Das ändert sich für Zahnarztpraxen!
Zahnärzte erbringen überwiegend Heilmittelbehandlungen, die nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Demnach sind sie in den meisten Fällen nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Es gibt dennoch ein paar Aspekte zu beachten und auch die ein oder andere Einsparung kann sich durch die Änderung bis zum Ende des Jahres ergeben.
Der neue Steuersatz muss zunächst in der Praxissoftware beziehungsweise im Abrechnungssystem angepasst werden. Jede ein- und ausgehende Rechnung ist auf den neuen, korrekt ausgewiesenen Steuersatz zu prüfen. Ist der alte Steuersatz auf einer ausgehenden Rechnung abgebildet, schuldet der Praxisführer diese Differenz theoretisch dem Finanzamt.
Relevant ist der Zeitpunkt der Leistungsausführung
Allgemein gilt: Soweit nichts anderes bestimmt ist, gilt der neue Umsatzsteuersatz für Lieferungen und Leistungen, die ab Juli ausgeführt beziehungsweise erbracht werden (§ 27 Abs. 1 Satz 1 UStG). Wann die betreffenden ausgeführten Leistungen bezahlt werden, spielt dabei keine Rolle, auch der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder das Datum der Rechnung sind nicht entscheidend. Relevant ist nur der Zeitpunkt der Leistungsausführung. Das ist zum Beispiel bei Warenlieferungen die Übergabe und bei der Erbringung von Dienstleistungen der Zeitpunkt ihrer Vollendung. Aber Achtung: Vertragspartner müssen die Preissenkung allerdings nicht zwingend an den Zahnarzt weitergeben.
Leistungen, die bereits im ersten Halbjahr begonnen wurden und über den 1. Juli hinausgehen, werden mit dem neuen Umsatzsteuersatz abgerechnet. Davon können sowohl der Zahnarzt als auch der Patient profitieren. Bei Unklarheiten ist es ratsam, noch einmal Rücksprache mit dem Steuerberater zu halten.
Für alle bis zum 30. Juni ausgeführten Umsätze beträgt der Regelsteuersatz 19 Prozent – zum Beispiel für kosmetische Leistungen, Botox ohne Heilbehandlung oder dem Verkauf von Prophylaxe-Artikeln. Für die in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember ausgeführten Leistungen wird der Regelsteuersatz auf 16 Prozent gesenkt und ab dem 1. Januar 2021 wieder auf 19 Prozent erhöht. Für alle bis zum 30. Juni ausgeführten Umsätze, für die der ermäßigte Steuersatz – zum Beispiel für Prothetik – zur Anwendung kommt, gilt der Steuersatz von 7 Prozent. Für alle in der Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember ausgeführten Leistungen wird der ermäßigte Steuersatz auf 5 Prozent gesenkt und ab dem 1. Januar 2021 wieder auf 7 Prozent angehoben.
Hier ergeben sich Einsparungen
Einsparungen können Material-, Anschaffungs-, Werbe- und Fortbildungskosten betreffen und auch die Miete, insofern diese mit der Mehrwertsteuer berechnet wird. Im Eigenlabor sind also Ersparnisse für das Material drin. Bei Fremdlaborleistungen kommt es zu keiner Ersparnis, da diese durchlaufende Posten in der Praxis darstellen (Kasten). Die Patienten spüren hier die Kostenreduktion.
Leistungen von Handwerkern werden durch die Mehrwertsteuersenkung günstiger. Stehen eine Reparatur oder ein Umbau an, kann die Ausführung bis Ende des Jahres vorteilhaft sein. Investitionen sind günstiger, da auch hier der Brutto-Preis sinkt. Es könnte sich daher lohnen, bis Jahresende den Vorrat für Verbrauchsartikel aufzustocken. Bei größeren Anschaffungen ist natürlich auch die Ersparnis größer: Wird etwa ein Gerät für 50.000 Euro erworben, beträgt die Ersparnis 1.500 Euro durch die neue Mehrwertsteuer. Diese Einsparung geht jedoch verloren, wenn Händler und Hersteller die Netto-Preise anheben oder die Mehrwertsenkung nicht an die Kunden weitergeben.
Infos für die Praxis
a) Zahnarztpraxis mit Eigenlabor
Ärztliche und zahnärztliche Heilbehandlungen sind gemäß § 4 Nr.14 a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Das gilt nicht für die Lieferung von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaten, soweit sie der Zahnarzt in seinem Unternehmen im eigenen Labor hergestellt hat. Die Überlassung von kieferorthopädischen Apparaten ist dennoch steuerfrei, wenn der Umsatz insgesamt durch die Dienstleistung des Kieferorthopäden (Heilbehandlung) geprägt wird, da es sich dann um eine einheitliche (medizinische) Dienstleistung handelt, bei der die Lieferung des kieferorthopädischen Apparats quasi unentbehrlich ist.
Diese einheitliche Betrachtung kommt für die Lieferung von Zahnprothetik durch den Zahnarzt nicht zum Tragen, vielmehr gilt hier ein Aufteilungsgebot. Danach kommt es zu einer steuerpflichtigen Lieferung von Zahnprothetik einerseits, und andererseits zu einer steuerfreien zahnärztlichen Heilbehandlung. Erst durch diese zahnärztliche Heilbehandlung, der Eingliederung der Prothetik ins Gebiss des Patienten wird der Umsatz vollendet und die Umsatzsteuer entsteht im Zeitpunkt der Eingliederung der prothetischen Arbeit (Verschaffung der Verfügungsmacht). Das heißt, sofern die Eingliederung erst nach dem 1. Juli 2020 erfolgt, kommt auch für die Eigenlaborleistung der Steuersatz von 5 Prozent zum Tragen.
b) Zahnarztpraxis mit Fremdlabor
Die Herstellung und Lieferung der Prothetik erfolgt in diesem Fall durch das gewerbliche Fremdlabor. Die Steuer für das Fremdlabor entsteht mit der Lieferung vom Labor an den Zahnarzt. Alle Lieferungen ab dem 1. Juli erfolgen folglich mit 5 Prozent Umsatzsteuer. Der Zahnarzt erbringt in diesem Fall keine Umsatzsteuer-pflichtigen Leistungen, da es sich um einen durchlaufenden Posten handelt.
c) kosmetische Leistungen und Verkauf von Prophylaxe Artikeln
Die Umsatzsteuer für die Erbringung von kosmetischen Leistungen beträgt 16 Prozent, sofern die Leistung nach dem 1. Juli 2020 erbracht und vollendet ist. Für Prophylaxeartikel, die ab dem 1. Juli 2020 verkauft werden, gilt der Umsatzsteuersatz von 16 Prozent.
d) Anzahlungen
Anzahlungen sichern keinen Steuersatz. Beispiel: Anzahlungen, die im November 2020 für Leistungen gezahlt werden, die erst nach dem 31. Dezember 2020 beendet werden. Hier ist die Leistung mit dem dann wieder gültigen Steuersatz von 7 Prozent abzurechnen.
e) Was ist sonst zu beachten?
Anpassung der Praxissoftware an die jeweiligen Steuersätze
Prüfung der Rechnungseingänge ab 1. Juli 2020 auf die Richtigkeit des Steuersatzes: Bei falschem Steuerausweis sollten Sie Rücksprache mit dem Lieferanten halten.
Überprüfung der Daueraufträge beziehungsweise Rücksprache mit Vertragspartner (umsatzsteuerpflichtige Miete, Leasingraten) bezüglich der Anpassung der Zahlungsbeträge. Lassen Sie sich vom Vertragspartner eine neue Dauerschuldrechnung mit dem derzeitig gültigen Steuersatz ausstellen.
f) Kleinunternehmerregelung
Die Grenze für die Kleinunternehmer ist ab dem Jahr 2020 von 17.500 auf 22.000 Euro angehoben worden (§ 19 (1) UStG).
Quelle: KZV Land Brandenburg, Dipl.-Oec. Frank Pfeilsticker, Steuerberater