Viele unterschiedliche Krankheitsbilder
Bei den malignen Lymphomen handelt es sich um bösartige Erkrankungen des lymphatischen Systems, die oft auch als Lymphdrüsenkrebs bezeichnet werden. Das lymphatische System durchzieht den gesamten Körper und besteht aus Lymphgefäßen, Lymphknoten, Knochenmark, Milz und Thymus sowie T- und B-Zellen, die wichtige Funktionen im Immunsystem haben. Lymphatisches Gewebe findet sich außerdem in Organen wie dem Dünndarm und der Haut. Maligne Lymphome gehen von den Lymphknoten, der Milz und den Lymphozyten aus.
Epidemiologie
Im Vergleich zu Organtumoren wie Brust-, Darm- oder Lungenkrebs sind maligne Lymphome selten, machen aber dennoch rund fünf Prozent aller Krebserkrankungen hierzulande aus. Sie können in praktisch jedem Lebensalter auftreten, betroffen sind aber vor allem Kinder, Jugendliche und ältere Erwachsene. Die Art des Lymphoms ist bei Kindern und Erwachsenen allerdings meist unterschiedlich.
Jährlich erkranken in Deutschland knapp 10.000 Männer und etwa 8.500 Frauen. Die verschiedenen Lymphomformen können unterschiedliche Beschwerden verursachen und einen unterschiedlichen Verlauf zeigen. Zusammen mit der körperlichen Verfassung des Patienten und den Tumormerkmalen ist der Verlauf entscheidend für die Therapiewahl und die Prognose. Es gibt deshalb ganz unterschiedliche Behandlungskonzepte.
Zwei Hauptgruppen werden unterschieden: die nach dem Erstbeschreiber – dem englischen Arzt Dr. Thomas Hodgkin – benannten Hodgkin-Lymphome und die Non-Hodgkin-Lymphome, kurz NHL. Hodgkin-Lymphome, früher oft auch als Morbus Hodgkin oder Lymphogranulomatose bezeichnet, entstehen in einem Lymphknoten und breiten sich von dort aus. Sie sehen etwas anders aus als die NHL-Zellen, es handelt sich typischerweise um mehrkernige Riesentumorzellen, auch Hodgkin-Reed-Sternberg-Zellen (H-RS-Zellen) genannt.
Als Non-Hodgkin-Lymphome werden alle Lymphomformen mit Ausnahme der Hodgkin-Lymphome zusammengefasst. Bekannt sind heute mehr als 50 Krankheitsformen, sodass die NHL eine Vielzahl an Lymphomen umfassen, die sich in ihrer feingeweblichen Struktur und auch in ihrem Krankheitsverlauf unterscheiden.
Symptome
Lymphome machen sich generell meist durch eine nicht schmerzhafte Schwellung der Lymphknoten in der Hals- und Schlüsselbeinregion, in den Achselhöhlen und/oder in der Leiste bemerkbar. Je nachdem, welche Körperregion involviert ist, kann es zu Reizhusten und Luftnot kommen oder zu Leibschmerzen und veränderten Stuhlgewohnheiten, wenn Lymphknoten in der Brust- und Bauchhöhle betroffen sind oder wenn die Leber und/oder die Milz vergrößert ist/sind.
Ist die Erkrankung fortgeschritten, treten oft Fieber, starker Nachtschweiß und ein ungewollter Gewichtsverlust auf. Die Patienten geben meist an, müde, antriebslos und in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt zu sein. Oft sind sie Infekt-anfälliger.
Hodgkin-Lymphome
Hodgkin-Lymphome werden durch Hodgkin- oder Reed-Sternberg-Zellen unter dem Mikroskop nachgewiesen. Die Stadieneinteilung folgt der sogenannten Ann-Arbor-Klassifikation:
Stadium I: Befall einer Lymphknotenregion oder lokalisierter Befall des lymphatischen Systems
Stadium II: Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf der gleichen Seite des Zwerchfells oder lokalisierter Befall außerhalb des lymphatischen Systems und von Lymphknotenregionen auf der gleichen Seite des Zwerchfells
Stadium III: Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen beziehungsweise von Organen außerhalb des lymphatischen Systems auf beiden Seiten des Zwerchfells.
Stadium IV: nicht lokalisierter, diffuser oder disseminierter Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne Befall von lymphatischem Gewebe
Untersucht werden muss außerdem, ob B-Symptome vorliegen. Risikofaktoren sind
das Vorliegen eines großen Mediastinaltumors, gemessen anhand des Röntgenbildes des Brustkorbs. Der Tumor gilt dabei als groß, wenn er ein Drittel des Brustkorb-Querdurchmessers oder mehr misst.
ein Extranodalbefall – also jede Tumorausbreitung, die über die Lymphknoten, die Milz, den Thymus, den Waldeyer-Rachenring, den Blinddarm und die Peyer-Plaques hinausgeht.
eine Blutsenkungsgeschwindigkeit von 50 mm/h bei A-Symptomen und von 30 mm/h, wenn B-Symptome vorhanden sind.
der Nachweis von drei oder mehr betroffenen Lymphknotenarealen, wobei diese nicht der Lymphknotenregion in der Ann-Arbor-Einteilung entsprechen, sondern zum Teil mehrere Lymphknoten umfassen.
Die „Deutsche Hodgkin-Studiengruppe“ teilt die Hodgkin-Lymphome entsprechend diesen Kriterien in frühe, mittlere und fortgeschrittene Stadien ein. Die Tumore reagieren in aller Regel sensitiv auf eine Strahlen- oder Chemotherapie.
Ohne Therapie verläuft das Hodgkin-Lymphom immer tödlich. Es gehört aber auch bei Erwachsenen zu den malignen Tumoren mit den höchsten Heilungsraten – derzeit können rund 80 Prozent der Patienten geheilt werden. In frühen Stadien liegt die Quote sogar bei mehr als 90 Prozent. Selbst bei einem Rezidiv sind noch langfristig gute Therapieergebnisse und Heilungen zu erwirken. Dies setzt jedoch, ebenso wie bei der Ersterkrankung, eine optimale und konsequente Behandlung in einem erfahrenen Behandlungszentrum voraus.
Non-Hodgkin-Lymphome
Die NHL gehen zu 90 Prozent aus B-Zellen (B-Zell-Lymphome) hervor und zu zehn Prozent aus T-Zellen (T-Zell-Lymphome). Die Zellen entwickeln sich aus Stammzellen im Knochenmark als Vorläuferzellen und durchlaufen anschließend in der Milz und in den Lymphknoten einen Reifungsprozess. Die B-Vorläuferzellen werden dabei zu reifen B-Lymphozyten. Sie können sich weiterentwickeln zu Plasmazellen, die Antikörper bilden und damit eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielen. Ist der Entwicklungsprozess der Zellen gestört, etwa weil sie nicht richtig reifen, reichern sie sich zum Beispiel im Lymphknoten an, was die Lymphknotenschwellung als Symptom der Erkrankung erklärt.
Die verschiedenen NHL unterscheiden sich in ihrer feingeweblichen Struktur und auch im Krankheitsverlauf. Vor allem im Kindesalter sind die meisten NHL sehr bösartig. Sie führen durch rasches Wachstum schnell zu Tumoren, die nicht selten sichtbar sind und meist auch Symptome verursachen. Langsam wachsende und somit lange Zeit symptomlose NHL sind im Kindesalter selten.
Anders ist das bei Erwachsenen, bei denen es – je nach Krankheitsart – bei Lymphomen oft Jahre dauert, ehe Symptome auftreten. Bei vielen Betroffenen bestehen bei der Diagnosestellung keinerlei Symptome, Lymphome werden bei Erwachsenen nicht selten per Zufall entdeckt.
NHL bei Kindern und Jugendlichen: NHL können prinzipiell in jedem Alter auftreten. Bei Kindern unter zwei Jahren sind sie sehr selten. Mit steigendem Alter nimmt dann die Häufigkeit bis ins Erwachsenenalter stetig zu. Geschätzt wird, dass die Diagnose NHL jährlich bei rund 120 Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 14. Lebensjahr gestellt wird. Damit sind NHL für rund sieben Prozent aller bösartigen Erkrankungen in dieser Altersgruppe verantwortlich. Jungen erkranken etwa zweimal häufiger. Jenseits des 14. Lebensjahres steigt der Anteil der NHL noch an.
Bei Kindern gehört – anders als bei Erwachsenen – die Mehrzahl der NHL zur Gruppe der unreifzelligen B- und T-Zelllymphome, die auch als lymphoblastische Lymphome bezeichnet werden. Sie werden von den großzelligen ana-blastischen Lymphomen abgegrenzt. Bei den reifzelligen Lymphomen kommt es im Kindesalter vor allem zum Burkitt-Lymphom und zum diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL).
Immerhin handelt es sich bei nahezu der Hälfte der Erkrankungen im Kindesalter um ein Burkitt-Lymphom, das typischerweise im Alter zwischen fünf und 15 Jahren auftritt und nur selten bei Erwachsenen vorkommt. Im Jugendalter entwickeln sich häufiger ein DLBCL und ein primär mediastinales B-Zell-Lymphom (PMBCL). Das Spektrum der Erkrankungen wandelt sich zunehmend hin zu den Lymphomformen, die vor allem bei Erwachsenen auftreten.
NHL bei Erwachsenen: Bei Erwachsenen werden die NHL im Wesentlichen in zwei Gruppen unterteilt: in die niedrigmalignen und in die hochmalignen Lymphome. Niedrigmaligne Lymphome, auch indolente Lymphome genannt, wachsen relativ langsam und verursachen weniger Symptome als hochmaligne Lymphome, die oft als aggressive Lymphome bezeichnet werden und sich schnell im Körper ausbreiten.
Die häufigsten NHL-Formen im Erwachsenenalter sind das Follikuläre Lymphom (FL), das diffus großzellige B-Zell-Lymphom, kurz DLBCL, sowie die Chronisch Lymphatische Leukämie (CLL). Im Unterschied zu den meisten NHL finden sich die bösartig veränderten Zellen bei der CLL nicht nur in den lymphatischen Organen, sondern sind auch im Blut nachzuweisen, was zum irreführenden Namen „Leukämie“ geführt hat. Es liegt jedoch keine Leukämie, also kein weißer Blutkrebs vor, sondern ein Lymphom, ein Lymphdrüsenkrebs.
Follikuläres Lymphom: Die Behandlungsstrategien sind sehr unterschiedlich. So handelt es sich beim follikulären Lymphom im Allgemeinen um ein langsam fortschreitendes niedrigmalignes Lymphom. In einem frühen Stadium kann eventuell eine Strahlentherapie infrage kommen. Meist wird das follikuläre Lymphom aber erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Das bedeutet nicht, dass eine sofortige Behandlung eingeleitet werden muss. Es wird vielmehr oft nach dem Prinzip „watch and wait“ vorgegangen, der weitere Verlauf aber engmaschig überwacht.
Schreitet die Erkrankung rasch fort oder stellen sich Symptome ein, wird üblicherweise eine Chemotherapie in Kombination mit einem Antikörper verabreicht. An die Akutbehandlung schließt sich meist eine Erhaltungstherapie an.
Diffus großzelliges B-Zell-Lymphom: Anders als beim follikulären Lymphom und der CLL entwickelt der Tumor sich beim DLBCL sehr rasch und es muss sofort mit einer effektiven Therapie begonnen werden. Bei der Mehrzahl der Patienten wird durch die Chemotherapie plus Antikörpergabe dennoch auch im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung eine komplette Remission erreicht. Denn die Behandlungskonzepte wurden stetig optimiert, sodass inzwischen Heilungsraten von rund 80 Prozent erzielt werden, wenn die Behandlung in der geplanten Dosierung und ohne zeitliche Verzögerung realisiert werden kann.
In ansonsten therapierefraktären Fällen kann auch eine Knochenmark- oder eine Stammzelltransplantation notwendig werden. Dabei wird zunächst mittels einer sehr intensiven Chemotherapie, eventuell in Kombination mit einer Ganzkörperbestrahlung, das Knochenmark (und damit die bösartig veränderten Zellen) zerstört. Diese Behandlungsphase wird als Konditionierung bezeichnet. Die Patienten erhalten anschließend, als Ersatz für das zerstörte Knochenmark, gesundes Knochenmark oder gesunde Stammzellen von einem Spender. Die Spenderzellen werden dabei wie eine Art Bluttransfusion in die Vene übertragen. Sie wandern aus dem Blut in die Markhöhlen der Knochen, siedeln sich dort an und bilden neue funktionstüchtige Blutzellen. Ist die Transplantation erfolgreich, so kommt die Blutbildung im Knochenmark wieder in Gang und der Patient ist dauerhaft geheilt.
Chronisch lymphatische Leukämie: Die CLL entwickelt sich ebenfalls aus B-Lymphozyten und macht etwa zehn Prozent der NHL aus. Sie gehört (wie das follikuläre Lymphom) zu den sogenannten indolenten, eher langsam fortschreitenden Krebserkrankungen. Die Betroffenen sind im Mittel 72 Jahre alt, wenn eine CLL festgestellt wird. In einem frühen Krankheitsstadium ist eine Behandlung zunächst nur notwendig, wenn Beschwerden auftreten. Ist das nicht der Fall, gilt „watch and wait“.
Schreitet die Erkrankung rasch fort oder stellen sich Symptome ein, muss eine Behandlung – in aller Regel wiederum eine Chemotherapie kombiniert mit einer Antikörpertherapie – begonnen werden. Üblicherweise wird die Antikörper-Chemotherapie für sechs Monate verabreicht. Eine weitere Option ist die Behandlung mit einem Signalweghemmer, also mit einem Wirkstoff, der die Signalübertragung in den Zellen und dadurch die Vermehrung der Krebszellen hemmt. Die Signalweghemmer werden als Dauertherapie bis zum Wiederauftreten von Symptomen verabreicht. Zeigt die CLL einen aggressiven Verlauf, kann als weitere Therapiemaßnahme ebenfalls eine Stammzelltransplantation erwogen werden.
Christine Vetter
Medizinische Fachjournalistin
Weiterführende Informationen:
Weiterführende Informationen:
Kompetenznetz Maligne Lymphome, www.lymphome.de
Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), www.krebsgesellschaft.de
Onkopedia-Leitlinien, www.onkopedia.com
Aus Sicht der Zahnmedizin
Lymphome stellen weltweit die dritthäufigste Krebserkrankung dar und machen 3 Prozent aller bösartigen Tumoren aus. Globale Fallschätzungen gehen von circa 60.000 Neuerkrankungen bei Hodgkin-Lymphomen und von 400.000 Neuerkrankungen bei Non-Hodgkin-Lymphomen aus. Im Kopf- und Halsbereich sind 2,2 Prozent aller Malignome Lymphome – die zweithäufigsten in dieser Region. Mundhöhlenlymphome stellen die dritthäufigste enorale Malignität dar, lediglich übertroffen von Plattenepithelkarzinomen und von Speicheldrüsenkarzinomen. Nichtsdestotrotz sind Lymphome in der Mundhöhle selten (3 Prozent aller Lymphome in der Allgemeinbevölkerung und 4 Prozent bei Patienten mit erworbenem Immunschwächesyndrom (AIDS)). Generell kommen nach einer aktuellen systematischen Literaturübersicht in der oralen Kavität am häufigsten B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome vor, wobei hier vornehmlich Männer im siebten Jahrzehnt betroffen sind.
Manifestationen oraler Lymphome sind oft schwer zu diagnostizieren, da ihre klinischen Merkmale andere Krankheiten wie Parodontitis, Osteomyelitis und andere Malignitäten imitieren (Abbildung 1). In ungefähr der Hälfte der Fälle entsteht primär der Verdacht auf Vorliegen einer Infektion. Daraus resultiert nicht selten eine nicht angebrachte initiale Behandlung (zum Beispiel Zahnextraktionen, parodontale Eingriffe oder Abszessspaltungen), die die per se notwendige Therapie verzögern. Insbesondere die Histologie und die Bildgebung (Knochenresorptionen und/oder -verlust, aber auch eine Verdickung des parodontalen Ligaments und ein Verlust der Lamina dura; Abbildung 2) sind daher wichtig für die diagnostische Bestätigung und eine bessere Einschätzung der Prognose. Zu den (unspezifischen) Hauptcharakteristika gehören Schwellungen, Schmerzen und Parästhesien, wobei hauptsächlich die Tonsillen, gefolgt von den Speicheldrüsen und dem Oberkiefer – als häufigste enoral-ossäre Lokalisation – betroffen sind.
Fazit für die Praxis
Orale Manifestationen von Lymphomen sind gelegentlich das erste und einzige Anzeichen einer solchen Erkrankung. Sie umfassen gewöhnlicherweise asymptomatische, weiche Schwellungen mit oder ohne Ulzeration, die hauptsächlich die Mandeln, den Gaumen, die Mundschleimhaut, das Zahnfleisch, die Zunge, den Mundboden, die Speicheldrüsen und die retromolare Region betreffen können.
Auch ein alveolärer Knochenschwund mit Ödemen und Schmerzen kann auftreten, der häufig Parodontalerkrankungen gleicht. Eine genaue Anamnese, detaillierte klinische und bildgebende Untersuchungen sowie eine aufmerksame Beobachtung von Anzeichen und Symptomen des Patienten sind entscheidend für die richtige Diagnose und eine angemessene Behandlung, was wiederum zu einer besseren Prognose führen kann.
PD Dr. mult. Peer W. Kämmerer, MA
Leitender Oberarzt/Stellvertretender Klinikdirektor
Klinik und Poliklinik für MKG-Chirurgie
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Augustusplatz 2, 55131 Mainz