Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB

So bewältigt das UZB in Basel die Corona-Krise

Andreas Stutz
In der Schweiz gab es kaum COVID-Patienten, die zwingend zahnärztliche Hilfe brauchten. Trotzdem war der Effekt auf die Kliniken riesig. UZB-Chef Andreas Stutz berichtet, wie sein Haus durch die Krise kam.

Gegen Ende Januar 2020 nahmen wir im UZB zum ersten Mal bewusst Kenntnis von einem Virus, der sich von China aus über die Welt zu verbreiten schien. Als erste Maßnahme haben wir unser Dentaldepot aufgefordert, die Bestände an Masken, Desinfektionsmitteln und Handschuhen aufzustocken – eine Maßnahme, die sich in der Folge als goldrichtig erweisen sollte.

Ab Ende Februar: Hände schütteln verboten!

Bereits am 31. Januar lag ein erstes Konzept zum Umgang mit Verdachtsfällen vor. An allen Eingängen wurden Händedesinfektionsmittelspender aufgestellt und Mitarbeiter und Patienten aufgefordert, beim Betreten des Gebäudes die Hände zu desinfizieren.

Zuerst blieb es relativ ruhig, aber ab dem 25. Februar ging es Schlag auf Schlag. Die ersten Fälle traten in der Schweiz auf. Die Verunsicherung bei Patienten und Mitarbeitern nahm enorm zu. Es gab unzählige Informationen und Gerüchte.Deshalb war es wichtig, nur „offizielle“ Informationen weiterzugeben – dies hat sich sehr bewährt. Am 27. Februar haben wir entschieden, dass „Hände schütteln“ im UZB ab sofort verboten ist, dies noch bevor das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine entsprechende Weisung erteilte. Einen Tag später war die Krise mit der Absage von Großveranstaltungen wie beispielsweise der Fasnacht endgültig bei uns angekommen. Sofort war ein deutlicher Rückgang der Patientenzahlen zu spüren.

Anfang März hatten wir die ersten Mitarbeiter, die positiv auf Covid-19 getestet wurden, was zu einer noch größeren Verunsicherung bei der Belegschaft führte. Immer mehr trat auch das Thema der Risikogruppen in den Vordergrund: Wer darf noch arbeiten, wer sollte zu Hause bleiben, was sind die arbeitsrechtlichen Konsequenzen, etc. Das BAG und die kantonale Verwaltung publizierten Merkblätter und Weisungen im Stundentakt und es war enorm anspruchsvoll, den Überblick zu behalten. Bis Mitte März wurden im UZB bereits viele Maßnahmen umgesetzt respektive geplant, bei denen es aufgrund der vorliegenden Informationen wahrscheinlich war, dass sie früher oder später eh ergriffen werden mussten. 

Anfang März: Der erste Mitarbeiter ist infiziert

Am 13. März kündigte der Bundesrat an, dass die Schulen geschlossen werden. Am 15. März preschte Baselland vor und kündigte die Schließung von Läden und Geschäften mit Publikumsverkehr an. Diese Maßnahmen dehnte der Bundesrat am 16. März auf die ganze Schweiz aus und verfügte, dass im (zahn)medizinischen Bereich nur noch Notfallbehandlungen zugelassen sind. Der Lockdown war Tatsache. Am Folgetag traf sich der Krisenstab des UZB, um die COVID-19-Verordnung II des Bundesrats so rasch wie möglich umzusetzen. Es entstand ein entsprechendes Betriebskonzept und ab dem 19. März war das UZB im reinen Notfall-Modus angekommen. Das Betriebskonzept umfasste folgende wichtige Elemente:

  • Alle Stockwerke mit Ausnahme des Erdgeschosses wurden geschlossen, Patiententermine um- oder abbestellt, Öffnungszeiten angepasst.

  • Vortriagierung bezüglich möglicher COVID-Erkrankung und Einrichtung eines COVID-Zimmers zur Behandlung von Verdachtsfällen

  • Umstellung auf Online-Lehrbetrieb mittels Zoom

  • Umstellung auf Homeoffice soweit möglich

  • Aufschalten einer webbasierten und passwortgeschützten Info-Plattform für die Mitarbeiter

Ab 19. März: UZB Im Notfallmodus

Der Krisenstab traf sich in der Folge nur noch virtuell. Es stellten sich immer wieder Detailfragen: Wie verhält sich die Lüftung in den Behandlungszimmern? Können die Fenster genügend geöffnet werden? Bringt ein Luftreinigungsgerät etwas? Kann weiterhin mit Lachgas behandelt werden? Welche zusätzlichen Reinigungsmaßnahmen sind notwendig? Welche Mundspüllösungen sollen verwendet werden? Der gemeinsame Standort, die moderne Infrastruktur und die enge organisatorische Verzahnung der Kliniken mit der zentralen Leitung erwiesen sich nun als großer Vorteil.

„Es ändert sich nur das anzuwendende Sicherheitsprotokoll“

Covid-Ambulanzen in Italien

Eine belastbare Zahl, wie viele COVID-Patienten in Italien zahnmedizinisch versorgt wurden, gibt es nicht, sagt Dr. Ferruccio Berto, Vize-Präsident des italienischen Zahnärzteverbands ANDI im Interview – und berichtet, warum in seinem Land keine eigenen Strukturen für die zahnärztliche Notfallbehandlung während der Pandemie aufgebaut werden mussten.

Herr Dr. Berto, wie ist die zahnärztliche Notfallversorgung von COVID-Patienten in Italien organisiert?

Dr. Ferruccio Berto:

In Italien werden die Patienten mit Verdacht auf COVID-19 isoliert. Patienten, auch mit schwachen Symptomen, die auf COVID-19 zurückzuführen wären, werden in öffentlichen Krankenhäusern auf der Isolierstation untergebracht, damit sie eine adäquate Pflege bekommen können. Die zahnärztliche Notfallbehandlung für diese Patienten wird im Krankenhaus selbst durchgeführt.

Patienten, die nicht isoliert wurden, aber potenzielle Überträger des Virus sein könnten, werden in privaten Praxen behandelt. In Italien wird die zahnärztliche Versorgung zu etwa 97 Prozent aller Fälle in privaten Praxen durchgeführt. Man hat sich für dieses Modell entschieden, um die öffentlichen Krankenhäuser zu entlasten. Gleichzeitig wird der Umlauf von infizierten Patienten beschränkt.

In Italien mussten wegen des Corona-Virus keine speziellen Strukturen für die zahnärztliche Notfallbehandlung eingerichtet werden? Richtig. Seit jeher gehört es zur Ausbildung der italienischen Zahnärzte, bei Infektionen und sehr gefährlichen Krankheitserregern eine Behandlung durchführen zu können. Dies ist Teil des Curriculums in der Weiterbildung. Dank dieser Voraussetzung ist es uns gelungen, die sozialen Notstände wie die Verbreitung von Hepatitis B und C oder in den 1980er-Jahren das Virus HIV kontrollieren zu können. Es wurde nur eine ganz geringe Zahl an Ansteckungen unter den Patienten sowie unter den Zahnärzten und dem Personal der Praxen registriert.

In diesem Kontext ist nun ein Virus aufgetaucht, das sich auf eine ganze andere, neue Art verbreitet, aber gestoppt werden kann – es ändert sich nur das anzuwendende Sicherheitsprotokoll. Ein definitiv neuer Aspekt ist die Luftzirkulation; die Anwendung einer gründlichen Desinfektion sowie die Schutzkleidung für das Personal benötigen eine besondere Sorgfalt.

Wie funktioniert die Patientensteuerung zwischen Kliniken und Privatpraxen?

Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die präventive telefonische Triage. Falls Symptome beschrieben werden, die auf eine COVID-Erkrankung zurückzuführen sind, oder falls der Patient sich in Gebieten mit einem hohen Infektionsrisiko aufgehalten hat, kann er nicht in einer Privatpraxis behandelt werden, sondern wird an die öffentlichen Einrichtungen überwiesen. Die privaten Praxen behandeln weiterhin zahnärztliche Notfälle, jedoch nicht die bestätigten COVID-Fälle. Der Grund liegt auf der Hand: Die privaten Praxen unterstützen die öffentlichen Strukturen darin, deren Arbeitsbelastung zu verringern, indem die Patienten nicht zu den schon überbelasteten Einrichtungen gehen, wo sie möglicherweise infizierte Patienten antreffen, aber sie können sich auch nicht erlauben, ein Infektionsüberträger zu werden.

Wie viele solcher Patienten sind bisher behandelt worden?

Bis zum heutigen Tag können wir keine statistisch fundierte Antwort auf diese Frage geben, besonders weil es eine sehr große Anzahl asymptomatischer Fälle bei diesem Virus gibt.

Dr. Ferruccio Berto ist Vize-Präsident des italienischen Zahnärzteverbands ANDI.

Die Fragen stellte Marius Gießmann.

Ab dem 19. März wurden während des Lockdowns noch etwa 50 Patienten pro Tag behandelt im Vergleich zu den üblichen 350 bis 450 Patiententerminen. Dank der frühzeitigen Aufstockung des Schutzmaterials herrschte im UZB diesbezüglich nie ein Engpass. Trotzdem war die Beschaffung ein Dauerthema. MNS-, FFP2- und KN95-Masken wurden auf allen möglichen und unmöglichen Kanälen beschafft, teils zu Preisen, die Wochen vorher noch undenkbar waren.

Von 400 auf 50 schrumpfte die Zahl der Patienten

Mitte April war dank der sinkenden Fallzahlen absehbar, dass es eine Lockerung der Maßnahmen auch für den zahnärztlichen Bereich geben könnte. Entsprechend machte sich der Krisenstab Gedanken, wie der Betrieb nach einer allfälligen Aufhebung des Lockdowns wieder hochgefahren werden konnte. So waren wir am 16. April bereits gut vorbereitet, als der Bundesrat grünes Licht gab, dass ab dem 27. April wieder praktisch alle zahnärztlichen Behandlungen erlaubt werden, allerdings unter strengen Schutzauflagen.  

COVID-Ambulanzen Dänemark

Wenn möglich werden Behandlungen verschoben

In Dänemark werden zahnärztlichen Notfälle von einer telefonischen Anlaufstelle beurteilt. Dort wird festgestellt, ob eine suffiziente vorläufige Behandlung ohne persönlichen Kontakt möglich ist, etwa durch die Verordnung von Schmerzmitteln oder Antibiotika, erklärt Dr. Freddie Sloth-Lisbjerg von der dänischen Dentalvereinigung DDA. Die Idee: Zahnärztliche Notfälle bei COVID-19-infizierte Patienten oder -Verdachtsfällen sollen so verschoben werden, bis der Patient 48 Stunden symptomfrei ist und die Behandlung ohne Infektionsgefahr durchgeführt werden kann. Dieser Ansatz habe sich bewährt, heißt es vonseiten der DDA. Bis jetzt hätten alle zahnärztlichen Notfälle bei COVID-Patienten oder -Verdächtigen „telefonisch geklärt werden können“.

Falls dies nicht möglich sein sollte, wird der Patient zum COVID-19-Test bestellt, erläutert Sloth-Lisbjerg. Davon gibt es 16 Stück im ganzen Land. Fällt der Test negativ aus, kann die Behandlung durch eigener Zahnarzt folgen, bei einem positiven Befund und dringendem Behandlungsbedarf wird der Patient an den COVID-19-Notfalldienst überwiesen. Hierfür gibt es in jeder der fünf dänischen Regionen (vergleichbar mit den Bundesländern in Deutschland) jeweils ein regionales COVID-19-Center, wie etwa im Krankenhaus Lillebält in Kolding. Bis jetzt sei es jedoch nicht nötig gewesen, in diesen Centern Patienten zu behandeln, sagt Sloth-Lisbjerg.

Die größte Herausforderung für den Restart lag und liegt in der Einhaltung der Abstandsregeln bei Vollbetrieb, wenn neben den 280 Mitarbeitern und 100 Studierenden während eines Tages 350 bis 450 Patienten im Haus zirkulieren. Darum wurde beschlossen, die Patientenzahlen über vier Wochen langsam hochzufahren. Das Betriebs-konzept enthält unter anderem folgende wichtige Maßnahmen:

  • Schrittweise Ausdehnung der Öffnungszeiten

  • Versetzte Arbeitsbeginn-, Mittags- und Arbeitsende-Zeiten für die einzelnen Kliniken

  • Zeitlich versetztes Einbestellen der Patienten

  • Einrichtung eines zusätzlichen Empfangsschalters

  • Einrichten einer Zugangs-Signalisation zum Gebäude, die auf Rot geschaltet wird, wenn sich zu viele Personen im Foyer befinden.

  • Maskenpflicht für alle Personen, die sich im Haus bewegen

  • Fiebermessung und Ausfüllen eines Triage-Blatts für alle Patienten

  • Benutzung von FFP2-/ KN95-Masken, Face Shields und Kopfhauben bei Behandlungen, bei denen sich Aerosole nicht vermeiden lassen.

  • Weitgehender Verzicht auf Ultraschall und Verbot der Benutzung von Airflow und Turbinen

Ab dem 11. Mai durften mit ausdrücklicher Genehmigung des BAG auch die klinischen Kurse für die Studierenden wieder durchgeführt werden, obwohl der Präsenzunterricht an den Universitäten ansonsten noch verboten ist. Seit dem 18. Mai ist das UZB wieder im Vollbetrieb. Nach wie vor gilt, dass Arbeit so weit möglich im Homeoffice geleistet wird, der Vorlesungsbetrieb ausschließlich via Zoom erfolgt und sämtliche Meetings online stattfinden.

Abgesehen vom großen finanziellen Schaden ist das UZB relativ gut durch die Corona-Krise gekommen. Insgesamt sind vier Mitarbeitende positiv auf COVID-19 getestet worden, glücklicherweise sind alle wieder gesund. Die größte Herausforderung sind die Behandlungseinschränkungen für die Dentalhygienikerinnen und die Prophylaxe-Assistentinnen, da der weitgehende Verzicht auf Ultraschall die Arbeit enorm erschwert.

Lic. rer. pol. Andreas Stutz

ist seit 2016 CEO in der Geschäftsleitung des Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel (UZB).

COVID-Ambulanzen Österreich

In Österreich sollen die drei staatlichen Universitätszahnkliniken in Wien, Graz und Innsbruck sowie die private Sigmund Freud-Universität in Wien die zahnärztliche Notfallbehandlung von COVID-Patienten sicherstellen. Bisher gab es lediglich in Graz zwei Fälle, die behandelt werden mussten. Der eine Patient war beim Auftreten der Beschwerden wegen seiner COVID-Infektion bereits stationär versorgt, ein weiterer wurde als Verdachtsfall behandelt, erklärt eine Sprecherin. Das Konzept der Klinik definiert unterschiedliche Maßnahmenkataloge für die drei Phasen Notbetrieb (rasch steigende Infektionsausbreitung), erweiterter Notbetrieb (verzögerte Infektionsausbreitung) und reduzierter Normalbetrieb (geringe Infektionsausbreitung).

Lic. rer. pol. Andreas Stutz

Seit 2016 CEO in der Geschäftsleitung des Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel (UZB).

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.