Editorial

Der Primat der Politik

Uwe Axel Richter

Die SPD ist laut RTL/n-tv Trendbarometer Anfang der zweiten Maiwoche auf 15 % abgesackt. Bei 15 % wird es nun langsam, aber sicher schwierig mit dem Anspruch Volkspartei zu sein. Schuld ist Kevin! Ja, Kevin Kühnert, der Juso-Vorsitzende, der BMW verstaatlichen und so den Kapitalismus überwinden wollte. Ob er es immer noch will, ist nicht bekannt. Aber sicher ist, dass er es für die nächste Zeit nicht mehr wollen darf, so jedenfalls die Führungsriege der SPD. Jedenfalls nicht laut. Sigmar Gabriel, Ex-SPD-Vorsitzender und Ex-Mehrfach-Minister nutzte die Gunst der Stunde, um sich in die Schlagzeilen zu bringen, und unterstellte dem „Beamtenelternbengel“ die „Methode Donald Trump“. Das war nun wirklich dicke Keule, gilt Trump bei den Granden der SPD doch als „Gottseibeiuns“.

 Nun kann und sollte man sich in einer Parteien-, sorry, ich meinte parlamentarischen Demokratie, mit den politischen Ansichten auseinandersetzen, aber auch hier tat man dies mal wieder rein alibimäßig. Denn die Thesen sind beileibe nicht neu, sondern seit Jahren Beschlusslage der SPD-Jugendorganisation. Das ist doch kein Kleckersleverein, sondern die Kaderschmiede der SPD, aus der spätere Kanzler, Ministerinnen und aktuelle Fraktionsvorsitzende hervorgegangen sind. Man möchte fast schreien: Ja liest denn keiner mehr die Papiere?

An dieser Stelle ließe sich mal wieder trefflich diskutieren, wie es denn nun richtig heißt: das oder der Primat der Politik? Aber um die etymologischen Tiefen dieses Wortes auszuleuchten, müsste man halt lesen. Das hätte den schönen Nebeneffekt, dass man häufiger wüsste, wovon man redet.

 Womit wir nun in der Gesundheitspolitik und beim aktuellen Knallerthema „Pflicht zur Masernimpfung“ angekommen sind. 300 Masernfälle sind bis dato gemeldet, die Politik fordert eine Impfquote von 95 %, um die „Masern auszurotten“. Hätte der Minister den Report des Robert-Koch-Instituts gelesen und auf Fakten statt auf Volkes Gefühl und vor allem erkrankte Vorschulkinder gesetzt, dann hätte er sich die via Bildzeitung verkündeten Strafgelder von 2.500 Euro für Impfverweigerer wohl erspart. Denn in Deutschland ist gar kein singulärer Masernimpfstoff verfügbar, vielmehr wird mit einem Kombinationsimpfstoff gegen Masern-Mumps-Röteln (MMR) erstimmunisiert und aufgefrischt. Ein kurzer Blick auf die Zahlen. 2017 haben 97,1 Prozent der Kinder die Erstimpfung mit MMR erhalten, die Auffrischimpfung immer noch 92,8 %. Spitzenreiter ist Brandenburg mit einer Quote von 98,6 % und 95,5 %, Schlusslicht Baden-Württemberg mit 95,2 % und 89,1 %. Der Unterschied zum Vorjahr ist marginal. Während die neuen Bundesländer auch bei den anderen Impfungen vorne liegen, gilt dies für den reichen Süden nicht. Das sollte hinsichtlich der einzuschlagenden Strategie zu denken geben – umso mehr, als die aufgetretenen Fälle von Masernerkrankungen zur Hälfte Erwachsene betrafen. Müßig zu erwähnen, dass der MMR-Impfstoff nur für unter 50-Jährige empfohlen ist. Was soll also eine singuläre Impfpflicht für Masern? Und bis zu welchem Alter soll diese angesichts des in Deutschland verimpften MMR-Impfstoffs erfolgen? Wenn also die großen Impflücken bei den Erwachsenen zu verorten sind, wird doch klar, dass beim Impfschutz in früheren Jahren „geschlurt“ worden ist.

Meines Erachtens ist dieses Situation ohne Aufklärung nicht lösbar, vor allem nicht ohne die stete Erinnerung an anstehende Impftermine. Da liegt der Schlüssel, denn Hardcore-Impfgegnern kommt man auch mit Strafzahlungen nicht bei. Statt mit Strafgeldern zu drohen, wäre wohl eher ein Anruf bei der gematik zwecks zügiger „Impf“-Spezifikation der elektronischen Patientenakte zielführender. Vielleicht sollte das BMG aber als Erstes über schnell Umzusetzendes nachdenken und das Impfen an und für sich erleichtern. Der Präsident des RKI, Prof. Lothar H. Wieler, schlägt vor, dass „fachübergreifendes Impfen unabhängig von Bundesland und Kasse Normalität sein, Betriebsärzten das Impfen erleichtert werden und auch automatisierte Impferinnerungen Standard sein sollten“.

 Womit wir bei impfenden Zahnärztinnen und Zahnärzten wären. Denn gemäß einem kürzlichen Vorschlag des Ministers soll zum Zwecke der Steigerung der Grippeschutzimpfung diese doch aus der ärztlichen Praxis in die Apotheken verlagert werden. Was den Verband der ZahnÄrztinnen stante pede veranlasste, gleiches Recht für alle zu fordern. Tja, wenn es denn nur ausreichend verfügbare Grippevakzine gäbe! Gibt es aber in Deutschland(!) nicht, dafür aber eine Menge rigider Regeln …

Dr. Uwe Axel RichterChefredakteur

Dr. Uwe Axel Richter

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