Review zur Arretierung von Karies

Wie wirksam ist Silber-Diamin-Fluorid?

Norbert Krämer
Bei der Therapie einer Karies gibt es kontroverse „Weltanschauungen“ – vollständig exkavieren oder den kariösen Prozess „nur“ arretieren. Ein Review hat die Evidenz insbesondere von SDF überprüft.

Die Nicht-Behandlung der Karies beeinträchtigt die Lebensqualität der Kinder und kann zu Zahnschmerzen  führen [Sheiham A., 2006]. Wenn die Karies behandelt wird, kommen in der Regel traditionelle Verfahren zur Exkavation zum Einsatz und die Läsion wird anschließend mittels Füllungstherapie oder durch Überkronung verschlossen. Die Behandlung der Karies und der Endpunkt der Kariesexkavation werden dabei aktuell kontrovers diskutiert [Schwendicke F et al., 2013].

International werden jedoch durchaus Maßnahmen eingesetzt, die die klassische Kariesentfernung nicht als Mittel der Wahl ansehen. Versucht wird, das Fortschreiten der Karies lediglich zu verhindern beziehungsweise den kariösen Prozess zu arretieren. Diese Verfahren werden dabei aus ökonomischen Gründen häufig in Ländern ohne effektives Gesundheitssystem eingesetzt [Mattos-Silveira J, 2014].

In den vergangenen Jahren erlebte der Einsatz von Silberverbindungen eine Renaissance. Insbesondere SDF wird gerne eingesetzt [Bowen DM, 2016;Ishibashi Y, 1978]. Dabei ist das Verfahren nicht neu und wurde beispielsweise bereits 1978 zur Desinfektion des Wurzelkanalsystems eingeführt [Bowen DM, 2016; Ishibashi Y, 1978]. Der antibakterielle Effekt von Silberionen ist seit über 100 Jahren bekannt. Die Applikation von Silbernitrat, Silberfolien oder Silbernähten wurde in der Chirurgie und bei Infektionen beziehungsweise zur Infektionsprävention im Mundbereich gerne eingesetzt. Silber (Ag+) tötet pathogene Mikroorganismen ab einer Konzentration  50 ppm und wird daher bei akuten Brandwunden, zur Katheterbeschichtung, an Krankenhauskleidung oder auch zur Kariesprävention eingesetzt [Rosenblatt A et al., 2009]. SDF hat gegenüber der veralteten Silbernitratverbindung wegen der fehlenden Nitratgruppe einen Vorteil [Sharma G et al., 2015].

In einem systematischen Review sollte daher die Evidenz insbesondere von SDF zur Kariesarretierung geprüft werden [Sharma G et al., 2015]. Die Autoren zogen dafür Publikationen im Zeitraum 1981 bis 2014 heran. Dabei wurden sowohl klinische als auch In-vitro-Studien berücksichtigt.

Insgesamt konnten die Autoren 73 Artikel in PubMed/Medline finden, wovon 21 (17 klinische Studien und vier In-vitro-Untersuchungen) für die Analyse herangezogen wurden. Lediglich acht Studien verglichen unterschiedliche Verfahren zur Kariesarritierung. Zehn Studien (sechs klinisch, vier in vitro) beschäftigten sich mit SDF [Sharma G et al., 2015].

Insgesamt war der Effekt der Kariesarritierung im Milchgebiss höher als in der bleibenden Dentition. An Milchzähnen konnte dies in knapp 80 Prozent der Fälle, in der bleibenden Dentition in 65 Prozent der Fälle belegt werden. Mit SDF konnte Karies signifikant an mehr Oberflächen arretiert werden als bei der Kontrollgruppe [Llodra JC et al., 2005].

Die einmalige Applikation einer 38-prozentigen Lösung ohne die Anwendung von Gerbsäure zeigte einen effektiven Stopp der Kariesprogression nach 24 Monaten Beobachtungszeit [Yee R et al., 2009]. Der inhibierende Effekt auf den Biofilm und die höhere Härte nach Applikation von SDF konnten ebenfalls belegt werden [Chu CH et al., 2012]. So zeigte sich der Wachstums-hemmende Einfluss auf S. mutans und L. acidophilus und A. naeslundi [Craig GG et al., 1981;Zhi QH et al., 2012].

Als Konzentration für die einmalige Applikation von SDF wird die 38-prozentige Lösung gegenüber der zwölfprozentigen bevorzugt. Bei der Analyse der Studien wurden Beobachtungszeiten von drei bis 30 Monaten angegeben. Insbesondere nach einmaliger Applikation zeigte sich bereits nach 24 Monaten ein deutlicher Anstieg der Oberflächen mit aktiver Karies für Zähne der ersten Dentition [Sharma G et al., 2015]. In einer weiteren Studie wurde die halbjährliche Applikation einer 38-prozentigen SDF-Lösung geprüft. Es zeigte sich ein deutlicher präventiver Effekt bezüglich des Parameters Kariesprogression im Milchgebiss [Sharma G et al., 2015].

Als Nebenwirkung wird die bekannte Schwarzverfärbung kariöser Zähne durch Einbindung der positiv geladenen Silberionen beschrieben (Foto). Das Alternativprodukt Ammoniumhexalfluorosilikat [(NH4)2SiF6] wurde als nicht so effektiv bezüglich der Eindämmung der Kariesprogression gesehen [Peng JJ et al., 2012].

Im Fazit bezeichnen die Autoren SDF als kostengünstige Maßnahme zur Arretierung der Karies, effektiv, wenn es zweimal jährlich in 38-prozentiger Konzentration aufgetragen wird, und daher als geeignet zur Karies behandlung in Entwicklungsländern [SharmaG et al., 2015].

Prof. Dr. Norbert Krämer

Poliklinik für Kinderzahnheilkunde
Schlangenzahl 14, 35392 Gießen
Norbert.Kraemer@dentist.med.uni-giessen.de

Review: Sharma G, Puranik MP, Sowmya KR: Approaches to Arresting Dental Caries: An Update. J Clin Diag Res 2015; Vol-9(5): ZE08-ZE11

Es handelt sich bei diesem Beitrag um einen Nachdruck aus der Oralprophylaxe 39 (2017). Der Nachdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags.

Prof. Dr. Norbert Krämer

Poliklinik für Kinderzahnheilkunde
Schlangenzahl 14,
35392 Gießen

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