Wenn der Minijob plötzlich kein Minijob mehr ist
Als Minijob beziehungsweise geringfügige Beschäftigung werden Arbeitsverhältnisse mit einem Bruttomonatsverdienst von bis zu 450,00 Euro bezeichnet. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitgeber einen pauschalierten Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeitrag abführt, während der Arbeitnehmer auf Antrag keine Abgaben zu zahlen hat.
Daneben gibt es Beschäftigungsverhältnisse im Bereich von 450,01 bis 850,00 Euro (ab 01.07.2019: bis 1.300,00 Euro), bei denen der Arbeitgeber die vollen, auf ihn entfallenden Sozialabgaben entrichtet und der Arbeitnehmer geringere Sozialversicherungsbeiträge leistet. Erst ab einem Bruttomonatslohn von 850,01 Euro (ab 01.07.2019: von 1.300,01 Euro) liegt ein voll sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor, in dem jeweils der volle Arbeitgeber- und der volle Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung abzuführen ist.
Die Besonderheit von Minijobs und Beschäftigungsverhältnissen im Bereich bis 850 Euro liegt ausschließlich im lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bereich. Arbeitsrechtlich gibt es keinen Unterschied zum regulären Arbeitsverhältnis, das heißt, es handelt sich um vollwertige Arbeitsverhältnisse mit allen arbeitsrechtlichen Rechten und Pflichten. So haben auch geringfügig Beschäftigte Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub und auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder an Feiertagen.
Gesetzliche Änderungen
Mindestlohngesetz:
Die Erhöhung des Mindestlohns auf 9,19 Euro seit dem 01.01.2019 ist weitgehend bekannt. Um das Arbeitsentgelt von 450,00 Euro nicht zu überschreiten, darf der Arbeitnehmer nun maximal 48 Stunden pro Monat arbeiten. Auch Überstunden, Urlaub und Feiertage müssen bei der Einhaltung der mindestlohnkonformen Arbeitszeit mit einbezogen werden.
Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG):
Ebenfalls zum 01.01.2019 sind Änderungen im TzBfG in Kraft getreten. Paragraf 12 enthält eine gesetzliche Vermutung zur vereinbarten Arbeitszeit für den Fall, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die wöchentliche Arbeitszeit nicht eindeutig geregelt haben – beispielsweise bei mündlich abgeschlossenen Arbeitsverträgen. Das ist bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen durchaus nicht selten anzutreffen, weil Arbeitgeber aufgrund der vermeintlich geringen wirtschaftlichen Bedeutung einen schriftlichen Arbeitsvertrag für entbehrlich halten. Bisher fingierte das Gesetz in diesen Fällen eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden. Seit dem 01.01.2019 wird aber eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden angenommen.
Im Zusammenhang mit dem geltenden Mindestlohngesetz führt diese Gesetzesänderung zu einer echten Falle, wie das nachfolgende Beispiel zeigt:
Praxisinhaber A stellt die Arbeitnehmerin X als Reinigungskraft für seine Praxis ein und vereinbart mit ihr den Mindeststundenlohn von 9,19 Euro, der auch tatsächlich von A gezahlt wird. Beide sind sich darüber einig, dass es sich bei dem Beschäftigungsverhältnis um einen Minijob handeln soll. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wird nicht abgeschlossen und X erbringt ihre Arbeitsleistung je nach Arbeitsanfall in der Praxis in wechselnder Höhe (sogenannte Abrufarbeit). Da zwischen den Parteien keine Vereinbarung über die Arbeitszeit getroffen wurde, greift die beschriebene Gesetzesänderung in Paragraf 12 Absatz 1 Satz 3 TzBfG und es wird eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden fingiert. Das bedeutet, dass zwischen den Parteien ein Mindestwochenlohn von 9,19 Euro x 20 Stunden = 183,80 Euro und damit ein Bruttomonatslohn von (183,80 Euro x 4,33) = 795,85 Euro als vereinbart gilt! Damit liegt kein Minijob mehr vor, sondern ein sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtiges Arbeitsverhältnis. Dementsprechend sind aus dem fiktiven Arbeitslohn von 795,85 Euro Sozialversicherung und Lohnsteuer zu berechnen.
Bei Prüfungen können die nicht gezahlten Sozialversicherungsabgaben und die Lohnsteuer jeweils zuzüglich der Säumniszuschläge bis zu vier Jahre vom Arbeitgeber nachgefordert werden. Als Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrags hat der Arbeitgeber in diesen Fällen sowohl den Arbeitnehmer- als auch den Arbeitgeberanteil und auch die Lohnsteuer nachzuentrichten, ohne den Arbeitnehmer rechtswirksam an diesen Nachzahlungen beteiligen zu können.
Überdies kann der Arbeitnehmer den entsprechend der gesetzlichen Fiktion höheren Arbeitslohn nachträglich einfordern. Je nach Sachverhalt drohen außerdem ordnungsrechtliche oder gar strafrechtliche Konsequenzen wegen des Verstoßes gegen das Mindestlohngesetz.
Empfehlungen
Um solche Probleme zu vermeiden, sollten Praxisinhaber die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse in ihrer Praxis baldmöglichst kritisch durchleuchten und bei Bedarf Korrekturen vornehmen:
Schriftlicher Arbeitsvertrag:
Auch für geringfügige Arbeitsverhältnisse sollte unbedingt ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen werden.
Wöchentliche Arbeitszeit benennen:
Im Arbeitsvertrag ist die Mindestlohn-konforme Vergütung sowie die wöchentliche Arbeitszeit (derzeit maximal 11 Stunden pro Woche) neben den anderen wichtigen Eckpunkten wie beispielsweise dem Urlaub zu regeln.
Die Vereinbarung einer festen wöchentlichen Arbeitszeit sollte auch bei Beschäftigungsverhältnissen erfolgen, in denen die Arbeit auf Abruf erfolgen soll, da nur auf diese Weise die gesetzliche Fiktion einer nicht erwünschten Arbeitszeit von 20 Stunden sicher vermieden werden kann. In diesem Zusammenhang regelt das TzBfG, dass der Arbeitgeber bei Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen darf. Ist eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.
Mindestlohnentwicklung:
Praxisinhaber sollten bei ihrer Personalplanung auch künftige Mindestlohnerhöhungen im Auge haben. Bei der nächsten Erhöhung ab dem 01.01.2020 auf 9,35 Euro pro Stunde wird die empfohlene maximale Arbeitszeit von 11 Stunden pro Woche immer noch in den Grenzen des Minijobs bleiben. Im Gefolge der nachfolgenden Mindestlohnerhöhungen, die gegenwärtig noch nicht feststehen, werden sich Anpassungen in den Arbeitsverträgen jedoch vermutlich nicht vermeiden lassen.
Daniela Naumann
Kanzlei Fuchs & Martin
Steuerberater / Rechtsanwälte
Zahnärzteberatung
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