KZBV zu zwei Urteilen des Bayerischen LSG

„Das zahnärztliche Gutachterwesen ist bewährt und rechtens“

nb/pm
Das Bayerische Landessozialgericht hat in zwei Urteilen entschieden, dass die gesetzlichen Krankenkassen zahnmedizinische Leistungsfälle nur durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung begutachten lassen dürfen – die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung spricht von „Fehlinterpretationen“.

„Beide Urteile halten nach unserer Auffassung einer rechtlichen Bewertung in keiner Weise stand“, sagte der Vorsitzende des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Dr. Wolfgang Eßer, in einer Stellungnahme. „Denn sie beruhen – unseres Erachtens – auf Fehlinterpretationen der einschlägigen gesetzlichen Regelungen.“

In den Urteilen des Bayerischen Landessozialgerichts (AZ: L 5 KR 170/15 und L 5 KR 260/16) vom 27. Juni 2017 heißt es, „dass die gesetzlichen Krankenkassen auch zahnmedizinische oder kieferorthopädische Leistungsfälle ausschließlich durch den MDK begutachten lassen dürfen. Die Beauftragung anderer Gutachter oder Gutachterdienste verstößt gegen die gesetzliche Aufgabenzuweisung in § 275 Abs. 1 SGB V sowie gegen den Datenschutz und sei daher rechtswidrig.“ Den Urteilen liegen zwei Fälle zugrunde.

Fall 1

Da ihr Kind an einer schweren Zahnfehlstellung litt, beantragten die Eltern eine kieferorthopädische Behandlung. Daraufhin holte die Krankenkasse ein kieferorthopädisches Gutachten von einem Gutachter der KZV ein und lehnte auf dieser Grundlage die Leistung ab – ohne den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung damit zu beauftragen. Erst ein Jahr später bewilligte sie die Leistung auf einen geänderten Antrag hin. Zwischenzeitlich litt das Kind unter starken Schmerzen, mehrfach mussten Zähne entfernt werden. Die Eltern hielten die zunächst erfolgte Ablehnung der kieferorthopädischen Behandlung für rechtswidrig und forderten beim Landgericht Schmerzensgeld. Der vom Sozialgericht beauftragte Sachverständige stellte in einem ausführlichen Gutachten fest, dass die kieferorthopädische Behandlung von Anfang an indiziert gewesen wäre.

Fall 2

In dem anderen Verfahren beanspruchte eine Versicherte eine Implantatversorgung, weil eine andere Prothesenversorgung aufgrund einer schweren Mundtrockenheit infolge einer Tumorbehandlung bei ihr nicht möglich sei. Die Krankenkasse wandte sich unmittelbar an einen niedergelassenen Zahnarzt, dessen Gutachten die Grundlage für die ablehnende Entscheidung der Kasse bildete. Seit der Antragstellung waren sieben Wochen vergangen, die Krankenkasse jedoch hatte die Versicherte nicht über einen hinreichenden Grund für die verzögerte Bearbeitung informiert.

In beiden Verfahren hat das Gericht nun entschieden, dass die gesetzlichen Krankenkassen auch zahnmedizinische oder kieferorthopädische Leistungsfälle ausschließlich durch den MDK begutachten lassen dürfen.

Dazu erläutert Eßer: „Das Landessozialgericht Bayern verkennt insbesondere, dass nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers der § 275 SGB V keinen Vorrang vor den bereits jahrzehntelang durchgeführten vertraglichen Gutachterverfahren im zahnärztlichen Bereich haben soll. Ebenso hat der Gesetzgeber die vertraglichen Gutachterverfahren durch das Patientenrechtegesetz sogar noch einmal ausdrücklich bestätigt. Die durch das Gericht aufgeworfenen Fragen des Datenschutzes werden aus unserer Sicht in keiner Weise nachvollziehbar beantwortet oder gar begründet, sondern ohne tragfähige Ausführungen schlichtweg in den Raum gestellt. Im Übrigen sind die Urteile – nach unseren Informationen – auch noch gar nicht rechtskräftig.“ Vor diesem Hintergrund bestehe für die Vertragszahnärzteschaft derzeit daher keinerlei Veranlassung, von den bestehenden vertraglichen Gutachterverfahren abzurücken.

Die KZBV stellt klar: „Das zwischen der KZBV und den Krankenkassen vereinbarte Gutachterverfahren im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung dient den Patienten. Es greift bereits im Vorfeld vieler Behandlungen, etwa im kieferorthopädischen und im parodontologischen Bereich sowie bei der Versorgung mit Zahnersatz.“ Die Begutachtungen werden dabei von Gutachtern vorgenommen, die von den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen in den Ländern und den Krankenkassen einvernehmlich bestellt werden.

„Urteile halten rechtlicher Bewertung nicht stand“

„Das zahnärztliche Gutachterwesen genießt bei allen Beteiligten eine sehr hohe Akzeptanz“, heißt es weiter. „Es unterstützt insbesondere die Überprüfung und Sicherung der Behandlungsqualität und ist für die Patienten seit vielen Jahren ein anerkanntes Verfahren.“

Beispielsweise im Bereich Zahnersatz wurden laut KZBV im Jahr 2016 insgesamt 132.889 Gutachten erstellt. Bei etwa 10 Millionen prothetischen Behandlungsfällen wurden 15.350 Mängelgutachten angefordert und in 68,4 Prozent der Fälle wurden dann auch tatsächlich Mängel festgestellt. „Der Anteil gutachterlich beanstandeter Therapien an der Gesamtzahl der Zahnersatzbehandlungen lag damit im Promillebereich – ein Indikator für eine insgesamt qualitativ gute Zahnersatzversorgung“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme.nb/pm

(Informationen zum vertragszahnärztlichen Gutachterwesen können auf der Website der KZBV unter www.patientenberatung-der-zahnaerzte.de abgerufen werden. Das Bayerische Landessozialgericht hat entschieden, dass die gesetzlichen Krankenkassen zahnmedizinische Leistungsfälle nur durch den MDK begutachten lassen dürfen.)

nb/pm

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