KZBV-Vertreterversammlung

Lösungen für drängende Versorgungsfragen

Das zahnmedizinische Erfolgsmodell nach vorne zu tragen und positive Impulse in die Politik zu senden – das war erklärtes Ziel auf der KZBV-VV am 8.11. und 9.11. in Frankfurt/M. Die Delegierten gingen in die Offensive und forderten eine starke Selbstverwaltung, die Gewährleistung freiberuflicher Strukturen und die Berücksichtigung der Besonderheiten der zahnmedizinischen Versorgung.

Ein flammendes Plädoyer für die Bedeutung der Freiberuflichkeit hielt Dr. Wieland Schinnenburg, Zahnarzt und Rechtsanwalt aus Hamburg und jetzt für die FDP im Deutschen Bundestag tätig: Flexibilität verbunden mit der Fähigkeit, sich als „Kümmerer vor Ort“ einzusetzen, zeichneten die Zahnärzte aus. Eine solche Struktur von staatlicher Seite einschränken zu wollen, passe nicht. 

Statt die Freiberuflichkeit und die Selbstverwaltung immer mehr zu beschneiden, sollten in dieser Legislaturperiode vielmehr drängende Zukunftsfragen gelöst werden, forderte der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer in seinem Bericht an die VV. Er nannte die Digitalisierung: Es gelte, diese als Chance zu nutzen und sinnvolle Lösungen zu entwickeln – für die Patienten wie für den Berufsstand. Eßer: „Digitale Anwendungen müssen uns Zahnärzten eine Fokussierung auf unsere Kernkompetenz, die Versorgung unserer Patienten, ermöglichen. Und sie müssen uns helfen, Bürokratielasten zu bewältigen und sichere Kommunikationswege gewährleisten.“ Für Eßer dazu unerlässlich: „Die Ausgestaltung der Digitalisierung muss auch weiterhin in den Händen der Selbstverwaltung liegen.“

„Absolut inakzeptable“ Tendenzen

Die Delegierten ordneten die Digitalisierung als große Herausforderung für den Berufsstand ein. Unter dem Motto „Chancen nutzen, Datenschutz und Datensicherheit gewährleisten“ verabschiedeten sie zehn Punkte zur Digitalisierung des Gesundheitswesens: Dazu zählt der Gestaltungsanspruch der Selbstverwaltung an eine Digitalisierungsstrategie, die Interoperabilität der Systeme, digitale Anwendungen als Versorgungsverbesserung für Patienten. Die elektronische Patientenakte müsse die informationelle Selbstbestimmung der Patienten gewährleisten und der Umgang mit Big Data müsse verantwortungsvoll erfolgen. 

Vehement kritisierte Eßer den Umgang der Politik mit der Selbstverwaltung und das Klima des Misstrauens gegenüber den Körperschaften. Sanktionen – wie beispielsweise beim Ausbau der Telematikinfrastruktur – seien der falsche Weg. Eßer forderte die künftige Bundesregierung auf, die Spezifika der zahnärztlichen Versorgung zu berücksichtigen und das Kriterium „fachübergreifend“ für Zahnarzt-MVZ wieder einzuführen. Als „absolut inakzeptabel“ charakterisierte er Tendenzen, dass Fremdkapitalgeber im großen Stil Praxisketten aufkaufen – ein starker Eingriff in die Freiberuflichkeit: „Ich werde hier nicht tatenlos zuschauen, diese Entwicklungen zerstören das Prinzip eines freiberuflich getragenen und selbstverwalteten Gesundheitssystems.“

Einstimmig bekannten sich die Delegierten in einer Resolution zu einer starken Selbstverwaltung und forderten den Gesetzgeber auf, zu einem vertrauensvollen Miteinander zurückzukehren. 

Großes Vertrauen

Großen Stellenwert aus versorgungspolitischer Sicht ordnete Eßer der Verabschiedung des PAR-Kozepts zu: „Wir bringen ein Versorgungsmodell auf den Weg, von dem wir überzeugt sind, dass es auf dieser Basis gelingen wird, die Prävalenz parodontaler Erkrankungen signifikant und nachhaltig zu senken“ (siehe Kasten). Die Erörterung zum PAR-Konzept nahm bei den Diskussionen einen großen Raum ein. So warb die KZV-Vorsitzende von Baden-Württemberg, Dr. Ute Maier – gleichzeitig Vorsitzende der KZBV-AG „PAR-Strategie“ –, um Vertrauen in der Kollegenschaft, dem vorgeschlagenen Weg zuzustimmen. Wie beim AuB-Konzept stehe hier am Anfang die wissenschaftlich fundierte Ausarbeitung, erst dann ginge es um Kostenmodelle und Honorarforderungen. Natürlich werde man auch die Sorgen an der Basis ernst nehmen, wie sich das Konzept später in der Leistungsgestaltung auswirke. Der KZV-Vorsitzende Dr. Peter Matovinovic sah die Zahnärzteschaft mit dem Konzept „gut aufgestellt“. Und der FVDZ-Vorsitzende ZA Harald Schrader befürwortete, mit einer einheitlichen Positionierung in die Politik zu gehen.

Einstimmig forderten die Delegierten die Entscheidungsträger bei Politik, Kassen, Wissenschaft und Patientenvertretung auf, eine neue und dem Stand der Wissenschaft entsprechende PAR-Behandlungsstrategie zu etablieren und die Mittel dafür bereitzustellen. Bei der Überprüfung der Evidenz im IQWIG müsse auch die bestverfügbare Evidenz berücksichtigt werden. Ein Therapiekonzept mit Anreizkomponenten und Bonusregelung sei sinnvoll.\

Einen weiteren großen Schwerpunkt nahm das Thema Europa ein. Input für die Diskussionen gab der Präsident des Bundesverbands der Freien Berufe (BFB), Prof. Dr. Wolfgang Ewer, in seinem Impulsvortrag. Er ging auf die Rolle der Freien Berufe in Europa ein. Mit dem geplanten Dienstleistungspaket und der Verhältnismäßigkeitsprüfung vor der Einführung von Berufsregeln habe die Kommission die Freien Berufe ins Visier genommen. Der BFB habe sich – wie auch die Zahnärzteschaft – stark gemacht für eine Herausnahme der Heilberufler von dieser Regel. Am 4.12.2017 werde es im federführenden IMCO-Ausschuss eine Abstimmung darüber geben. Die Unterstützung für diese Position sei aber nicht gesichert. Ewer: „Im Europäischen Parlament wackelt diese Front bedenklich.“ Es werde wohl auf einen Kompromiss hinauslaufen, schätzte er.

Wackelige Fronten

Die Delegierten erörterten das Thema mit Sorge: So machte etwa ZA Ralf Wagner, Vorsitzender der KZV Nordrhein, deutlich, in welchen Bereichen die EU bereits unmittelbar auf die zahnärztliche Berufsausübung einwirke – sei es etwa bei Normen oder der Definition von Assistenzberufen. Dazu fassten die Delegierten einen Beschluss: Mit Nachdruck müsse sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Kompetenz der EU-Mitgliedstaaten für den Erlass von Berufsrecht nicht ausgehöhlt und die Gesundheitsberufe von der Verhältnismäßigkeitsprüfung im geplanten EU-Dienstleistungspaket ausgenommen werden.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass der Zahnärzteschaft bei der Ausgestaltung von Zukunftsfragen Steine in den Weg gelegt werden, benannte der stellvertretende KZBV-Vorsitzende ZA Martin Hendges. „Das Streben nach praxistauglichen, bürokratiearmen und versorgungsorientierten Lösungen scheint nicht mehr im Portfolio des GKV-Spitzenverbands vorzukommen“, erklärte er. Ausführlich stellte Hendges die mündlichen Ergebnisse der Verhandlung vor dem Bundesschiedsamt am 24.10. vor (die allerdings noch unter Vorbehalt stehen). Überall, wo Ermessensspielraum gegeben war, habe die KZBV darauf hingewirkt, Regelungen im Sinne der Zahnärzteschaft zu verankern. 

Hendges berichtete auch über die Fortschreibung des Projekts „Zahnärztliches Praxispanel“ (Generierung valider Daten zur Abbildung der Kosten- und Versorgungsstrukturen in den Praxen). Das Zentralinstitut der Ärzte (ZI) habe den Zuschlag zur Durchführung erhalten. Entscheidend sei, wie eine ausreichende Zahl von Teilnehmern in den KZV-Bereichen generiert werden könne.

Verschärfte Bedingungen

Der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Karl-Georg Pochhammer berichtete zum Sachstand des Aufbaus der Telematikinfrastruktur. Derzeit sei davon auszugehen, dass der Beginn des Online-Rollouts nicht vor dem Dezember liege. Inzwischen sei die Verordnung des Gesetzgebers mit der Frist zur flächendeckenden Ausstattung der Praxen vom 1. Juli auf den 31. Dezember 2018 verlängert worden. Damit bleibe ein Jahr Zeit, alle Praxen an die TI anzubinden – die KZBV habe dies in ihren Stellungnahmen als deutlich zu kurz bewertet. Inzwischen müsse die KZBV – und auch die KZVen – eine Flut von Anfragen aus der Kollegenschaft bewältigen, verursacht durch die Finanzierungsvereinbarung. Eine Vielzahl von Informationsmaterialien stehe bereit.

Die Arbeiten zur Ausgabe des elektronischen Praxisausweises liefen, ebenso wie die Abwicklungen der Finanzierung dazu. Als nächstes stehe eine weitere Finanzierungsvereinbarung mit dem GKV-Spitzenverband zu den Anwendungen des Notfalldatenmanagements, des elektronischen Medikationsplans und zur Arzneimittelsicherheitsprüfung an. Dies auch unter verschärften Bedingungen, da noch keine Angaben zu Kosten oder Zeitaufwand vorliegen. 

Zum Thema Telematikinfrastruktur forderten die Delegierten, die Frist für die Durchführung des Versichertenstammdatenmanagements in den Praxen, die jetzt auf den 31.12.2018 verlängert ist, um weitere zwölf Monate auszudehnen. Sanktionen seien außerdem ein untaugliches Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele.

In intensiven Diskussionen fassten die Delegierten weitere Beschlüsse. So forderten sie etwa vom Gesetzgeber, sich für die Stärkung der Mundgesundheitskompetenz einzusetzen und dazu die Leistungen der sprechenden Zahnheilkunde zusätzlich zu vergüten. Der Novellierungsprozess der Approbationsordnung müsse wieder aufgegriffen und die finanziellen Mittel in den Länderhaushalten für dessen Umsetzung müssten bereit gestellt werden. 

Letztlich mussten die Delegierten – den Vorgaben des GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes geschuldet – auch Beschlüsse zu Satzungsfragen fassen. „Wir können uns der Forderung des Bundesgesundheitsministeriums nicht verweigern“, sagte der Vorsitzende des Satzungsausschusses, ZA Markus Koller. Betroffen davon sind etwa Regeln zur Abberufung des VV-Vorsitzenden, zur Ausweitung der Rechte der VV auf Vorstandsberichte oder zur Besetzung der zahnärztlichen Vertreter im Bundesschiedsamt.

Die politischen Beschlüsse im Wortlaut unter: https://www.kzbv.de/beschlusse-der-3-vertreterversammlung-am-8-und-9.1180.de.html

PAR-Konzept

Das PAR-Versorgungskonzept wurde in Frankfurt einstimmig verabschiedet. Entwickelt wurde es in der KZBV-AG PAR mit Unterstützung der DG PARO und unter Mitarbeit der BZÄK. Es bietet eine neue, an den Stand der Wissenschaft angepasste Versorgungsstrecke in der GKV. Sie soll die Compliance des Patienten erhöhen und das Therapieergebnis absichern. Das Konzept sieht eine Kombination aus Sachleistungen und Zuschüssen vor und setzt Anreize über ein Bonussystem, um die Compliance des Patienten zu erhöhen. Wesentliche Bestandteile sind das ärztliche Gespräch mit dem Patienten und die regelmäßige Reevaluation. Schlüsselelement für den Erfolg des lebensbegleitenden Konzepts ist die international anerkannte Unterstützende Parodontitistherapie (UPT) in der Eigenverantwortung des Patienten. Um das Konzept in die Versorgungsrealität zu bringen, müssen noch sehr viele politische Hürden genommen werden. Die Verabschiedung des PAR-Konzepts setzt den Startschuss, mit dem sich die Zahnärzteschaft an die Umsetzung begibt. Flankiert werden soll das Konzept mit einer Aufklärungskampagne der BZÄK.

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