Hyperaktivität gibt es bei dem Thema nicht!
Mit so vielen Mails und Anrufen von Lesern zu meiner Kolumne zum Thema Personalmangel habe ich wirklich nicht gerechnet. Sogar Kammervertreter gaben mir ein Feedback. Die Reaktionen reichten von „Was kann ich denn konkret machen?“ (von Zahnärztinnen und Zahnärzten, 14 Kontakte) über „Wie könnte man unterstützen?“ (von in Kammerfunktionen gewählten Zahnärztinnen und Zahnärzten, 5 Kontakte) bis zu „Unfug!“, „Wird nicht passieren!“, „Panikmache“, „Dann mach ich eben dicht!“ (Beide Gruppen, 8 Kontakte).
Den dritten „Lösungsansatz“ muss man sich allerdings leisten können. Ist das nicht der Fall, möchte ich nachfolgend einige Lösungsvorschläge zur Diskussion stellen. Vieles davon wird in manchen Kammern bereits umgesetzt. Angesichts der schieren Größe der Aufgabe plädiere ich nachdrücklich dafür, dass sich alle Kammern in ein Boot setzen und neben den notwendigen regionalen Maßnahmen auch zentrale Aufgaben definieren. Dabei ist Zeit eine sehr knappe Ressource, da auch alle anderen Branchen entsprechend aufrüsten werden.
Da viele Zahnärzte nach konkreten Ansatzpunkten gefragt haben, fasse ich diese hier stichpunktartig zusammen. Einzelne Punkte werden dann in den nächsten Kolumnen weiter ausgeführt.
Was wollen wir in fünf Jahren erreichen?
Auch wenn 5-Jahres-Pläne die gedanklich falschen Assoziationen triggern mögen – für die Definition des Ziels und die dafür notwendigen Schritte sind sie unerlässlich. Gestalten wir also einen 5-Jahres-Plan mit folgenden Zielgrößen:
weitere 25.000 ZFAs mit Aufstiegsqualifikation (derzeit etwa 25.000 von 210.000 insgesamt)
Steigerung der Ausbildungsverträge von ZFAs von derzeit 14.000 pro Jahr auf mindestens 16.800 (plus 20 Prozent)
Qualifizierung von 50 Prozent aller in der Versorgung aktiven Zahnärztinnen und Zahnärzte in der sogenannten Zwei-Hand-Technik, nehmen wir der Einfachheit halber 25.000 bis 30.000
Innovationsruck und Professionalisierung mindestens bei den Mehrbehandlerpraxen (rund 10.000 ZAP) im Bereich- Qualitätsmanagement- Einbestellungssystematik
Fokussierung auf die Kernkompetenzen der Praxis und konsequentes Outsourcing von Aufgaben und Tätigkeiten, die die das Team belasten, aber von Dienstleistern günstiger erbracht werden könnten
Was Sie in Ihrer Praxis tun können
Wichtig ist, die eigene Situation und die des Praxisteams zu bewerten. Wo stehen Sie, wo die Mitarbeiter, wo das Team? Um ein möglichst objektives Bild zu erhalten, eignen sich strukturierte Mitarbeiterbefragungen, die relativ aufwandsarm durchzuführen sind. Hierzu gibt es entsprechende digitale Angebote. Das ist Voraussetzung, um die eigene Praxis zur lokalen Arbeitgebermarke aufzubauen. Visualisieren Sie, dass Sie ein „guter“ Arbeitgeber sind! Dafür reichen Logo und Website nicht aus.
Bemühen Sie sich um Auszubildende auch durch die stete Ansprache von Eltern und Schülern.
Ohne Zweifel – Personal kostet Geld. Es ist nicht zielführend, Mitarbeiter so billig wie möglich einzukaufen, sondern passend zu der Rolle, die sie für die Praxis und im Team ausüben sollen. Denken Sie in Wertschöpfung, dann liegt eine Budgeterhöhung für das Thema Personal nahe, vor allem bei der Fortbildung.
Legen Sie den eigenen Fokus mehr auf strategische Themen. Dazu gehört auch, dass Sie Ihren eigenen Fortbildungsfokus untersuchen: Wie viele Fortbildungen besuchen Sie zu kurativen Themen und wie viele zu Management-, Steuerungs- und Personalthemen? Beide Fortbildungsbereiche sollten sich mittelfristig die Waage halten.
Stellen Sie eine Agenda zum „Herunterfahren von einfachen Tätigkeiten“ auf.
Leben Sie Qualitätsmanagement.
Modernisieren Sie die Einbestellungssystematik.
Führen Sie Mitarbeiter-, Team- und Jahresgespräche.
Planen Sie Personal- und Teamentwicklung.
Was die Kammern tun können
Einrichtung beziehungsweise Ausbau eines hauptamtlichen Personalressorts, das sich vornehmlich um die Rekrutierung von Auszubildenden kümmert. Zielvorgabe könnte zum Beispiel sein, die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um 20 Prozent im Bundesland zu steigern.
Werbung an Schulen (soweit möglich)Einbindung des lokalen Werbeträgers in die jeweiligen Werbemaßnahmen. Wer das ist? Die Praxen vor Ort, denn sie sind das lokale Aushängeschild.
Präsenz auf Jobmessen, um die tollen Seiten der Zahnmedizin, das Ästhetische, das Abwechslungsreiche, die guten Aufstiegsmöglichkeiten – und auch die entsprechenden Gehälter – herauszustellen.Ich besuche häufig Jobmessen, und wenn sich einmal eine Kammer wie etwa die IHK dorthin verirrt, dann ist das Standkonzept oft unglaublich langweilig. Ergo kommt kaum ein Interessierter zum Gespräch und das Feedback lautet hinterher immer: „Lohnt sich nicht!“ Dabei ist es gar nicht so schwer, Aufmerksamkeit zu wecken. Nur ein Beispiel: Stellt man gut sichtbar auf den Messestand einen Stuhl und macht ein Live-Bleaching, ist die Schlange fast schon garantiert. Und da Bleaching nicht innerhalb von Minuten funktioniert, hat man viel Zeit, die Schülerinnen und Schüler mit den Ideen zur Zahnmedizin zu überzeugen. Wichtig: Für eine solche Maßnahme muss natürlich ein Zahnmediziner anwesend sein, zudem ist es eine kosmetische Behandlung, weshalb auf Volljährigkeit geachtet werden muss.
Die Kommunikationskanäle nutzen und bespielen, die die Interessierten auch erreichen.
Erstellung eines Qualifikationskatalogs 2025 für Zahnmediziner und ZFAs
Konkretisieren der Maßnahmen, indem die Zielzahlen auf die Praxen im Land heruntergebrochen werden. Aufklären und Einbinden der Praxen in Maßnahmen und Planszenarien. Dazu gehören auch regelmäßige Recalls.
Kampagne Berufszukunft
Im Ergebnis zeigt sich: Anpacken, jeder für sich, ohne auf andere Stakeholder zu warten. Sie können gar nicht genug Aktivität zu diesem Thema zeigen. Alles zahlt darauf ein, dass die Situation sich bessert oder zumindest nicht verschlechtert.
In diesem Sinne…
Ihr Christian Henrici