Bestimmen Sie den Takt selbst!
„Zeitmanagement ist das Kernthema in jeder Zahnarztpraxis. Es ist Herzschlag und Taktgeber zugleich“, sagt der Hamburger Unternehmensberater Francesco Tafuro von „Tafuro & Team“. Welchen Takt Niedergelassene in ihrem Unternehmen vorgeben, sei dabei eine Richtungsentscheidung, die hauptsächlich von einer Frage abhänge: Was will ich für mein Leben?
Die Antwort darauf sollte jeder Niedergelassene für sich klar haben, empfiehlt Tafuro: „Im Prinzip geht es darum zu wissen, welche Ziele man beruflich und privat erreichen möchte.“ Für viele Zahnärzte, die Tafuro - selbst seit vielen Jahren mit einer Zahnärztin verheiratet - berät, sei beispielsweise eine gute Work-Life-Balance wichtig.
Wann sollten sich Praxischefs und -chefinnen Gedanken über ihr Zeitmanagement machen? „Ein guter Startpunkt ist, sich zu fragen, wie zufrieden man von der Arbeit nach Hause geht“, erklärt Tafuro. Dabei helfen unter anderem folgende Fragen: Konnte ich alles - oder doch das meiste, - das auf der Tagesordnung stand, erledigen? Wie sieht es im Durchschnitt damit aus? Wie viele Stunden wollte ich arbeiten und wie viele waren es tatsächlich? Oder auch: Spiegeln die aktuellen Behandlungen eigentlich den Schwerpunkt, den die Praxis haben soll, wider?
Klaffen Wünsche und Realität dauerhaft auseinander, wird es Zeit für eine Umstrukturierung.
Die ersten Schritte
Für die Erarbeitung eines Zeitmanagement-Konzepts schlägt der Coach ein Vorgehen in vier Schritten vor:
Schritt 1: Der Zahnarzt formuliert sein Ziel, zum Beispiel die Praxis soll wachsen oder aber die Praxis soll sich auf bestimmte Behandlungen konzentrieren und gegebenenfalls schrumpfen; ich möchte mich mit diesem Schwerpunkt etablieren oder ich möchte mehr Zeit für meine Familie.
Schritt 2: Analyse des Status quo, insbesondere des Terminsystems und der Behandlungsabläufe, durch das Erstellen einer Tätigkeits- und Zeitanalyse. In diesem Rahmen werden eine Woche lang sowohl von den Behandlern als auch den Mitarbeitern sämtliche Tätigkeiten und deren Dauer auf Laufzetteln dokumentiert, inklusive Störungen während der Behandlung. „Diese Informationen geben dem Niedergelassenen nicht nur Aufschluss über die Dauer der Behandlung, sondern auch über den Einfluss, den unerwartete Ereignisse wie kurzfristig einbestellte Schmerzpatienten auf die Praxisabläufe und die Effizienz der Arbeitsverteilung insgesamt haben“, verdeutlicht Tafuro.
Schritt 3: Entwicklung von Verbesserungsideen. Für das Konzept sollten Chefs und Chefinnen auf jeden Fall das Feedback ihrer Mitarbeiter einholen, denn diese sehen aus Erfahrung des Coachs oft viele Probleme, die die Praxisbetreiber gar nicht bemerken.
Schritt 4:Verabredung eines konkreten Konzepts mit umsetzbaren Maßnahmen und einer Probephase inklusive Controlling.
„Es macht Sinn, das neu entwickelte Zeitmanagement regelmäßig zu evaluieren, schließlich verändern sich im Laufe der Jahre einflussgebende Faktoren wie die Zusammensetzung des Teams, die gesetzlichen Rahmenbedingungen oder die Wünsche der Patienten und die der Praxisbetreiber“, so der Unternehmensberater.
Die wichtigsten Stellschrauben
Um Abläufe zu optimieren, können Praxisinhaber an ganz unterschiedlichen Punkten ansetzen. Im Zentrum sieht Tafuro dabei das Terminmanagement. Er gibt Praxischefs folgende Tipps:
Im Wochenplan sollte es feste Zeitblöcke für die großen Termine, die das Spezialgebiet der Praxis ausmachen, geben. Alle anderen Termine werden darum herum geplant. So ist gewährleistet, dass diejenigen Behandlungen, die den wichtigsten Umsatz für die Praxis bringen und den beruflichen Vorstellungen des Praxisbetreibers entsprechen, ausreichend stattfinden.
Das Behandlungsintervall (beispielsweise zehn, 20 oder 30 Minuten) sollte mit Bedacht gewählt und dabei insbesondere die Zahl der vorhandenen Behandlungszimmer berücksichtigt werden.
Bei der Terminvergabe sollte die Praxis den Patienten proaktiv Termine vorschlagen und sich nicht primär nach den Wünschen der Patienten richten. So lässt sich der Wochenplan kontrolliert füllen.
An neuralgischen Tagen wie Montag oder Donnerstag, an denen statistisch gesehen die meisten Schmerzpatienten unangemeldet kommen, sollten größere Puffer geplant sein. Eine halbe Stunde am Vormittag und am Nachmittag reichen aus.
Die Mitarbeiterinnen sollten in der Kommunikation rund um die Terminvergabe geschult sein. Unangenehmes, wie Terminabsagen, sollte mit Lösungen, etwa dem Angebot eines Alternativtermins, verbunden werden.
Für die Reorganisation des Terminsystems sollten Niedergelassene sich Zeit nehmen, empfiehlt Tafuro: „Das Terminsystem ist komplex, das macht man nicht nebenbei.“
Faktor Größe
Ab einer vierstelligen Patientenzahl pro Quartal empfiehlt der Hamburger Zahnärzte-Coach Praxisinhabern, zusätzliche Mitarbeiter für Verwaltung und Rezeption einzustellen. Sinnvoll sei außerdem, den Rezeptionsbereich mit einem Back Office zu verbinden, aus dem in Stoßzeiten Mitarbeiter an den Empfang abgerufen werden können. Die Anmeldung sollte für diese Situation mehrere Anlaufpunkte bieten. „So lässt sich vermeiden, dass schon bei der Anmeldung Verspätung entsteht, die dann in Hektik mündet und die Behandlungsatmosphäre negativ beeinflusst“, fasst Tafuro zusammen.
Ein weiterer Tipp für vor allem große Praxen: ausreichend Zeit für Sterilisations- und andere Hygieneaufgaben einplanen - und einhalten. „Ich kenne Praxen, die eine Assistentin haben, die nur mit Steri-Arbeiten beschäftigt ist. So ist sichergestellt, dass Behandlungen sich nicht verzögern, weil plötzlich Instrumente in den Schränken fehlen.“
Schnell etwas ändern
Ein ganzheitliches Konzept ist wichtig, um langfristig ein gutes Zeitmanagement in einer Praxis zu etablieren. Es gibt aber einige Maßnahmen, die Niedergelassene sofort umsetzen können.
Termine nicht nur in der laufenden, sondern auch in der nächsten und übernächsten Woche anbieten. So läuft der Terminkalender nicht einfach voll, ohne dass beispielsweise genügend Behandlungen, die den Umsatz sichern, vorhanden sind.
Eine digitale Telefonanlage installieren, die es Patienten ermöglicht, die Praxis immer zu erreichen - auch, wenn gerade alle Leitungen belegt sind. Diese Anlage sollte in Stoßzeiten mit informativen Ansagen beispielsweise zu den Öffnungszeiten Orientierung schaffen und die Möglichkeit bieten, eine Nachricht zu hinterlassen. Ein zusätzlicher Vorteil: Praxen mit einer solchen Anlage lernen viel über die Anrufgewohnheiten ihrer Patienten und können sich darauf einstellen.
Eine Telefonliste erstellen, aus der hervorgeht, für welche Anrufer der Zahnarzt während der Behandlung gestört werden darf.
Nichts geht ohne abgeben
„Unternehmer müssen Aufgaben delegieren können. Sonst laufen sie Gefahr, irgendwann Getriebene ihrer Arbeit zu werden statt sich mit ganzer Energie auf ihr Kernthema, die Zahnmedizin, zu konzentrieren“, hält Francesco Tafuro fest. „Gute Arbeit und Hektik passen auf Dauer nicht zusammen.“
In diesem Sinne brauchen Zahnärzte ein Team, das sie entlasten kann. Voraussetzung dafür ist das Formulieren klarer Regeln und Arbeitsaufträge und Deadlines für die jeweiligen Aufgaben. Tafuro: „Zahnärzte sollten die Stärken und Schwächen ihrer Mitarbeiter kennen und Aufgaben dementsprechend verteilen.“ Um Missverständnisse im Tagesablauf zu vermeiden, aus denen sich dann zeitliche Verzögerungen ergeben könnten, empfiehlt der Unternehmensberater tägliche Kurz-Meetings zum Schichtbeginn.
Fünf Zeitstunden pro Woche für die Verwaltung
Schlechtes Zeitmanagement kann sich an vielen Stellen bemerkbar machen. Läuft es nicht rund in einer Praxis, stellt sich Unzufriedenheit bei Behandlern, Mitarbeitern und letztlich auch den Patienten ein. Finanzielle und gesundheitliche Probleme wie Burn-out können die Folge sein.
„Es gibt viele Dinge, über die sich Zahnärzte als Unternehmer im Bezug auf Zeit bewusst sein müssen. Zum Beispiel, dass in einer Vollzeitpraxis ein Minimum an fünf Zeitstunden pro Woche für die Verwaltung anfällt. Dass Zeit für eigene Fortbildungen und die des Teams oder für die Personalsuche benötigt wird. Es braucht Zeit, Kostenpläne zu besprechen, Personalgespräche zu führen oder neue Geräte auszusuchen“, führt der Unternehmensberater an. „Vor allen Dingen Gründer unterschätzen die Zeit, die neben dem Stuhl anfällt.“
Im Gegensatz dazu kann gutes Zeitmanagement Wunder bewirken. Francesco Tafuro beschreibt die Vorteile so: „Praxisinhaber, die ein solides Zeitmanagement haben, sind nicht gehetzt, nicht gelangweilt oder frustriert - und nicht in Geldnöten. Vor allen Dingen aber stehen bei ihnen Arbeit und Privatleben in dem Verhältnis, das sie für sich gewählt haben. Das ist aus meiner Sicht die Voraussetzung für jeden selbstständigen Unternehmer, um gesund zu bleiben.“