Zur Zahnsteinentfernung geht's auf den Parkplatz
Im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin (DGAZ), Anfang Mai in Magdeburg, stellten Sie Ihr neues Zahnmobil den Kollegen vor. Sie erzählten dort, Sie seien wie die ‚Jungfrau zum Kinde‘ gekommen. Was hat es damit auf sich?
Michael Fechner: Ich interessierte mich zunächst für ein solches Fahrzeug zur Betreuung meiner Patienten, da es mich ärgerte, dass ich meinen Patienten in den Altenheimen vor Ort nicht immer die nötige Behandlung zukommen lassen konnte. Ich hatte von Zahnmobilen zur Obdachlosenbetreuung in Berlin, Hamburg und Hannover gehört. Es entstand der Kontakt zu Herrn und Frau Dr. Mannherz vom Zahnmobil Hannover e.V., deren Träger die Diakonie ist. Bei einem Besuch vor Ort präsentierten sie mir freundlicherweise ihr Fahrzeug und hatten für alle meine Fragen ein offenes Ohr.
Unter anderem erzählte mir Herr Mannherz, dass er das Fahrzeug selbst aus einem ehemaligen Ambulanzwagen umgebaut und dafür 1.500 Arbeitsstunden investiert hatte. Daher rechnete ich zunächst damit, dass ich ein solches Fahrzeug selbst oder einer meiner Angestellten umbauen müsste, was neben dem Praxisbetrieb sehr lange gedauert hätte. Durch einen glücklichen Zufall entdeckte ich jedoch ein Unternehmen, das größtenteils Ambulanzen und zu 15 Prozent Sonderfahrzeuge herstellt. Dadurch wurde das Projekt doch recht schnell zum Selbstläufer und das Zahnmobil war in rund sechs Monaten fertiggestellt.
Sie hätten sich stattdessen auch einen Sportwagen gönnen können. Warum haben Sie und Ihre Frau sich dennoch für ein Zahnmobil entschieden?
Wie ich bereits erwähnte, ärgerte es mich, bei der Betreuung meiner Patienten in den Altenheimen nicht immer die nötige Zahnbehandlung vor Ort durchführen zu können. Die Senioren verfügen mehr und mehr über eigene Zähne, Implantate oder hochwertigen Zahnersatz statt Vollprothesen. Das Zahnstein entfernen zum Beispiel ist bei bettlägerigen und immobilen Patienten ein Problem. Dafür wäre der Aufwand eines Krankentransports nicht adäquat.
Der demografische Wandel steht vor der Tür, die Überalterung der Gesellschaft hat bereits begonnen. Vor diesem Hintergrund ist es dringend notwendig, sich über die adäquate Versorgung im Bereich Alterszahnmedizin Gedanken zu machen. Was ist da naheliegender, als diese Versorgung den Patienten in den Altenheimen zur Verfügung zu stellen, wenn diese nicht mehr ihren Zahnarzt aufsuchen können? Wir selbst hoffen doch auch, noch im Alter optimal zahnärztlich versorgt zu werden.
Sie konnten sich von Herrn Mannherz, dem Vorsitzenden des Fördervereins Zahnmobil Hannover e.V., praktische Tipps für den Umbau Ihres Sprinters holen. Was für Tipps waren das?
Ein sehr praktischer Tipp war der Einbau einer roten Lampe, die eine Unterbrechung der externen Stromzufuhr anzeigt. Bevor man sehr zeitaufwendig auf die Suche nach möglichen Fehlerquellen geht, wenn die Geräte nicht funktionieren, ist es sehr vorteilhaft, wenn diese Lampe anzeigt, dass jemand den Stecker für die externe Stromversorgung herausgezogen hat.
Des Weiteren wies uns Herr Mannherz darauf hin, dass es sinnvoll sei, das Fahrzeug während der Behandlung mit zusätzlichen Stützen auszustatten, da der Wagen ansonsten schwankt, wenn sich mehrere Personen darin bewegen. Dadurch sei einmal eine Anästhesiespritze im falschen Kiefer gelandet. Ein guter Rat war auch, Keramiklüfter zu verwenden. Diese werden auch im Dauerbetrieb nicht heiß und haben eine lange Lebensdauer.
Was war Ihnen bei dem Umbau besonders wichtig? Über welche Funktionen sollte Ihr Zahnmobil verfügen?
Das Herausragende und Besondere an meinem Zahnmobil im Gegensatz zu allen bereits existierenden ist sicherlich die alters- beziehungsweise behindertengerechte Innenausstattung. Über eine Hubrampe kann man auch Patienten im Rollstuhl in das Fahrzeug heben. Diese können dann direkt im Rollstuhl auf eine Vorrichtung mit Kopfstütze gefahren werden, die es ermöglicht den Rollstuhl zu heben und zu neigen und den Patienten direkt im Rollstuhl zu behandeln. Diese Vorrichtung wurde auf der IDS in 2017 erstmals vorgestellt. Mobile Patienten werden in einem vorhandenen Rollstuhl behandelt.
Wie hat der Umbau zum Zahnmobil stattgefunden? Wie viel haben Sie selbst umgebaut – welche Aufgaben haben Sie delegiert?
Das Unternehmen, das wir für den Umbau gewinnen konnten, hatte viel Erfahrung beim Bau von Ambulanzen. Von diesen Erfahrungen konnten wir sehr profitieren. So sind zum Beispiel die Schränke in einer solchen Ambulanz nicht aus Holz, sondern aus Kunststoff, welcher verklebt wird, da sich Schrauben durch die Vibrationen bei der Fahrt lösen würden.
Es muss bedacht werden, dass alle Einrichtungsgegenstände fixiert werden können und dass die Sitzgelegenheiten für die Personen (Zahnarzt, Helferin, Techniker) während der Fahrt auch TÜV-Anforderungen entsprechen müssen. Auch die Trauma Beleuchtung und die Heiz- beziehungsweise Kühlmöglichkeit für ein solches Fahrzeug stellten für das Unternehmen keine Herausforderungen dar.
Unsere Aufgabe bestand darin, dem Fahrzeugbauer die Arbeitsabläufe während einer Zahnbehandlung näher zu bringen, die Funktionsweise der zahnmedizinischen Geräte zu erklären, zu überlegen, wo welches zahnmedizinische Gerät optimal positioniert wird, um die Platzverhältnisse voll auszunutzen. Auch dadurch mussten doch viele der eingebauten Geräte individualisiert werden.
Ihr Zahnmobil besitzt nicht nur ein mobiles digitales Röntgengerät und einen Arbeitsplatz für einen Zahntechniker, sondern sogar einen Amalgamabscheider. Welche „Spielereien“ gibt es sonst noch?
Das Zahnmobil verfügt über einen eigenen Zugang zum Internet. Es verfügt über einen Monitor mit HDMI-Anschluss. Beide Anschlüsse erreicht man am Beifahrersitz, so dass ein mitgebrachter Laptop daran angeschlossen werden kann. Den Laptop kann man auf einem eigens dafür konzipierten Tisch abstellen (ähnlich einem herausklappbaren Tisch im Flugzeug). So kann man sich über einen abgesicherten VPN-Tunnel in die Software der eigenen Praxis einloggen und auf Patientendaten zugreifen (Anamnese, digitale Röntgenbilder) beziehungssweise diese einpflegen. Damit die mitgeführten Abdrucklöffel während der Fahrt fixiert sind, wurde eigens dafür eine Haltevorrichtung in einem Hängeschrank eingebaut.
Der Umbau zum Zahnmobil hat einen sechsstelligen Betrag gekostet. Sie selbst nutzen das Fahrzeug jedoch nur vereinzelt im Quartal. Daher möchten Sie das Zahnmobil auch gerne zur Vermietung anbieten. Wie genau stellen Sie sich das vor?
Die Testphase hat das Fahrzeug bereits durchlaufen. Ich konnte mehrere meiner Patienten erfolgreich im Zahnmobil behandeln. Mir war von Anfang an klar, dass ich das Zahnmobil nicht alleine würde nutzen können beziehungsweise wollen. Jetzt ist es an der Zeit, mit den entsprechenden Gesprächspartnern - also KZV, KZBV, Kollegen, Altenheime sowie Krankenkassen - zu eruieren, welche Möglichkeiten der Nutzung im besonderen Interesse der Patienten am sinnvollsten sind.