Anatomische Kunststunde für US-Zahnmedizinstudenten

Zahnmedizin zeichnen

Lynn Davy/ck
Haben Sie schon einmal den zartgezackten Kamm eines Prämolaren bewundert oder die anmutige innere Neigung eines mittleren Schneidezahns wahrgenommen? Für Zahnmedizinstudenten der University of Iowa in den USA ist die zahnanatomische Kunststunde Pflicht.

Verantwortlich für den Kunstunterricht ist Prof. Hanan Elgendy. Sie arbeitet in der Abteilung für zahnärztliche Chirurgie der University of Iowa und hat das Seminar vor einem Jahr auf den Weg gebracht – als Teil des obligatorischen Zahnanatomie-Kurses für alle Erstsemester der Zahnmedizin. Die Begeisterung hielt sich anfangs in Grenzen: „Ein Kunstkurs in im Zahnmedizinstudium?“, hieß es unter Stöhnen und Augenrollen.

Anfangs wurde noch gestöhnt und mit den Augen gerollt

Doch die Studierenden merkten schnell, was ihnen der Kurs bringt. Heute ist ihr Feedback über alle Maßen positiv – viele sind Elgendy regelrecht dankbar, dass sie ihnen die Augen für die zarten Kurven, Grate, Punkte und feinen Vertiefungen eines Zahns geöffnet hat.

„Um einen abgebrochenen oder fehlenden Zahn wiederherzustellen beziehungsweise zu ersetzen, muss der Student die Biologie der Mundgesundheit verstehen, aber er muss auch die natürliche Zahnmorphologie begreifen, die er nachbildet“, sagt Elgendy. „Diese Übung bringt das Konzept in ihre Köpfe.“

„Diese Übung bringt das Konzept in ihre Köpfe!“

Ihr geht es darum, die künsterischen Fähigkeiten der Studenten zu fördern und sie dazu zu bringen, die Melange aus Wissenschaft und Kunst in der Zahnmedizin zu erkennen – und über diesen Weg die manuelle Geschicklichkeit sowie die visuelle Ästhetik - und damit ihr Können als Zahnarzt - zu verbessern.

In der Kunststunde müssen die Studenten Zahnform und -größe genau erfassen, um zuerst die komplizierten Zeichnungen und dann die realistischen Wachsmodelle erstellen zu können. „Ich denke, dass die Zeichenaufgaben dazu beitragen, wichtige anatomische Merkmale der Zähne zu identifizieren“, sagt beispielsweise Riley Gray, Zahnmedizinstudent im zweiten Jahr aus West Des Moines, der den Kurs im vergangenen Jahr besuchte.

„Die Zeichnungen waren eine großartige Möglichkeit, um die Linien- und Spitzenwinkel der Zähne zu nachzuvollziehen“, bestätigt Cody Glass, Student im zweiten Jahr aus Lancaster, Wisconsin, der 2017 ebenfalls Elgendys Kurs belegte. „Das Zeichnen war lustig und eine stressfreie Art zu lernen.“

"Das Projekt hat mir definitiv geholfen, die Krümmung des oberen Drittels des Zahns zu verstehen“, bekräftigt auch Brady Ellis, Student im ersten Jahr aus Colfax, Washington. „Ich zeichne gerne, daher macht mir diese Aufgabe Spaß, aber es ist auch eine gute Möglichkeit, den Stoff aus dem Lehrbuch umzusetzen. Ich denke, dass ich so mich besser daran erinnere, als wenn ich die Inhalte nur gelesen hätte.“

Emma Miller, Erstsemester aus Cedar Rapids, Iowa, hatte „keine Ahnung, dass Zähne so komplex sind. Mir ist einfach nicht aufgefallen, dass sie so viele Rillen und Zacken und Erhöhungen haben“, sagt sie, über ihrer Zeichnung hockend. „Ich bin alles andere als eine Künstlerin, also war ich zuerst nervös, aber ich habe das Gefühl, dass ich die Form des Zahns besser erfasse, wenn ich ihn vorher zeichne.“

Schon als Kind liebte Elgendy die Kunst

Schon als Kind liebte Elgendy, die in Ägypten aufwuchs, das Zeichnen und die Kunst. Nach der Schule ermunterten sie ihre Eltern, Medizin oder Zahnmedizin zu studieren. Sie folgte ihrem Rat, suchte aber zugleich nach einem Weg, ihre Liebe zur Zahnmedizin mit der zur Kunst zu verbinden.

Als sie 2013 an die Uni berufen wurde, kam ihr die Idee eines Anatomie-Kunstkurses. Sie habe damals beobachtet, dass die Studenten bessere Wachsmodelle herstellen, wenn sie vorher die Zähne gezeichnet hatten. Bessere Wachsmodelle führen wiederum zu besseren, also realistischeren Zahnrestaurationen und ästhetisch anspruchsvollerem Zahnersatz.

Elgendy will diese Fortschritte nun dokumentieren, um den Zusammenhang zwischen den zahnärztlichen Fertigkeiten und den frühen Kenntnissen der Zahnmorphologie, einschließlich ihres Kunstunterrichts, zu belegen.

„Mein Hauptziel ist, das Wissen der Studenten über die Zahnmorphologie zu stärken, ihre Geschicklichkeit zu verbessern, damit sie diese in verbesserte klinische Fähigkeiten übersetzen können“, sagt sie. „Ich glaube, meine Forschung wird beweisen, dass Erstsemester, die die Zahnanatomie durch Zeichnen studieren, eine bessere Wahrnehmung entwickeln und später bessere Zahnärzte sind.“

Auch Elgendys Supervisor, Prof. Steven R. Armstrong, Vorsitzender der Fakultät für Zahnmedizin, hält es für wichtig, nach neuen Wegen zu suchen, um Studenten beim Lernen zu helfen – dafür ist der Kunstkurs aus seiner Sicht ein gutes Beispiel.

„Die Fähigkeit, die verlorene Zahnstruktur durch die ursprüngliche Zahnmorphologie zu ersetzen, ist für ein optimales Kauen, für ein gesundes Zahnfleisch und natürlich für ein schönes Lächeln unerlässlich“, führt er aus. „Und genau das wollen unsere Studenten tun: In die Praxis gehen und ein schönes Lächeln schaffen.“

Lynn Davy/ck

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