Das Primat der Politik vermag …
... alles, fast alles, wenig oder gar nichts? Ohne gleich mit Carl von Clausewitz (1780–1831) ins Haus zu fallen, der den Krieg als „bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ bezeichnete, ein Blick auf die Definition im Wirtschaftslexikon.co: „allgemeine Bezeichnung dafür, dass die Politik gegenüber anderen staatlichen Bereichen (Verwaltung, Militär) oder auch nichtstaatlichen Feldern führend ist (sein soll)“. Nun darf man, ohne Politikern etwas unterstellen zu wollen, die Interdependenz von Politik und Ökonomie als umfassend bezeichnen. Hier stoßen gesellschaftliche, soziale und ethische Aspekte aufeinander und treffen mit dem steten Strom wissenschaftlichen Fortschritts und dessen notwendiger(?) Umsetzung in Diagnostik und Therapie auf limitierte wirtschaftliche Mittel. Als anonymes Massenphänomen betrachtet, erscheint eine sinnhafte Steuerung des Ganzen möglich. Die Probleme entstehen jedoch immer da, wo diese Anonymität endet und ein Individuum das System in Anspruch nimmt. Löst man diesen Konflikt, indem man den Einzelfall, nicht das Individuum, möglichst weitgehend „standardisiert“? Wie weit will die Politik den Gestaltungs- und Regelungsanspruch sowie die zunehmenden kleinteiligen Eingriffe in das bestehende System zulasten bestehender Strukturen etwa in der Selbstverwaltung treiben?
Einen interessanten Einblick gab die erste Rede des neuen Gesundheitsministers Jens Spahn auf dem Nationalen DRG-Forum in Berlin. Nachfolgend einige Zitate aus seiner Rede. Um mit dem Minister ergebnisorientiert ins Gespräch zu kommen, sollte man beachten: „Bei mir fängt die Kiste [sein Kopf, die Red.] erst an zu arbeiten, wenn es auch mal eine Gegenmeinung gibt. Ich bin ein großer Fan von kontroversen Diskussionen wenn Sie zielorientiert sind.“ Den Anspruch an seine Arbeit formulierte er so: „ Das unser Gesundheitswesen eines der besten ist – und da bleibe ich dabei – heißt nicht, dass es auch perfekt ist. Da sind noch genug Baustellen zu bearbeiten. Gesundheitspolitik ist ja ein Politikfeld, das mir manchmal zu sehr in der Defensive ist. Es heißt ja, mit Gesundheitspolitik kann man keine Wahlen gewinnen, nur verlieren. Das ist mir zu sehr geprägt von dem Gedanken, das Schlimmste zu verhindern, die größten Probleme zu umschiffen. Das reicht nicht. Leben besser machen, den Alltag von Millionen Menschen, und zwar jeden Tag … wo auch immer. Das sind jeden Tag zig Millionen Berührungspunkte mit unseren Bürgern. Es geht auch darum, das Gesundheitswesen besser zu machen, wie es erlebt wird.“ Als Grundzüge seiner Politik nannte er mit Blick auf die Krankenhauspolitik sieben Punkte, die beiden relevantesten aus zahnärztlicher Sicht: Qualitätssicherung und Digitalisierung. „Vom Wiegen allein wird das Schwein nicht fett.“ „Eine Qualitätsmessung ohne Konsequenzen ist den Aufwand nicht wert.“ Spahn plädierte nachdrücklich dafür, dass (gemessene!) schlechte Qualität nicht nur schlechter bezahlt werden, sondern früher oder später im Sinne der Patienten vom „Netz“ muss. Und mit Blick auf Fallzahlen: „Wenn ich in ein Krankenhaus gehe, mit etwas, wo ich das Gefühl habe, das ist nicht das Alltäglichste, und dann sagt der Arzt zu mir, das haben wir schon lange nicht mehr gehabt, dann fühle ich mich per se nicht besser in der Frage, was dann folgt. Es macht daher schon Sinn, in dem abgestimmten Prozess von Grund- und Regelversorgung bis hin zur Spezialisierung an den richtigen Stellen dieses Instrument der Qualitätsmessung hineinzubringen um die Versorgung zu steuern und zu strukturieren. Das ist eine der größten Baustellen, die wir haben – auch weil es eine der komplexesten ist.“ Die Digitalisierung möchte Spahn noch stärker in den Fokus nehmen, denn sie biete einen enormen Mehrwert, weil sie die Versorgung einfacher, effizienter und besser macht. Dass Gesetze alleine dieses Ziel nicht erreichen lassen, beweise die mittlerweile 14-jährigen Geschichte der eGK. Deshalb werde auch im Ministerium umgebaut, eine dedizierte Abteilung soll dem Digitalen mehr Gewicht verleihen.
Da man sich, so Spahn, zu Beginn der Legislatur zu viel Zeit gelassen hat, müsse man in den verbleibenden dreieinhalb Jahren eben mehr Gas geben. Die Diskussion um das Primat der Politik– auch in Fragen der Details – scheint damit beendet, die um die Rolle und das Selbstverständnis der Selbstverwaltungen geht jetzt wohl richtig los …
Dr. Uwe Axel Richter
Chefredakteur