Auf die Zusatzklauseln kommt es an!
In den meisten Versicherungsbedingungen ist eine Pandemie ausgeschlossen und somit auch der mögliche Schadensanspruch durch das Coronavirus. Auch das Infektionsschutzgesetz bietet für die „Bedrohung von nationaler Tragweite“ durch COVID-19 nur teilweise eine Entschädigung. Da die Lage noch nicht abschließend beurteilt werden kann, bleiben Ausagen und Empfehlungen oft vage.
Der Versicherungsschutz hängt im Wesentlichen davon ab, welche Deckungsvereinbarungen im Vertrag festgehalten sind. Die meisten Policen schließen allerdings den Pandemiefall aus – und können in aller Regel auch nicht einfach ad hoc ergänzt werden. Lediglich die HDI-Versicherung lässt aktuell unter bestimmten Voraussetzungen und nach Prüfung des Einzelfalls noch unterzeichnen.
Dabei ist die eigene Erkrankung mit dem Coronavirus und der daraus resultierende krankheitsbedingte Betriebsausfall anders zu bewerten als die Reduzierung der Behandlungen als reine Vorsichtsmaßnahme. Diesen Ausfall fängt in der Regel keine Versicherung auf. Jeder Praxisinhaber sollte seine privaten Versicherungen aber gezielt durchlesen und prüfen, rät der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Schließlich gibt es verschiedene Deckungsvarianten und unterschiedliche Versicherungsmodelle. Eine SARS-CoV-2-Infektion beziehungsweise die Erkrankung COVID-19 ist gegebenenfalls mit der „Seuchen-Klausel“ oder der Quarantäneklausel gedeckt.
Ist Corona höhere Gewalt?
Darüber hinaus gibt es die Allgefahrendeckung zum Beispiel durch die „Force-Majeure-Klausel“, die bei Betriebsschäden durch höhere Gewalt einspringt. Aber ist Corona als höhere Gewalt einzustufen? Genau das ist umstritten – und wird grichtlich entschieden werden müssen. Die meisten Arzt- und Zahnarztpraxen verfügen freilich gar nicht über diese Zusatzvereinbarung, gibt das Versicherungsmanagement für Unternehmen der Funkgruppe zu bedenken.
Auf einen Blick
Wie sind die vereinbarten Versicherungsvereinbarungen und -bedingungen meiner Praxis? Gibt es eine Seuchen-Klausel?
Rückwirkend kann kein erweiterter Schutz vereinbart werden.
Schadensablehnungen gegenprüfen lassen, spezialisierte Anwälte können dabei unterstützen.
Solange es keine behördlich angeordnete Schließung der Praxis gibt, greift die Ausfallversicherung nicht.
Bei behördlicher Anordnung kommt das IfSG für den Gewinnverlust auf, nicht aber für die laufenden Betriebskosten.
Der Verlust des aus der Selbstständigkeit erzielten Einkommens kann eine Krankentagegeldversicherung auffangen.
Fällt der Praxisinhaber wegen COVID-19 oder Quarantäne aus, kann eine Vertretung über dieLandeszahnärztekammer organisiert werden.
Eine Infizierung ist schwer nachzuweisen, ebenso die eigene Ansteckung durch einen Patienten.
Achtung bei Neuverträgen: Die Versicherungen reagieren auf die Krise und nehmen Kriterien wie den Ausschluss von Pandemien oder sechs Monate Wartezeit bis zur Ausschüttung auf.
Mit fortschreitendem Stadium werden Leistungen zunehmend stärker eingeschränkt. So sind mittlerweile die Ausfallfolgen durch das aktuelle Corona-Virus nicht mehr generell versicherbar, sondern nur noch nach erfolgreicher Einzelfallprüfung, verdeutlichen sowohl der GDV als auch Peter Grimm, Kuratoriumsvorsitzender der Medical Network Stiftung, ein unabhängiger Verein, der unter anderem Zahnärzte berät.
Grimm weist stattdessen auf die Betriebsausfallversicherung beziehungsweise die Betriebsschließungsversicherung hin. Diese kann Leistungen erbringen, falls die Praxis aufgrund einer Infizierung des Zahnarztes geschlossen werden muss. Sie übernimmt die laufenden Betriebskosten, wenn der Inhaber als Leistungsträger aufgrund der eigenen Erkrankung nicht arbeiten kann. In der Pandemie-Zeit greift sie allerdings nur, wenn die Praxis auf behördliche Anordnung geschlossen wird. Verlangt die zuständige Behörde, dass zum Beispiel noch Notfall- oder Schmerzpatienten behandelt werden sollen, der Praxisbetrieb also in reduzierter Form besteht, ist der Ausfall kein Versicherungsfall. Je nach Bundesland kann es zu unterschiedlichen Anordnungen – und damit Ansprüchen – kommen.
Entscheiden sich die Praxisinhaber für die Schließung oder die Einschränkung des Praxisbetriebs aus Vorsicht vor der Pandemie, wird die Argumentation gegenüber der Versicherung schwierig. Eine Ausschüttung ist unwahrscheinlich.
Der individuelle Ausfall aufgrund der Infektion ist dagegen in den meisten Verträgen versichert, sollte die Praxis nicht durch einen Vertreter fortgeführt werden. Hier muss aber tatsächlich zwischen dem entstehenden Vermögensnachteil der Praxis und den privaten Kosten unterschieden werden. Was in den privaten Bereich fällt, ist über die Firmenversicherung nicht gedeckt, betont Grimm.
Schließung aus Vorsicht bleibt eigene Sache
Die Berufshaftpflichtversicherung als Pflichtversicherung deckt Behandlungsfehler in Form von Schmerzensgeld sowie Schäden, die durch Dritte in der Praxis verursacht worden, zum Beispiel durch Angestellte. Sollte es zu einer nachweislichen Ansteckung kommen, muss die Versicherung kontaktiert werden. In den meisten Fällen ist ein Versicherungsschutz aber ausgeschlossen oder stark begrenzt. Eine Infektion in der Praxis ist bei Einhaltung der strengen Hygieneauflagen eher unwahrscheinlich, der Nachweis darüber schwierig. Im Beweisfall gilt die Einzelfallprüfung.
Für jede Versicherung zählt grundsätzlich die Frage nach der Schuldhaft, also ob eine Person schuldhaft gehandelt hat oder sogar vorsätzlich. Das lässt sich schwer nachweisen, eben auch bei einer Infektion mit dem Coronavirus in der Zahnarztpraxis.
Auch die Betriebsunterbrechungsversicherung kommt im Seuchenfall nicht auf. Sie deckt nur Sachschäden, etwa durch Feuer, Wasser, Einbruch oder Diebstahl, die zur Betriebsunterbrechung führen.
Und auch die Betriebsausfallversicherung als Bestandteil der Betriebsinhaltversicherung oder auch Inventarversicherung kommt nur für Sachschäden auf und leistet daher in der Regel nicht im Seuchenfall. Doch auch sie sollte geprüft werden. In einer extra vereinbarten Betriebsschließungsklausel könnten Umsatzverluste durch nicht genutzte Behandlungsgeräte ausgeglichen werden.
Hilft eine Betriebsschließungsversicherung?
Die Betriebsschließungsversicherung tritt ein, wenn im versicherten Betrieb selbst Krankheiten oder Krankheitserreger auftreten und die zuständige Behörde die Schließung anordnet. Das heißt: Das Infektionsschutzgesetz und Versicherungsschutz gehen in der Regel von einer behördlichen Einzelverfügung aus, die auf die Krankheit oder den Krankheitserreger im betroffenen Betrieb abstellt. Eine Pandemie oder die Schließung eines von Krankheit nicht betroffenen Betriebs aus Gründen der allgemeinen Sicherheit fallen üblicherweise nicht darunter. Die Betriebsschließungsversicherung ist daher in der Regel keine Pandemie-Deckung.
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
Den Verdienstausfall muss der Zahnarzt durch private Vorsorge auffangen. Den eigenen Arbeitsausfall im Betrieb kann eine Krankentagegeldversicherung decken, rät Jochen Pimpertz , Leiter des Kompetenzfelds Öffentliche Finanzen, Soziale Sicherung, Verteilung vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Diese zahlt bei Umsatzverlust aber nur bei direkter Erkrankung des Versicherungsnehmers, abzüglich einer Karenzzeit.
Und was ist mit dem Infektionsschutzgesetz?
Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) regelt die Entschädigung seitens des Staats. Es tritt in Kraft, wenn eine Zahnarztpraxis durch behördliche Anordnung geschlossen werden muss. Die daraus resultierenden Verdienstausfälle werden durch staatliche Hilfe kompensiert. Allerdings nicht vollumfassend, denn gezählt wird hier lediglich der Gewinn, also der Ertrag der Praxis, nicht jedoch der Umsatz, der Wareneinsatz und weitere Betriebskosten, darunter auch die Löhne. Für die Differenz kommt, je nach Leistungsvereinbarung die private Betriebsausfallversicherung (oder auch Praxisausfallversicherung) auf.
Die Behörde prüft im Pandemie-bedingten Schließungsfall den Gewinn der Praxis und ersetzt diesen Schaden „in angemessenem Maß“. Grimm weist darauf hin, dass im behördlich angeordneten Schließungsfall des zahnärztlichen Betriebs kein Ersatz für die laufenden Kosten der Praxis gegeben ist. Daher ist es wichtig, die privat abgeschlossenen Versicherungen zu prüfen und dort, wenn möglich, Leistungen zu fordern. „Derzeit in der Corona-Krise ist das von Fall zu Fall, von Praxis zu Praxis unterschiedlich“, erklärt er.
Fazit
Fast jede niedergelassene Zahnarztpraxis verbucht derzeit empfindliche Einbußen wegen ausgefallener Behandlungen. Für den Praxisausfall durch Einschränkungen durch die Corona-Pandemie kann jetzt im Nachhinein keine Extra-Klausel mehr im Versicherungsvertrag aufgenommen werden. Auch die Versicherungen müssen erst sondieren, wie diese Pandemie und deren Schäden im Versicherungsschutz eingeordnet werden. Es gibt Versicherungen, die kulant sind und Ausfälle teilweise kompensieren.