Ein Hauch von Starbucks nur für Zahnis
Campusnah und einladend – so präsentiert sich das seit Anfang Oktober in einem ehemaligen Antiquitätengeschäft ansässige „Zahnforum Halle“. Hier sollen angehende Zahnmediziner Gleichgesinnte, Rat und Unterstützung finden. Freies W-LAN und kostenloser Kaffee inklusive. Eine kleine Heimat, 90 Quadratmeter Zukunft. „Wir sind ein bisschen wie Starbucks für die Zahnmedizinstudenten“, erklärt Dr. Jochen Schmidt, Vorstandsvorsitzender der KZV Sachsen-Anhalt (KZV LSA) gegenüber den zm.
Starbucks mit Anspruch, denn vor Ort werden Tutorien, Repetitorien und Seminare angeboten. Die „Praxislotsen-Gespräche“, bei denen Praxisabgeber und -übernehmer eine Stunde lang Experten kostenlos ihre Fragen stellen können, sind bis Januar ausgebucht. Sie sind ein weiterer Baustein der Zahnforum-Idee. Jungen Zahnärzten soll damit die Angst vor der Selbstständigkeit genommen werden.
Kostenlose Crashkurse vor der Prüfung
Beamer und Laptop stehen zur Verfügung, die erste Abendveranstaltung hat schon stattgefunden – ein Tutorium für eine Prüfung. 30 interessierte Studierende waren anwesend. Im Kalender des Zahnforums Halle (www.zahnforum-halle.de) stehen unter anderem „Crashkurs“-Termine von Anatomie bis Kassenrecht. Das Angebot wird von der KZV kostenlos zur Verfügung gestellt.
„Die größte standespolitische Herausforderung ist derzeit, dem Schwund zahnärztlicher Praxen in ländlichen und strukturschwachen Regionen entgegenzutreten“, sagt Schmidt, „die Lage in Sachsen-Anhalt ist kritisch.“ Das Problem ist seit Jahren bekannt: Allein 2019 haben im Bundesland 70 Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte ihre Zulassung abgegeben. Nur in 37 Fällen war die Übergabe an junge Kollegen und Kolleginnen erfolgreich. Die Erfolgsquote liegt damit bei 52,9 Prozent. 33 Praxen fanden keinen Nachfolger.
Einmal geschlossen, immer geschlossen
Unterteilt in Stadt und Land lag die Zahl der beendeten Zulassungen in Städten bei 15 – davon wurden 12 weitergeführt. Auf dem Land fanden sich bei 55 beendeten Zulassungen nur 25 junge Übernehmer, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagten. 30 Praxen gingen dem Bundesland unwiederbringlich verloren. „Wenn eine Praxis einmal schließt, wird sie nie wieder aufgemacht“, sagt Schmidt. Das hat einen unerfreulichen Nebenaspekt, denn die übrigen Praxen, müssen bedeutend mehr Patienten behandeln als vorher: „Damit spielen wir langfristig die restlichen Praxen kaputt“, veranschaulicht Schmidt die Lage. „Wenn wir uns Prognosen der demografischen Entwicklung für die kommenden Jahre anschauen, wissen wir schon heute, dass wir arg ins Schwimmen kommen werden.“
Dabei verlassen in Halle an der Saale jedes Jahr 40 neu ausgebildete Zahnärzte und Zahnärztinnen die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Ausbildungsbedingungen sind exzellent. Doch nach dem Studium zieht es viele in die Ferne. Und die Chancen, Zahnmediziner aus anderen Bundesländern nach Sachsen-Anhalt zu locken, sind gering, da viele andere Bundesländer dasselbe Problem haben. Dennoch will das Zahnforum Halle nichts unversucht lassen, obwohl Schmidt nüchtern feststellt: „Selbst wenn alle Studenten, die an der Uni in Halle-Wittenberg ausgebildet werden, in Sachsen-Anhalt bleiben, kann das die Verluste nicht decken.“
Auch die Standespolitik sucht Nachwuchs
Schmidt will den Zahnis im Forum selber zur Verfügung stehen. „Ich bin Zahnarzt, meine Frau ebenfalls und mein Sohn ist frisch approbierter Zahnarzt. Wir sind also direkt Betroffene, mit uns kann man vor Ort ins Gespräch kommen.“ Ohne Anzug und Krawatte, stattdessen unkompliziert bei einem Kaffee. Schmidt hat die Hoffnung, dabei ein weiteres Thema elegant anzusprechen, denn auch standespolitischer Nachwuchs wird dringend gesucht: „Wir brauchen Menschen, die sich engagieren und etwas bewegen wollen.“
Auch die Politik hat die Bedeutung des Themas erkannt: Zur Eröffnung des Zahnforums kam Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU). Er lobte das neue Projekt als ein „herausragendes Beispiel dafür, wie man junge Menschen erreichen und sie für Sachsen-Anhalt und die Potenziale der ländlichen Regionen begeistern kann“.
Schmidt fände es natürlich schön, wenn das auch Studenten aus anderen Bundesländern erkennen würden. „Wir haben ein wunderschönes Bundesland, hier herrscht unter Zahnärzten große Kollegialität. Wir bieten dem Nachwuchs die Chance, seinen Beruf in Praxen zu überschaubaren Preisen auszuüben. Sachsen-Anhalt ist wunderschön, wir haben hervorragende Kunst- und Kulturschätze und eine schöne Landschaft.“ Die Mieten seien erschwinglich, die Kinderbetreuung laut Schmidt „sehr gut“. Und auch das Datennetz werde im ländlichen Raum derzeit verstärkt ausgebaut. Dabei ist ihm bewusst, dass es anderen Bundesländern ähnlich geht. „Wir gehen nicht mit Kopfprämien an andere Unis. Das Dümmste wäre, wenn wir uns als Länder gegenseitig bekämpften.“