Für die Zukunft gut gerüstet
„Wir kommunizieren auf Augenhöhe mit Berlin und Brüssel. Und bei allen heute anzusprechenden Problemen – summa summarum schreiben wir eine positive Geschichte“, sagte der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Peter Engel, in seinem Bericht an die Delegierten. Dennoch gibt es laut Engel für den Berufsstand Problemfelder. Ein Dauerbrenner: der 30-jährige Reformstau bei der GOZ. Dazu hatte die BZÄK eine breit angelegte Social-Media-Kampagne unter dem Hashtag #11 Pfennig gestartet, um Druck in der Öffentlichkeit aufzubauen. Engel: „Wir brauchen dringend eine Anhebung des Punktwerts und eine jährliche Anpassung an den Dienstleistungsindex.“
Eine aktuelle Herausforderung: von Fremdinvestoren gesteuerte Dentalketten. Nicht nur, dass diese I-MVZ laut Engel ihren angestellten Zahnärzten genaue Zielvorgaben zur Behandlung machen. Sie seien auch darauf ausgerichtet, ihrem Kapitalgeber einen dicken Gewinn zu erwirtschaften. Außerdem entziehen sie sich der Fachaufsicht der Kammern, da sie als GmbHs den Industrie- und Handelskammern zuzuordnen sind. Engel forderte den Gesetzgeber eindringlich dazu auf, den Patientenschutz durch Sicherstellung der freiberuflichen Leistungserbringung auch in investorenbetriebenen Strukturen zu gewährleisten. Das bedeute zugleich aber auch, junge Kollegen, die verstärkt ihre berufliche Zukunft im Angestelltenverhältnis (wozu auch Beschäftigung in I-MVZ zählt) sehen, von den Vorteilen der Niederlassung zu überzeugen.
Ein wichtiger Punkt auch: wachsende Einflüsse aus Europa. Ganz aktuell schlägt die Umsetzung der Verhältnismäßigkeitsprüfung Wellen, die bis Juli 2020 in nationales Recht umgesetzt werden soll. Ein konkreter Fall: Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns will die Umsetzung der Richtlinie dazu nutzen, für die Selbstverwaltung die Einführung einer Fachaufsicht (anstelle der Rechtsaufsicht) zu fordern. „Ein einmaliger Ausrutscher“, hofft Engel. „Sollte eine Verhinderung nicht gelingen, sind wir alle aufgefordert, hier massiv zu intervenieren.“
BZÄK-Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Oesterreich berichtete aus seinen Ressorts. Ein zentraler Bereich: die Sicherung des Fachkräftebedarfs in den Praxen. Oberste Priorität habe die Aus- und Fortbildung der ZFA. Ein Problem sei, dass etliche ZFA ihre Ausbildung abbrechen, es müssten verstärkt Initiativen gestartet werden, um sie zum Verbleib zu motivieren. Ein weiteres Feld: der berufspolitische Nachwuchs. Die jüngere Generation müsse dabei unterstützt werden, sich aktiv für die Berufspolitik zu interessieren und sich dort zu engagieren.
Neben den Bereichen Nationaler Aktionsplan Dentalamalgam, Prävention, Pflege und Ernährung brachte Oesterreich auch die Patientenberatung der zahnärztlichen Körperschaften zur Sprache. Es gebe eine ungebrochene Nachfrage der Patienten nach deren Angeboten, wesentlich mehr als bei der UPD.
Wir müssen letztlich die Prüfbürokratie bezahlen
Kritisch ging BZÄK-Vizepräsident Prof. Dr. Christoph Benz mit dem Thema Digitalisierung um: „Da wird gesagt, der Datenschutz sei den Deutschen so wichtig, dass wir auf einem ganz hohen Niveau arbeiten müssen – und dann sagt der Minister, verantwortlich dafür bleiben die Ärzte. Wir wissen doch, was ein Ministerium daraus macht: Es kommt eine Prüfbürokratie, und Zertifikate werden erteilt. Zahlen tun letztlich wir.“ Wissenschaft könne man aber nicht auf der Grundlage zufällig anfallender Daten machen, eine Korrelation sei noch lange keine Kausalität. Benz: „Das Narrativ vom BMG ist doch, zu sagen, wir bräuchten diese Daten, weil wir Deutschland in der Gesundheitsforschung nach vorn bringen wollen. Ich sage ganz klar, in der wissenschaftlichen Community besteht da überhaupt kein Konsens.“ Benz ging ferner auf das Zahnärztliche Satellitenkonto ein. Dort zeige sich, dass gerade die kleineren Praxisstrukturen ein Erfolgsparameter für den ökonomischen Fußabdruck der Zahnärzteschaft seien.
Lotta Westphal vom Vorstand des Bundesverbandes der Zahnmedizinstudierenden in Deutschland (bdzm) erhielt erstmals die Gelegenheit, vor der Bundesversammlung zu sprechen. Ihr Appell: „Die Berufspolitik sollte eine Unternehmung aller Generationen sein, in der es die Möglichkeiten gibt, Erfahrungen und Wissen weiterzugeben, um junge und kompetente Zahnärztinnen und Zahnärzte mit entscheiden zu lassen und in der frischer Input Platz hat, sich zu entwickeln.“
Sechs politische Kernforderungen
Hauptthema der Delegiertendiskussionen: die steigenden Herausforderungen im Berufsalltag und die notwendigen Weichenstellungen, um die Zahnmedizin zukunftsfest für den beruflichen Nachwuchs aufzustellen. In einer Resolution fasste die Bundesversammlung sechs Kernforderungen an den Gesetzgeber zusammen:
die Kommerzialisierung der zahnärztlichen Versorgung zu stoppen,
die Sicherstellung des Patientenschutzes auch in den Bereichen zu gewährleisten, die nicht der berufsrechtlichen Aufsicht der Zahnärztekammer unterliegen,
die Honorierung der privatzahnärztlichen Leistungen durch einen angemessenen, jährlich dynamisierten Punktwert anzupassen,
den Abbau überflüssiger Bürokratie und die Verhinderung neuer Bürokratie auf nationaler und europäischer Ebene voranzutreiben,
die Förderung der Niederlassung durch Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten,
den verantwortungsvollen Umgang mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu pflegen.
Breiten Raum nahm die Debatte um das Thema Fremdinvestoren in der Zahnmedizin ein. Einigkeit bestand darin, dass es nach der Bereichsausnahme von zahnärztlichen MVZ, wie sie im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) festgeschrieben wurde, kein weiteres „Lex Zahnärzte“ geben werde. Man müsse also hier mit der Ärzteschaft an einem Strang ziehen. Die Regelung im TSVG greife zu kurz, so die Delegierten. Sie gaben dem BZÄK-Vorstand den Auftrag, die berufsrechtlichen Regelungslücken zum Schutz der Freiberuflichkeit vor Investoren bei allen Verantwortlichen mit Nachdruck zu adressieren.
Ein weiterer Schwerpunkt: die GOZ. „Wünsch-Dir-was-Listen bringen uns hier nicht weiter“, gab Präsident Engel zu bedenken und mahnte dazu, die Möglichkeiten der GOZ (Analogberechnung nach § 2) auszuschöpfen. Die Delegierten forderten die Bundesregierung auf, den GOZ-Punktwert mit jährlicher Dynamisierung zu erhöhen.
Zu den weiteren Beschlüssen gehörte die Forderung nach Bürokratieabbau und -entlastung.
Die Bundesversammlung plädierte für eine Förderung der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Selbstständigkeit und für die Förderung junger Kolleginnen und Kollegen in der Selbstverwaltung. Ein wichtiges Thema auch: die Neuregelung der zahnärztlichen Ausbildung. Die Delegierten sprachen sich dafür aus, die Reform des ersten Studienabschnitts Zahnmedizin (gemeinsame ärztlich-zahnärztliche Vorklinik) im Masterplan Medizinstudium 2020 zu verankern. Die Bundesversammlung beschloss zudem, das zahnärztliche Gelöbnis in der Berufsordnung der BZÄK zu aktualisieren und dessen ärztliche Ausrichtung zu betonen.
Aufgrund der Wahl von Dr. Thomas Breyer zum Präsidenten der Landeszahnärztekammer Sachsen war die Position des Versammlungsleiters der Bundesversammlung unbesetzt. Die Delegierten wählten zum neuen Leiter den bisherigen Stellvertreter Dr. Kai Voss. Zur neuen Stellvertreterin bestimmten sie Dr. Doris Seiz.
Mehr zu den BV-Beschlüssen unter: www.bzaek.de/deutscher-zahnaerztetag.html
Dentales Erbe
Delegierte spenden Sitzungsgelder
Zum Erhalt und zur Archivierung der dentalhistorischen Sammlung in Zschadraß, Sachsen, hat die BZÄK die Spendenkampagne „Dentales Erbe“ gestartet (#DentalesErbe). Sachsens Kammerpräsident Dr. Thomas Breyer rief die Delegierten auf der BV dazu auf, zugunsten der Aktion auf Teile ihres Sitzungsgeldes zu verzichten. Durch Kammern und Delegierte wurden im Laufe der BV 52.000 Euro zugesagt. Damit läge das bisherige Gesamtspendenaufkommen für das dentale Erbe dann bei 102.000 Euro.
Grußwort von BMG-Staatssekretär Steffen
Dr. Thomas Steffen, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, betonte in seinem Grußwort die Erfolge der Zahnärzteschaft in der Prävention. Damit das so bleibe, müsse auch die zahnmedizinische Ausbildung aktuell bleiben, erklärte er mit Blick auf die neue Approbationsordnung. Bei der Umsetzung in den Ländern müsse man allerdings die Kosten im Blick behalten. Das für Steffen wichtigste Thema im Gesundheitswesen derzeit ist die Digitalisierung. Hier wünschte er sich, dass Forschung und Innovation in diesem Bereich schneller werden. Statt bei Diskussionen immer nur auf Risiken zu schauen, sollten die Chancen mehr in den Vordergrund treten. Er verwies auch auf die EU-Präsidentschaft, die Deutschland ab dem zweiten Halbjahr 2020 innehat. „Wir werden uns in Brüssel für die Freiberuflichkeit stark machen“, versprach er.
Dr. Thomas Steffen