„Demokratie braucht keine Heiligen!“
Exakt acht Jahre zuvor hielt Benedikt XVI. als erster Papst eine Rede vor dem Deutschen Bundestag. „Zwei Unfehlbare im Parlament“, kommentierte der SPD-Politiker Thomas Oppermann damals ein Foto von diesem Tag, das den früheren Bundestagspräsidenten und den einstigen Pontifex Maximus zeigt. „Aber nur einer ist Stellvertreter!“, entgegnete Lammert.
Toleranz ist für ihn der Bruder der Freiheit
Pointiert, sachlich und trotzdem humorvoll – so beschreiben ihn viele Weggefährten, auch Dr. Jörg Twenhöven, Regierungspräsident Münster a. D., der in seiner Laudatio obige Anekdote erzählte. „Für Lammert sind Toleranz und Freiheit untrennbar verbunden, wobei er die Toleranz als den großen Bruder der Freiheit bezeichnet und noch höher bewertet“, sagt Twenhöven. „Seine persönliche Auffassung von der Demokratie als wertvolle politische Ordnung prägte seine Arbeit als Bundestagspräsident. Er betonte stets das freie Mandat der Abgeordneten als Wesenskern der parlamentarischen Arbeit. Zu Deutschland sagte er, es sei eigenartig, dass man das, was vor den Füßen liege, in den Wolken sucht.“
Lammert selbst ist in eigenen Worten „überrascht und außerordentlich geschmeichelt“, dass er mit dieser Preisverleihung virtuell in eine Reihe mit Hans-Dietrich Genscher, Kardinal Karl Lehmann und Roman Herzog gestellt wird. Zumal er – im Unterschied zu Zahnärzten und Kieferorthopäden der heiligen Apollonia nie begegnet sei.
Die Demokratie ist ein System, das es uns erlaubt, uns in unsere eigenen Angelegenheiten einzumischen.
Prof. Norbert Lammert
„Sie stehen wie kein Zweiter für klare Worte“, begründete Dr. Klaus Bartling, Präsident der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe, die Wahl. „Wir vergeben den Apollonia-Preis an Fachleute in der Zahnmedizin und an Personen des öffentlichen Lebens, die den Gedanken der Prävention glaubhaft nach außen tragen. Uns geht es darum zu vermitteln, dass jeder Mensch Rechte hat – aber eben auch die Pflicht, selbstverantwortlich, im Rahmen der Vorsorge, auf sich zu achten.“ Auch für Lammert sei die Freiheit in einer Demokratie fest verbunden mit Rechten und Pflichten. Bartling: „Ein freier, mündiger Bürger gestaltet selbst und regelt Dinge im besten Fall in Eigeninitiative. Das betrifft auch die Gesundheit, die er präventiv erhalten will. Mit Ihrer Haltung und Ihrem Wirken fordern Sie die Menschen zu eigenem präventiven Handeln auf. Das macht Sie zu einem würdigen Vertreter der Prävention.“
Ein Mensch mit ethischem Kompass
Zu Recht sage man von Lammert, er sei jemand, „der mit seiner Grundhaltung und seinem gesamten Wesen zu eigenem präventivem Handeln auffordert“, betonte auch Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer. „Gerade in der heutigen Zeit, in der wir – auch im Bundestag – eine Verrohung der Sprache und eine gesellschaftliche Spaltung erleben, brauchen wir Menschen wie Prof. Lammert, die einen klaren ethischen Kompass haben und mit ihren Worten die Köpfe und die Herzen der Politiker genauso wie die der Bürger erreichen.“
In seiner Rede nannte Lammert drei Felder, die aus seiner Sicht dringend Präventionsmaßnahmen bedürfen, wenn man Kollateralschäden vermeiden will: Europa, die transatlantischen Beziehungen und die Demokratie. Wobei platte Diktaturen Lammert zufolge vom Globus fast verschwunden sind. Seit dem Ende des Kalten Krieges endeten die meisten Demokratien nicht durch Umstürze, sondern infolge von Wahlen. „Demokratien werden nicht von außen bedroht, sondern von innen“, verdeutlichte Lammert eindringlich. Nie habe dieses gemeinsame Europa so wenig gewusst, was es eigentlich will: „Immer mehr Länder sind auf dem Rückmarsch ins 19. Jahrhundert, statt auf dem Vormarsch ins 21. Doch demokratische Systeme stehen nicht unter Denkmalschutz – sie erodieren. Und wenn Mehrheiten schweigen, werden Minderheiten immer lauter. Was die Apollonia betrifft: Die Schutzpatrone der Demokratie sind weder Heilige noch Märtyrer, sondern die Bürgerinnen und Bürger selbst.“
Gero-Parcours für Zahnärzte
Förderpreis 2018
Für ihre Forschung im Bereich der Seniorenzahnmedizin wurden Prof. Dr. Ina Nitschke (Universität Leipzig, Zürich) und Dr. Angela Stillhart (Universität Zürich) mit dem diesjährigen Förderpreis ausgezeichnet. Sie entwickelten einen „Gero-Parcours“, der Zahnärzte in der Betreuung und im Umgang mit älteren und gebrechlichen Senioren schulen soll und inzwischen auch für Ärzte, Pflegende und Therapeuten erweitert wurde. Die verschiedenen Stationen können in einem Simulationsanzug durchlaufen werden, so dass man selbst erlebt, wie es ist, körperlich eingeschränkt zu sein. Der Preis ist mit 2.500 Euro dotiert.