuchsförderung und Existenzgründerprogramm
Entgegen dem allgemeinen Trend des Mitgliederschwunds in den Verbänden verbuchte der FVDZ in den vergangenen Jahren steigende Mitgliederzahlen um jährlich 2,5 bis 3 Prozent (Der Freie Zahnarzt 9/2015). Presseberichten zufolge dürften es heute rund 20.000 sein. Ein Grund dafür ist sicherlich die intensive Nachwuchsförderung.
Der FVDZ hat auf seiner Hauptversammlung ein berufsbegleitendes Existenzgründerprogramm – exklusiv für seine Mitglieder und ohne Sponsoren – vorgestellt. Start des Pilotprojekts ist nächstes Jahr. Unter dem Motto „Gut gerüstet in die Zukunft“ erhalten angehende Praxisgründer und angestellte Zahnärzte zentrale Informationen zur beruflichen Orientierung. Zu den Inhalten gehören Betriebswirtschaft, Arbeits-, Berufs- und Vertragsrecht, Marketing und Personalmanagement. Angeboten werden zwölf Tagesseminare verteilt auf 18 Monate. Pro Tagesseminar werden sechs Fortbildungspunkte vergeben. Die Seminargebühr ist im FVDZ-Mitgliedsbeitrag enthalten.
Auf der Hauptversammlung wurde außerdem beschlossen, dass die Studentenbeauftragen der FVDZ-Landesverbände in regelmäßigen Austausch mit dem Studentenparlament des FVDZ treten sollen. Dieses versteht sich als Bindeglied zwischen dem FVDZ auf Landes- und Bundesebene sowie den zahnmedizinischen Hochschulen vor Ort. Die Studenten erhalten auch Rederecht in der HV.
Hintergrund
Methodenbewertung PAR-Therapie
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sollte zur Methodenbewertung für die Beratungen im G-BA zur Modernisierung der PAR-Therapie die Studienlage der systematischen Behandlung von Parodontopathien überprüfen. Ergebnis: Laut IQWiG liegt „nicht genügend höchste Evidenz“ vor, um der PAR-Therapie einen zusätzlichen Nutzen zu bescheinigen. Die Fachwelt lief Sturm, kritisierte die Methodik des IQWiG (die viele Studien ausschloss) und monierte die mangelnde Einbindung der Erkenntnisse aus der wissenschaftlich weltweit anerkannten zahnmedizinischen Versorgungsmethodik (zm 4/2017, S. 32–38). Der G-BA setzte daraufhin im Mai 2017 die Beratungen aus, damit das IQWiG weitere Studien in seine Bewertung einbeziehen kann. Ab Ende dieses Jahres ist mit dem Abschlussbericht zu rechnen.
Podiumsdiskussion
„Die Rolle von Eigenverantwortung und Subsidiarität in der zahnärztlichen Therapieentscheidung“ war Thema der Podiumsdiskussion zum Auftakt der Versammlung. Fazit: „Eine gute Patientenversorgung kann nicht durch staatlichen Dirigismus umgesetzt werden.“
ZA Harald Schrader, Bundesvorsitzender des FVDZ, betonte: „Wir wollen den Patienten in die Lage versetzen, eine Therapieentscheidung nach unserem Rat zu treffen. Diese muss frei sein im Rahmen dessen, was unsere Heilkunst ausmacht.“ Es gelte, den Patienten wieder ins Zentrum zu rücken.
Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer, kritisierte, der Staat gängele den Berufsstand immer mehr: „Wir leben in einer Misstrauenskultur, wir meinen durch Kontrollmechanismen alles in den Griff zu bekommen.“ Scharf kritisierte er eine sich abzeichnende Entwicklung bei MVZ: Große internationale Finanzinvestoren würden in verschiedenen Ländern ganze Ketten aufkaufen – hier müsse man sehr wachsam sein.
Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV, kritisierte vehement die Gängelung der Selbstverwaltung durch die Politik mit dem GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz: „Dieses System ist korrumpiert, wir sind als Heilberufler kujoniert, man will uns nicht mehr!“ Der Zahnarzt könne unter dem wachsenden ökonomischen Druck den Patienten nicht mehr objektiv beraten.
Prof. Dr. Michael Walther, Präsident der DGZMK, betonte den Handlungsbedarf bei der Behandlung von Parodontopathien. Bedarfe der Grundversorgung würden immer größer. Die Vertreter der Wissenschaft würden die Prozesse der Versorgung mit ihrer Expertise begleiten.
Prof. Dr. Giovanni Maio, Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Freiburg, betonte, es sei ein Denkfehler, die Zahnmedizin nach ökonomischen Gesichtspunkten durchzustrukturieren: „Der Patient muss der Könnerschaft des Arztes vertrauen.“