Die Bürokratieschraube zurückdrehen
Das Projekt, das der NKR gemeinsam mit Trägern der Selbstverwaltung initiiert hatte, zielt auf die Vereinfachung von Verfahren und Prozessen in Arzt- und Zahnarztpraxen. Gemeinsam hatte man die bürokratischen Abläufe in den Praxen auf den Prüfstand gestellt und sich im Jahr 2015 auf 20 Handlungsempfehlungen geeinigt, die im Praxisablauf helfen können, unnötige Bürokratie zu vermeiden.
Am 23.10. zogen die Beteiligten – neben dem NKR sind dies das Bundesgesundheitsministerium, der GKV-Spitzenverband, die BZÄK und die KZBV sowie die KBV – vor der Presse eine Zwischenbilanz und präsentierten ein gemeinsames Positionspapier. Danach ist von den insgesamt 20 vereinbarten Handlungsempfehlungen seit dem Abschluss des Projekts im August 2015 rund die Hälfte vollständig umgesetzt. Fünf befinden sich in einem fortgeschrittenen Stadium, fünf weitere sind angestoßen.
Zu den Empfehlungen, die bereits umgesetzt wurden, zählen für den zahnärztlichen Bereich:
Die Reform der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: einheitliches Formular und Durchschlag für den Patienten.
Ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement: In einer Praxis oder in einem MVZ wird das QM nicht pro Arzt, sondern pro Einheit gemeinsam betrieben.
Zu den Empfehlungen, die sich noch in der Umsetzung befinden, gehören aus dem zahnärztlichen Bereich:
Die Reform des elektronischen Antrags- und Genehmigungsverfahrens beim Behandlungsplan: Dieses soll von einem papiergebundenen auf ein elektronisches Verfahren umgestellt werden. Details der Umsetzung werden noch zwischen den Vertragspartnern der Selbstverwaltung geklärt.
Die Vereinfachung zur Erfüllung der Aufbewahrungspflichten: Möglichkeiten sollen entwickelt werden, um zum Beispiel Planungsmodelle durch elektronische Speicherung platzsparend aufzubewahren. Voraussichtlich im Jahr 2018 werden mit einem neuen Bundesmantelvertrag Grundlagen geschaffen, die Möglichkeiten der elektronischen Dokumentation besser zu nutzen. Unklarheiten bestehen hinsichtlich einheitlicher Standards durch die Industrie oder bei haftungsrechtlichen Fragen.
Wolf-Michael Catenhusen, Mitglied des Nationalen Kontrollrats und Projektverantwortlicher, sprach von einer positiven Bilanz: „Es lohnt sich, das Bürokratie-Übel in Arzt-, Psychotherapeuten- und Zahnarztpraxen gemeinsam an der Wurzel zu packen und Vereinfachungen spürbar werden zu lassen.“ Klare Erfolgsfaktoren seien die gemeinsame Analyse, die gemeinsame Entwicklung von Maßnahmen und die Digitalisierung, die viele Chancen für die Vereinfachung bei der alltäglichen Arbeit in den Praxen biete. Die Arbeit sei damit aber noch nicht beendet.
Unangenehmster Aspekt des Berufslebens
Ein Aspekt, der seitens der Zahnärzteschaft stark unterstrichen wurde. So machte der Vizepräsident der BZÄK, Prof. Dr. Christoph Benz, darauf aufmerksam, dass das Thema bürokratische Belastungen in den Zahnarztpraxen von hoher Bedeutung ist. Die laufende Studie des IDZ über das Berufsbild angehender und junger Zahnärzte zeige, dass 79 Prozent der angehenden Zahnärzte Bürokratie für den unangenehmsten Aspekt ihres späteren Berufslebens halten – ein Aspekt, der für 47 Prozent so starkes Gewicht hat, dass sie deswegen zögern, eine eigene Praxis zu gründen.
Die BZÄK habe mit Abbauvorschlägen versucht, die Bürokratieschraube ein wenig zurückzudrehen, ohne bei zentralen Themen wie der Hygiene oder der Patientensicherheit Abstriche zu machen. Benz Fazit: „Um es offen zu sagen: In den vergangenen zwei Jahren seit Erscheinen unseres Abschlussberichts haben wir mit unseren Kernforderungen nicht viel erreichen können.“
Der Beauftragte des KZBV-Vorstands, Dr. Ralf Hausweiler, machte das Ausmaß an alltäglicher Bürokratie in jeder der etwa 45.000 Zahnarztpraxen anhand eines drastischen Beispiels deutlich: „Tagtäglich muss für immer gleiche Routinearbeiten ein Hygiene-Dokumentationsbogen ausgefüllt werden. Unter Berücksichtigung der derzeit gültigen Vorgaben und Aufbewahrungsfristen wird dabei so viel Papier beschrieben, dass eine 14 Kilometer lange Reihe von Aktenordnern entstehen würde.“
Gerade die Zahnarztpraxen kümmerten sich vorbildlich und vollumfänglich um das Thema Hygiene in den Zahnarztpraxen. Überbordende Bürokratie stehe dem jedoch diametral entgegen und behindere den Praxisalltag. Die KZBV verspreche sich von der Digitalisierung einen Abbau von Bürokratielasten. Das betreffe etwa das vertragszahnärztliche Antrags- und Genehmigungsverfahren und die Erfüllung von Aufbewahrungspflichten durch elektronische Archivierung. Insgesamt sprach Hausweiler von einem bedauerlichen Stillstand: Den Worten seien keine Taten gefolgt.
Zuviel Bürokratie – in Beispielen
Das Antrags- und Genehmigungsverfahren für GKV-Zahnersatz erfordert eine Übermittlung auf Papier. Die Medienbrüche – digital in der Praxis, Papier zur Krankenkasse, dort digital und wieder als Papier zum Zahnarzt – kosten viel Mühe und Zeit. Die Alternative ist ein rechtssicheres digitales Verfahren.
Die hygienische Aufbereitung zahnärztlicher Instrumente muss umfangreich dokumentiert werden. Dabei sind alle Routinearbeiten aufzuzeichnen, weil vielfach Behörden unterstellen, dass nur das durchgeführt wurde, was auch dokumentiert ist. Viel sinnvoller wäre, nur problematische Abweichungen in einer Tagesabschlussdokumentation zu vermerken.
Wer ein zahnärztliches Röntgengerät betreibt, muss die Inbetriebnahme, wesentliche Änderung und auch die Stilllegung mit großem Papieraufwand an verschiedene Stellen melden. Die Alternative wäre eine digitale Meldung an nur eine Stelle.
Zahnärztinnen und Zahnärzte und das Teampersonal müssen alle fünf Jahre Kurse besuchen, um weiterhin Röntgengeräte betreiben zu dürfen. Für Zahnärztinnen und Zahnärzte haben diese Kurse einen Umfang von mindestens acht Stunden. Die Alternative wäre z. B. ein digitales Selbststudium ggf. ergänzt durch eine deutlich verkürzte Präsenzveranstaltung.
Behandlungsunterlagen müssen zehn Jahre aufbewahrt werden. Dazu gehören auch Gipsmodelle, deren Archivierung besonders aufwendig ist: Platz, spezielle Listen, trockene Lagerung. Für die digitale Alternative fehlt noch eine rechtssichere Anerkennung der Justiz und Anwaltschaft.
Laut § 26 Medizinproduktegesetz verlangen überwachende Behörden bei Begehungen in Zahnarztpraxen, dass die Wirksamkeit von Medizinprodukten von den Praxen belegt wird, obwohl entsprechende Herstellerangaben vorliegen und die Hersteller bereits gemäß Medizinprodukegesetz überwachen. Ein klarstellender Zusatz im Gesetz wäre sinnvoll, der sicherstellt, dass die Wirksamkeit von bereits (zum Beispiel) in der VAH-Liste aufgeführten Medizinprodukten nicht nochmals von den Zahnarztpraxen nachgewiesen werden muss.
Sterilisatoren und Thermodesinfektoren müssen validiert und zuvor gewartet werden. Zwischen Wartung und Validierung dürfen oft nicht mehr als sechs bis zwölf Wochen verstreichen. Oft sind die zuständigen Techniker dafür ausgebucht und haben lange Vorlaufzeiten, die Intervalle lassen sich nicht einhalten. Daher haben die Hersteller die Wartungsintervalle inzwischen auf zwei Jahre heraufgesetzt, jedoch muss die Validierung immer noch im Ein-Jahres-Rhythmus durchgeführt werden. Sinnvoll wäre es, hier einen Zwei-Jahres-Rhythmus zu gewähren.
Vorschläge zum Bürokratieabbau in Zahnarztpraxen
Für diese Bereiche sieht die BZÄK erheblichen Optimierungsbedarf und hat folgende Vorschläge unterbreitet:
Dokumentation der Aufbereitung von Medizinprodukten und Wirksamkeitsnachweis von Desinfektionsmitteln: Die Überwachungsbehörden in den Ländern werden aufgefordert, bei den Anforderungen an die Dokumentation bei der Aufbereitung von Medizinprodukten und der Wirksamkeitsprüfung bürokratiearme Lösungsmodelle umzusetzen. So ist zum Beispiel der Wirksamkeitsnachweis des Herstellers bei Zulassung bindend, Praxen haben nicht erneut einen Wirksamkeitsnachweis zu erbringen.
Praxisbegehung nach dem Medizinproduktegesetz und dem Infektionsschutzgesetz: Gefordert wird die bessere Koordinierung der Praxisbegehungen durch die unterschiedlichen Überwachungsbehörden. Es reicht, wenn die zuständigen Stellen einmal und abgesprochen in die Praxen kommen.
Röntgen: Auch für die Registrierung von Röntgeneinrichtungen sollte in Zukunft nur noch eine Stelle zuständig sein. Ferner sollten zum Beispiel zertifizierte (Online-)Fernlehrgänge bzw. eine Kurssplittung in Präsenz- und Fernstudienzeiten bei der Aktualisierung der Fachkunde zugelassen werden. Dies wäre mit einer erheblichen zeitlichen Entlastung der Praxen verbunden, ohne Standards der Patientensicherheit abzusenken.