„Ohne eine Quote wird sich in naher Zukunft nichts ändern“
Warum hat sich der VdZÄ in diesem Juni aus dem Dentista e. V. ausgegründet? Anders ausgedrückt: Warum denken Sie, dass der e. V. nicht ebenfalls Ihre Anliegen transportieren kann? Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) zum Beispiel ist doch auch ein eingetragener Verein.
Dr. Anke Klas: Das lässt sich mit einem Satz beantworten: Die Mitgliederversammlung des Dentista e. V., der auch Zahntechnikerinnen angehören, hat bei der zurückliegenden Versammlung dieses Jahr in Leipzig beschlossen, dass der Dentista e. V. als Austausch-Forum und Fortbildungsinitiative der Zahnärztinnen und Zahntechnikerinnen fungieren soll und die standespolitischen Aktivitäten ausgegliedert und an eine noch zu gründende neue entsprechende Struktur übertragen werden sollen. Diese „neue Struktur“ hat sich kurz nach Beschluss der Mitgliederversammlung als „Verband der Zahnärztinnen / VdZÄ“ gegründet und seine Aufgaben beschrieben.
Worin konkret sieht der VdZÄ seine Aufgaben? Was unterscheidet ihren Verband von anderen in der Zahnärzteschaft, die sich speziell an Frauen wenden, etwa das Zahnärztinnennetzwerk?
Der VdZÄ ist ein demnächst amtlich eingetragener Berufsverband und hat damit eine ganz andere Aufgabenstellung als eher Event-orientierte Organisationen wie die von Ihnen skizzierten sogenannten „Netzwerke“. Diese können nicht die Interessen der Zahnärztinnen auf der politischen Bühne vertreten. Der VdZÄ ist insofern kein Netzwerk in vergleichbarem Sinne, sondern die unabhängige standespolitische Stimme und politische Interessenvertretung der Zahnärztinnen. Das sind gänzlich unterschiedliche Strukturen, die je nach Ausrichtung der Event-Netzwerke mehr oder weniger harmonisch neben Dentista und dem VdZÄ ihre sich an Zahnärztinnen richtende Aufgaben erledigen. Wir, der VdZÄ, vertreten die Interessen der Zahnärztinnen gegenüber Politik, Fach-/Öffentlichkeit, Parlamenten, Körperschaften und Behörden. Außerdem haben wir uns zur Aufgabe gemacht, die Kompetenz von Zahnärztinnen in standespolitischer und berufsrechtlicher Hinsicht zu fördern und unsere Ziele in den Körperschaften einzubringen. Die sogenannten Netzwerke für Zahnärztinnen haben spezielle Anliegen, die meist einen spezifischen Faktor im Praxismanagement und Marketing in den Fokus nehmen und hier die entsprechende unternehmerische Kompetenz fördern.
Wie viele Mitglieder hat Ihr Verband bis jetzt? Wie werben Sie für ihn?
Wir hatten, wie alle in unserem Berufsstand, mit der Bürokratie zu kämpfen – und die Gründungsphase war in der Sommerferienzeit, so dass, oft auch urlaubsbedingt, die für einen amtlich eingetragenen Verein notwendigen notariellen und behördlichen Maßnahmen erst jetzt langsam abgeschlossen werden konnten. In Kürze sind wir fundiert aufgestellt, haben ein Konto und alle für die Rechnungslegung notwendigen Angaben beisammen, dann geht es in die aktive Mitgliedergewinnung und auch in die intensivere Kommunikation. Der VdZÄ besteht derzeit aus den Gründungsmitgliedern und wir freuen uns über eine große, spannende Warteliste an Kolleginnen, die schon lange Mitglied werden und sich aktiv einbringen wollen. Den Wunsch können wir in Kürze endlich erfüllen.
Gab es schon Reaktionen von BZÄK und KZBV beziehungsweise aus den Ländern von den LZKn und KZVen, sowohl zur Gründung als auch zu Ihrer Forderung nach einer Übergangsquote?
Mit der BZÄK stehen wir im Kontakt und es findet bald ein persönliches Treffen statt, auch wegen der Zusammenarbeit von Dentista und BZÄK und den Überlegungen, sich manchem, bisher dualem Projekt ab jetzt zu dritt zu widmen. Seitens der Bundeszahnärztekammer wurden, nicht zuletzt aufgrund der Aufgabenstellung des VdZÄ, Kolleginnen für die standespolitische Arbeit zu gewinnen, sehr positive Signale im Vorfeld des Treffens übermittelt. Von der Zahnärztekammer Nordrhein und der KZV Nordrhein haben wir ein freundliches Gratulationsschreiben erhalten. Von den übrigen Kammern und KZVen sowie von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) kamen bisher keine Reaktionen, auch nicht zu unserer aktuellen Forderung nach einer Übergangsquote.
Nehmen Sie bewusst Kontakt zu weiblichen Standesvertretern auf, um Ihr Anliegen zu transportieren?
Nein, letztendlich betreffen uns die Themen ja alle und wir müssen sie gemeinsam voranbringen. Selbstverständlich freuen wir uns über Signale der Kolleginnen, die bereits in der Standespolitik aktiv sind, uns mit Erfahrungsaustausch und Expertise zur Seite zu stehen und laden herzlich dazu ein. Es gibt entsprechende erste Signale, aber wir haben bisher den „noch nicht fertigen“ Status als amtlich eingetragener Verein als Punkt gesetzt, den wir vor intensiveren Kontakten erst erledigt sehen möchten. Wenn wir dann mit allem, auch der neuen eigenen Website, am Start sind: Dann sehen wir auch hier weiter.
Da sich Zahnärztinnen immer öfter lieber anstellen lassen als sich niederzulassen, welches Interesse sollten sie dann an Gremienarbeit und Funktionärsaufgaben haben?
Die Gestaltung des Praxisalltags und die Selbstbestimmung im zahnärztlichen Beruf wird früher oder später für jeden von Interesse sein. Ich erlebe junge Berufsstarter als äußerst zugänglich für politische Themen. Zudem arbeiten wir daran, die Zahnärztinnen von der Selbständigkeit zu überzeugen, so dass Gremienarbeit und Funktionärsaufgaben für sie auch wichtig werden. Der Anteil der angestellten Kolleginnen ist jetzt schon hoch, wird sicher noch eine Weile steigen und vielleicht durch die derzeit anrollenden Großpraxen-Strukturen oder Zahnarztpraxis-Netze noch weiter hochgetrieben werden – es geht also um einen großen Anteil an der Gesamtzahl unserer Kolleginnen, die aufgrund ihrer Angestelltentätigkeit entsprechend eigene Themen haben. Wir werten in unserer standespolitischen Arbeit nicht zwischen Selbstständigkeit und Anstellungstätigkeit und versuchen eher, bei schwierigen Schnittstellenthemen zu vermitteln. Die jungen Kolleginnen wertschätzen dies durchaus. In unserem Vorstand sind auch angestellte Zahnärztinnen, in anderen politischen Gremien ebenfalls – für uns stellt sich diese Frage also gar nicht. Das Potenzial ist da, und wir werden es noch mehr befördern.
Falls sich Ihre Quote durchsetzt, wird dann nicht immer der Vorwurf im Raum stehen, dass nur diese Zwangsregel für die Wahl einer Frau in ein Gremium den Ausschlag gab, nicht deren Qualifikation?
Der derzeitige Zustand von annähernd 90-prozentiger Männerdominanz in den Führungsgremien und -positionen ist ja für engagierte Frauen, wenn Sie „Qualifikation“ für ein Amt voraussetzen, an sich schon eine Beleidigung. Denn das besagt letztlich, dass mehr als 90 Prozent der Zahnmedizinerinnen inkompetenter sind als ihre männlichen Kollegen. Dem ist ja definitiv nicht so. Wer legt die Qualifikation beziehungsweise die Kompetenz für ein Amt fest? Solange nicht definiert ist, welche Qualifikationspunkte ein Bewerber für ein standespolitisches Amt haben muss, können wir den Hinweis, Frauen seien weniger qualifiziert, nicht akzeptieren. Es bleibt der Geruch von Willkür und Kungelei. Die Quote ist primär erst einmal Mittel zum Zweck. Niemand mag Quote, wir haben das in unserem Vorstand auch kontrovers diskutiert, kamen aber schon bei der inhaltlichen Abstimmung in der Gründungsversammlung zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass sich ohne eine Quote in naher Zukunft nichts ändern wird. Frauen in Führungspositionen verweisen gern darauf, dass ihre Leistungen eben ausschlaggebend waren – das ist auch so, und diese Chance, dass Leistung zählt, sollen andere engagierte und grundsätzlich qualifizierte Kolleginnen auch haben. Wenn das eingespielt ist und Frauen in der Standespolitik normal und selbstverständlich sind, wird die Quote zweitrangig.
In Ihrer Pressemitteilung zur Forderung nach einer Übergangsquote heißt es: „Kolleginnen, die sich für standespolitische Mitarbeit interessieren, erlebten nicht selten Rahmenbedingungen, die das ursprüngliche Engagement ausbremsen.“ Bitte benennen Sie diese „ausbremsenden Rahmenbedingungen“.
Ausbremsende Rahmenbedingungen sind zum Beispiel zeitaufwendige und zu ungünstigen Zeiten stattfindende Sitzungen. Auch finden die Sitzungen häufig in Räumlichkeiten statt, wo eine Kinderbetreuung unmöglich wäre oder Kinder gar unerwünscht sind. In Führungspositionen wird eine langjährige standespolitsche Erfahrung vorausgesetzt, die natürlich eine Zahnärztin, die Praxis und Familie vereinbaren muss, mit Schwangerschafts-Ausfallzeiten zum Beispiel, so nicht erfüllen kann. Ein männlicher Kollege, dessen Ehefrau ihm den Rücken freihält, hat es da schon wesentlich einfacher. Aber wir haben in den vielen zurückliegenden Jahren auch gesehen, dass eben keineswegs immer „langjährige standespolitische Erfahrung“ ausschlaggebend war, wenn ein Amt übertragen wurde, sondern es auch ausgeguckte Nachfolger gab, die ihre Erfahrung erst im Amt sammelten. Das können die Kolleginnen ebenso. Und wir sind sicher, dass mit der jüngeren Generation an Standespolitikern die gefühlte Ungleichbehandlung zugunsten transparenter Strukturen aufhören wird.
Zu den Rahmenbedingungen gehört auch, dass Kollegen meinten, es brauche keine Zahnärztinnen in der Standespolitik, die Männer dächten für die Kolleginnen ja schon mit. Das ist sicher lieb gemeint, aber faktisch daneben: Zahnärztinnen bringen Expertise mit ein in die standespolitische Arbeit, die Männern fehlt. Zusammen sind wir stärker, und Diversität ist der Garant für stete Weiterentwicklung. Darum bringen wir uns auch ein – die Zukunft der Zahnmedizin muss auch für die Kolleginnen passen. Und diese können durchaus auch selber denken …
Wie überzeugen Sie männliche Zahnärzte davon, mehr weibliche Vertreter in standes- und/oder berufspolitische Funktionen zu wählen?
Eigentlich sollten die männlichen Kollegen nicht davon überzeugt werden müssen, sondern es sollte in einer funktionierenden modernen demokratischen Gesellschaft selbstverständlich sein, Kolleginnen in standespolitische Funktionen zu wählen, zumal wenn der Anteil der Kolleginnen unter allen Kollegen rund 45 Prozent beträgt und unter den jungen Kolleginnen noch deutlich höher liegt. Da ist es selbstverständlich, dass man die Kolleginnen als wesentlichen Teil der Gesamtgesellschaft respektiert und ihre Expertise – nicht nur in frauenbezogenen Themen übrigens! – wertschätzt. Frauen können auch GOZ, Wirtschaft und Politik. Zudem besitzen Kolleginnen Ressourcen und Kompetenzen, die für eine überzeugende Politik unverzichtbar sind. Wir wissen alle, dass Zahnmedizin und Medizin immer „weiblicher“ werden aufseiten der beruflich Tätigen an den verschiedensten Stellen zwischen Klinik und Praxis – und wenn wir die jungen Menschen glaubhaft davon überzeugen möchten, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, sollte dies auch von authentischen Politkerinnen erfolgen. Nur so können wir einen Beitrag zur Erhaltung der Praxen und letztendlich zum Erhalt der Freiberuflichkeit leisten, was jedem Geschlecht zugutekommt. Aber derzeit fehlt eindeutig eine Vorbildfunktion für die jungen Kolleginnen. Das wollen – und das müssen wir auch – ändern, denn wir brauchen die Kolleginnen in unserer Interessenvertretung nicht zuletzt auch deshalb, weil sie in absehbarer Zeit die Mehrheit in unserem Berufsstand repräsentieren werden und in die Verantwortung genommen werden müssen, diesen Berufsstand auch zu führen und die Zukunft klug zu gestalten.
Zu guter Letzt: Wann wird Ihre Internetseite www.vdzae.de mit Inhalten gefüllt?
Wir arbeiten mit Hochdruck daran und sie wird in Kürze online gehen. Auch hier können wir nicht ohne amtliche Kennnummern präsent sein, deshalb wird jetzt sehr zeitnah alles zusammen auf Grün gestellt.
Die Fragen stellte Marko T. Hinz.
Was genau bedeutet „Übergangsquote“?
Das VdZÄ-Modell
Wie der Verband der ZahnÄrztinnen (VdZÄ) Ende September mitteilte, fordert er grundsätzlich eine „Übergangsquote“ für die Teilnahme von Zahnärztinnen an der Arbeit und das Stimmrecht in verschiedenen Gremien der Körperschaften ein. Konkret gemeint ist eine 30-prozentige Beteiligung von Kolleginnen in allen Gremien der Körperschaften – bei kleineren Leitungsorganen wie Kammervorständen zwei Positionen, bei KZV-Vorständen eine Position.
Ab dem Jahr 2022, nach dieser Übergangsphase, fordert der Verband eine anteilige Quote gemäß dem Anteil der Zahnärztinnen in der jeweiligen Region.