Die Gustav-Korkhaus-Sammlung der Universität Bonn

Von der Mumie bis zur Siemenskugel: Was die Exponate über diesen Zahnarzt verraten

Kay Lutze
Eine Mumie mit Karies, ein Römerschädel, Pelikane und ein Haar-gefährdender Bohrer: Leiter PD Dr. Ernst-Heinrich Helfgen führt unseren Autor durch die kleinen Räumlichkeiten der Gustav-Korkhaus-Sammlung der Uni Bonn.

Die Sammlung des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Bonn zeigt eine Fülle interessanter Exponate, die mit dem Gründer - Kieferorthopäde Gustav Korkhaus - und seinen zahnmedizinischen Kollegen in Verbindung stehen.

Der Großwildjäger Korkhaus erlegte Löwen, Bären, Nashörner - und Flusspferde

Einige Exponate verdankt die Sammlung Korkhaus' Jagdleidenschaft. Wie der Leiter der Sammlung, PD Dr. Ernst-Heinrich Helfgen, berichtet, erlegte Korkhaus nicht nur Tiere in heimischen Gefilden, sondern war auch als Großwildjäger unterwegs: Neben einem Löwenschädel finden sich in der zoologischen Sammlung ein Nashorn-, ein Bärenschädel - und Haifischzähne. Die Vitrine mit den Tierschädel-Präparaten gibt dem Besucher einen guten Überblick über die große Bandbreite tierischer Zähne.

Helfgen erzählt währenddessen, wie aufwendig die Konservierung des Flusspferdschädels war: Auf die gute Entfettung des Exponats kam es dabei an.

Der Mumienkopf aus Kairo wurde zu oft geröntgt

Der Reiseleidenschaft ihres Gründers verdankt die Sammlung auch einige Humanschädel, wie den Kopf einer Mumie aus der Zeit 100 v. Chr., den Korkhaus aus Kairo mitgebracht hatte.

Eine genaue Altersbestimmung mit modernen Methoden ist leider nicht mehr möglich, da das Exponat zuvor zu häufig geröntgt wurde. Die erhaltenen Zähne an dem Mumienkopf zeigen auch Spuren von Karies und lassen darauf schließen, dass die Person einer höheren Gesellschaftsschicht angehört hatte.

In der Geschichte über die Zahnklinik der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn steht über den Menschen Gustav Korkhaus folgende Passage:

„Erholung und Entspannung von der großen beruflichen Last findet Gustav Korkhaus im Kreise seiner Familie und auf der Jagd in Manscheid/ Eifel. Daneben widmet er sich in der sparsam bemessenen Freiheit mit Vorliebe den Schöpfungen der bildenden und darstellenden Künste. Nach Rückkehr von seinen großen Auslandsreisen macht er sich stets zur Pflicht, einen interessierten Zuhörerkreis nicht nur über seine Reiseerlebnisse, sondern mit begeisternder Sachkenntnis über die großen Leistungen alter Kulturvölker, wie der Ägypter, Perser, Inder oder Azteken aus eigener Sicht zu berichten.“

(aus: Kremer, H., Geschichte der Klinik und Poliklinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn, Bonn 1967, S.178).

Ebenfalls zu sehen: Ein Römerschädel aus Trier, den Prof. Ernst P. Sauerwein der Sammlung geschenkt hatte. Der aus Trier stammende Sauerwein wurde 1916 geboren und erhielt 1948 nach seiner Kriegsgefangenschaft die Promotion zum Dr. med. dent. und die Approbation als Zahnarzt.

Seit 1965 hatte Sauerwein mit anderen die Schriftleitung der Deutschen Zahnärztlichen Zeitschrift inne. 1967 erfolgte die Ernennung zum ordentlichen Professor und Direktor der Universitätszahnklinik in Bonn.

Behandlungsstuhl von 1900

Aus dem Bestand von Sauerwein stammt auch ein Behandlungsstuhl von etwa 1900 - passend dazu werden eine zeittypische Lampe und eine Tretbohrmaschine gezeigt. Der Behandlungsstuhl ist untypisch für die Zeit, da die Sitzfläche aus reinem Holz besteht und nicht wie üblich mit einem Samtpolster bezogen wurde.

Maria Josephine Sauerwein: Frühe Pionierin der Zahnheilkunde

In der Sammlung erinnert auch eine kleine Tafel an die Großmutter von Prof. Sauerwein. Die 1859 im heutigen Rheinland-Pfalz geborene Maria Josephine Sauerwein besuchte 1894/95 das Lehrinstitut von P. Volland in Berlin, um sich in „Zahnheilkunde und Zahntechnik“ ausbilden zu lassen.

Nach bestandener Ausbildung erhielt sie ein Lehrzeugnis und eröffnete in Trier ein sogenanntes Zahnärztliches Atelier. Das Praxisschild wird in der Sammlung gezeigt. Dass eine Ehefrau und Mutter einen solchen Weg ging, der durch das Gesetz zur Gewerbefreiheit erlaubt war, rief verständlicher Weise in der damaligen Zeit auch einigen Protest hervor.

„Trotz Anfeindungen hatte sich aber wohl bald in Trier herum gesprochen, dass Josephine Sauerwein ihr Handwerk verstand.“ Wie ihr Sohn, der Zahnarzt Dr. Nikolaus Sauerwein, berichtete, „waren es anfangs ihrer Tätigkeit die Nonnen verschiedener Trier Klöster, die ihre Patientinnen wurden. Bei einer Frau brauchten sich die Nonnen nicht zu schämen, ihre Haube auszuziehen“. Die „Nönnchen zogen dann auch die “Kleriker„ nach, es kamen immer mehr Patienten“ (zitiert von der Texttafel in der Sammlung). 1911 eröffnete  Sauerwein mit ihren beiden Söhnen eine Gemeinschaftspraxis, im Jahr 1925 starb sie in Trier.

Neben der Schädelsammlung bilden die Behandlungsstühle einen weiteren Schwerpunkt der Sammlung. Präsentiert wird unter anderem ein Feldlazarettstuhl aus dem Zweiten Weltkrieg. Dazu passend wird ein zahnärztliches Instrumentenbesteck aus dem Jahre 1943 auf dem Originalarbeitstisch von Korkhaus' Zahntechniker gezeigt.

Zahnärztliches Instrumentenbesteck von 1943

Die weitere Entwicklung der Behandlungsstühle in der zahnärztlichen Praxis verdeutlicht der von Siemens 1951 auf den Markt gebrachte "Adjutor". Gustav Korkhaus hat den Stuhl mit gearbeitet - er zählte zum Gründungsmobiliar der Zahnklinik in Bonn. Zu dem Stuhl gehörten auch auf Schienen montierte Schränke, die an den Stuhl herangefahren werden konnten. Die Siemenskugel, ein Röntgengerät, das ab 1933 gebaut wurde, ist einen weiteren Bestandteil aus einer Zahnarztpraxis.

Die Gefahr bei diesem Bohrer: Er zog Haare hinein!

Chronologisch weiter geht es mit einem Stuhl, den die US-amerikanische Firma Ritter Ende der 1950er/ Anfang der 1960er Jahre produziert hatte. Die Firma Ritter stellte seit Ende des 19. Jahrhunderts Behandlungsstühle für Zahnarztpraxen her.

Der Behandlungsstuhl besaß eine sehr hohe Qualität und fasste praktisch mehrere Instrumente an einer Stelle zusammen. Problem beim damaligen Bohrer war, dass die Antriebsriemen außen und offen lagen, so dass zum Beispiel die Gefahr bestand, dass Haare hineingezogen werden konnten.

Ein Set der Firma Maillet für Goldhämmer-Füllungen

Ein weiterer Schwerpunkt der Gustav-Korkhaus-Sammlung: zahnärztliche Instrumente, wie Pelikane, Hebel oder Spritzensysteme, die aus dem 18. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert stammen. Gezeigt wird etwa ein Set der Firma Maillet von Anfang des 20. Jahrhunderts für Goldhämmer-Füllungen.

Einen guten Überblick zeigt die Sammlung auch über die Entwicklung von Artikulatoren. So werden Artikulatoren von dem Schweizer Zahnmediziner Alfred Gysi (1865-1957), wie der Gysi Trubyte von 1926 präsentiert oder ein Artikulator der Firma Seitz und Haag, den Korkhaus mitentwickelt hatte und der in Bonn zur Ausbildung der Studenten verwendet wurde.

Buchtipp: Rheinische Wunderkammer, 200 Objekte aus 200 Jahren Universität Bonn 1818-2018, Herausgegeben von Klaus Herkenrath und Thomas Becker mit Fotografien von Volker Lannert, Göttingen 2017, ISBN: 978-3-8353-3139-6. Darin werden auch neun Exponate der Gustav-Korkhaus-Sammlung beschrieben.

Kay Lutze

Historiker, M.A.

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