„Auf Instagram bin ich Lifestyle-Bloggerin“
Frau Gründer, wie hat Ihre Karriere als Influencerin angefangen?
Julia Gründer: Begonnen habe ich auf Instagram mit einem Fitness-Account, der damals „gymaholicjulie“ hieß. Ich hatte zwar schon vorher einen Nebenjob in einem Fitnessstudio, aber plötzlich mehr Zeit, weil ich eine Prüfung aufgrund eines fehlenden Punktes nicht bestanden hatte und ein Jahr warten musste, bevor ich sie wiederholen durfte. So habe ich den Fitnesshype genutzt, der zu diesem Zeitpunkt anlief. Bereits nach kurzer Zeit wurde ich von Sportmarken angeschrieben, ob ich deren Kleidung auf meinen Fotos und in meinen Videos tragen will. Zu jener Zeit war ich noch Microinfluencerin mit knapp 1.500 Followern, hatte aber schon ein gutes Like-Follower-Verhältnis. Inzwischenfolgen meinem Instagram-Account @be_julieful mehr als 20.000 Follower.
In Ihren Posts tragen Sie Accessoires wie Uhren, Schmuck oder Gürtel, präsentieren Kleidung, auch für Sport, zeigen Bilder aus dem Urlaub und welche zusammen mit Ihrem Lebenspartner. Nach welchen Kriterien wählen Sie aus, was Sie bewerben und was nicht?
Grundsätzlich bewerbe ich nur Produkte, die ich selber gut finde. Sonst funktioniert das nicht. Die Sachen müssen einfach in meinen Feed passen. Abgelehnt habe ich zum Beispiel eine Kooperationsanfrage einer Sektmarke. Ich möchte keinen Alkohol bewerben, schließlich trinke ich selbst kaum welchen. Und deshalb werde ich meinen Followern auch nicht vorgaukeln, er sei lecker. Gern bewerbe ich aber zum Beispiel eine oszillierende Zahnbürste. Ich habe selber eine, die schon zehn Jahre hält, das ist gefühlt wie eine Langzeitstudie. Die reinigt richtig, und ich habe weniger Beläge und weniger Zahnstein. Aber sowas wie Kokosnusszahnpasta kommt mir nicht in den Feed. Denn mich macht wirklich glücklich, wenn mir Follower schreiben, dass sie für meine Tipps dankbar und mit den Produkten zufrieden sind.
Für wen posten Sie?
Meine Hauptzielgruppe ist zwischen 18 und 28 Jahren alt. Das sind zum größten Teil Mädchen und junge Frauen, die sich von meinem Lifestyle inspirieren lassen wollen. Auf Instagram teile ich aber nicht nur Bilder mit Schmuck oder Kleidung, sondern auch Gedanken. Natürlich bekomme ich dafür von Freunden ein anderes Feedback als von meinen Followern.
Die meisten Kommentare fallen freundlich und bewundernd aus, bis hin zu heller Begeisterung. Kommen auch böse Bemerkungen oder gar Angriffe?
Wenn ich Essen mit Fleisch poste, schreiben mich ab und zu Vegetarier oder Veganer an, wie es sich vereinbaren ließe, tierlieb zu sein und trotzdem Fleisch zu essen. Da antworte ich dann: „Ich sage Ja, denn meiner Meinung nach ist unser Grundnahrungsverhalten das eines Fleisch- und Pflanzenfressers. Unser Körper ist physiologisch so konzipiert, dass wir wichtige Bestandteile für unseren Organismus von tierischen Produkten erlangen. Ganz wichtig: Ich respektiere jeden Vegetarier oder Veganer und würde niemals versuchen, jemanden diesbezüglich zu belehren. Aber meine Liebe zu den Tieren – die ja selbst oft Fleischfresser sind – versuche ich damit zu unterstützen, indem ich Biofleisch von der Theke und grundsätzlich Eier aus Freilandhaltung beziehe“ (Siehe Screenshot rechte Seite). Zum Glück gab es noch nie richtig bösartige Kommentare.
Influencerin zu werden und diese Position zu halten, kostet Zeit.
Mein Anspruch ist, auf Follower gut zu reagieren. Das hängt natürlich von der Zeit ab, welche Schicht ich gerade habe und sonstigen Umständen. Im Schnitt wende ich zwei bis drei Stunden am Tag auf. Bilder müssen ja nicht nur gemacht, sondern auch bearbeitet, die Postings geschrieben, auf Kommentare geantwortet werden.
Ihre – fast alle als Anzeige gekennzeichneten – Posts ergänzen Sie oft mit Rabattcodes, die man auf den jeweiligen Shoppingseiten eingeben kann, zum Teil in in Höhe von 40 Prozent. Wie kommt das zustande?
Mit den Firmen handle ich Rabatte aus oder Gutscheine für Gewinnspiele. Wie hoch die Rabatte dann werden, ist Verhandlungssache. Ich finde, dass es sich auch deshalb lohnt, mir zu folgen.
Wenn Sie Selfies von sich zeigen, sieht man natürlich das Smartphone. Wer aber schießt die anderen Fotos?
Ab und zu arbeite ich mit regionalen Fotografen zusammen. Das Modell heißt „Time for Photos“ und ist beiderseits unbezahlt. Ich bekomme die Bilder, und das Studio darf mich als Referenz aufnehmen. Wenn ich zum Beispiel von Hochzeitsfotografen abgelichtet werde, bin ich für sie eine Portfolio-Erweiterung. Die allermeisten Fotos mache ich aber selbst.
Als Influencerin steht man immer vor der Frage, wieviel Privates man preisgibt. Wie lösen Sie das Dilemma, weder zu offenherzig noch zu verschlossen zu wirken?
Meine Familie zeige ich grundsätzlich nicht, sie ist auch gar nicht medienaffin. Mein Partner ist das Maximum, das ich von meinem Privatleben preisgebe. Er ist nicht auf Instagram, wirkt aber wie ein Schutzschild, wenn ich mich gemeinsam mit ihm zeige. Das hält genügend unangenehme Anfragen oder unpassende Angebote ab.
Kommt es zwischen Ihrer zahnärztlichen Tätigkeit und Ihrem Influencer-Dasein zu Konflikten?
Grundsätzlich bin ich glücklich mit meiner Studienwahl und gehe in meinem Beruf auf. Einen möglichen Interessenkonflikt sehe ich nicht. Auf Instagram bin ich Lifestyle-Bloggerin – und Zahnmediziner sind ja generell nicht so Instagram-affin, genau wie die Dentalindustrie.
Wo haben Sie Zahnmedizin studiert, und wie haben Sie Ihr Studium finanziert?
An der Uni Greifswald. Mein Studium habe ich fast komplett selbst finanziert. Ich komme nicht aus einer Zahnarztfamilie. Mein Vater ist Elektriker, meine Mutter Altenbetreuerin. Kursumlagen zum Beispiel müssen Studenten in Greifswald komplett selbst tragen, das sind 400 Euro pro Kurs. Oder die Lupenbrille für 1.500 Euro, Winkelstücke zu 800 Euro für zwei Stück, der Artikulator auch für 800 Euro. Manches konnte ich gebraucht kaufen, trotzdem waren viele Nebenjobs nötig. Wie eben der als Fitnesstrainerin. Ab dem fünften Semester habe ich als Tutorin gearbeitet, in Phantomkursen und im Kurs „Problemorientiertes Lernen“, abgekürzt POL. Das POL ist Teil des Modells „Früher Patientenkontakt“, eine Greifswalder Spezialität. Da habe ich die „Erstis“ in Hospize und Altersheime begleitet, wo sie erfahren haben, wie man mit diesen speziellen Patienten umgeht.
Seit Mitte März arbeiten Sie als Assistenzzahnärztin in einer Praxis am Timmendorfer Strand, in einem Ihrer Posts sprechen Sie von einer „Traumpraxis“. Was ist so toll?
Ich wusste gleich, hier fühlst du dich wohl. Weil mich der Hund meines jetzigen Chefs schon am Tag des Gesprächs vor der Tür begrüßt hatte. Alles war angenehm locker, die ZFAs wirkten überhaupt nicht gestresst, sondern haben mich wirklich freundlich angelächelt. Ich hab es gern unkompliziert. Auch der Probearbeitstag lief gut. Der Praxisinhaber, Dr. med. dent. Alexander Eipel, sieht es übrigens positiv, was ich so nebenbei auf Instagram mache.
Die Fragen stellte Marko T. Hinz.