Review aus den USA

Die Rolle des Speichels für die Mundgesundheit

Speichel spielt eine Schlüsselrolle in der oralen Gesundheit. US-Forschende haben in einer aktuellen Übersichtsarbeit den derzeitigen Wissensstand über Speichel und seine Funktionen umfassend herausgearbeitet.

Ein Mensch produziert ungefähr 0,5 bis 1,5 Liter Speichel im Zeitraum von 24 Stunden, der als dünner Film alle Strukturen der Mundhöhle überzieht. Sezerniert wird dieser vorwiegend von drei großen, paarigen Speicheldrüsen (Glandula parotidea, submandibularis und sublingualis), die gemeinsam über 90 Prozent der Produktion der Gesamtspeichelmenge abdecken. Die Glandula parotidea produziert dabei vorwiegend serösen Speichel, der Proteine wie Alpha-Amylase enthält. Die Glandula submandibularis produziert eher mäßig viskösen Speichel, die Glandula sublingualis hochviskösen. Die übrige Menge des Gesamtspeichels stammt von kleineren Drüsen, die im submukösen Gewebe verteilt liegen.

Die Sekretion des Speichels unterliegt einem zirkadianen Rhythmus und Schwankungen in der Zusammensetzung in Abhängigkeit von der Stimulation. Laut den Studienautoren wird die größte Speichelmenge durchschnittlich am Nachmittag produziert, während des Schlafens hingegen die geringste. Sie erklären, dass unter unstimulierten Bedingungen die Glandula submandibularis den größten Anteil an der Speichelproduktion habe, wohingegen bei Stimulation die Glandula parotidea die höchste Menge produziere. Eine Stimulation könne insbesondere durch Kauen, aber auch durch das Wahrnehmen eines Geruchs hervorgerufen werden. Der Proteingehalt sei bei stimuliertem Speichel herabgesetzt.

Zusammensetzung und Funktionen

Speichel besteht zum größten Anteil aus Wasser (99 Prozent). Ein Prozent besteht aus einem komplexen Gemisch organischer und anorganischer Substanzen, wobei es auch hier starke individuelle Konzentrationsunterschiede gibt. Die Autoren zählen hierzu „Elektrolyte, Enzyme, Hormone, Nukleinsäuren, Zytokine, Antikörper und Zucker, [...] Ionen wie K+, Ca2+, HCO3, Na+, Cl-und PO4. [...] Speichel enthält Kohlenhydrate, Blutgruppenstoffe, Lipide und Vitamine sowie viele Proteine, darunter Alpha-Amylase, Mucine, Lysozym, Immunglobulin A (IgA), Lactoferrin, Prolin-reiche Proteine, Histatine, Peroxidase, Defensine, Glykoproteine, Lipoproteine, Statherin und Matrixmetalloproteasen. [...] Mikroorganismen, abgeschilferte Epithelzellen, Zahnfleischflüssigkeit (Gingival Crevicular Fluid, GCF), Serum und Speisereste, die in der Mundhöhle vorhanden sind, tragen ebenfalls zum Speichelproteom bei.“ [Uchida et al., 2021].

Als Funktionen benennen die Autoren nur einige grundsätzliche – Befeuchtung, Schutz und Reinigung, Unterstützung beim Sprechen und Schlucken, Pufferfunktion durch Bicarbonat, Pellikelbildung, Zahnmineralisierung, antimikrobielle Aktivität, Gewebereparatur sowie Geschmack und Verdauung. Der Schwerpunkt der Übersichtsarbeit liegt aber auf neuen Erkenntnissen, daher werden die oben genannten Punkte nicht ausgeführt.

Wie wichtig die Funktionen des Speichels sind, wird besonders deutlich, wenn die Produktion gestört ist. Eine Xerostomie kann unter anderem als Folge einer Radiotherapie bei Kopf-Hals-Tumoren auftreten oder durch Medikamente hervorgerufen werden. Angeborene oder erworbene Erkrankungen wie das Sjögren-Syndrom, das Down-Syndrom, Diabetes oder Depressionen können ebenfalls ursächlich sein. Eine erhöhte Kariesanfälligkeit, ein schlechter Prothesenhalt und Geschmacksstörungen sind nur einige Folgen einer Xerostomie.

Immunabwehr und Wundheilung

Die Bestandteile des Speichels spielen eine entscheidende Rolle bei der Immunabwehr. Die Autoren benennen einige der unzähligen antimikrobiellen Proteine und Peptide. Zu den wichtigsten zählen unter anderem Defensine, Lysozyme, Cystatine, Cathelicidine, Histatine und Lactoferrine. Lysozyme können beispielsweise die bakteriellen Zellwände hydrolysieren und „endständige Sialinsäuren der Mucine fördern die bakterielle Aggregation und die Beseitigung von Bakterien aus der Mundhöhle [...]“ [Uchida et al., 2021]. Histatine wirken fungizid und antibakteriell und spielen eine Schlüsselrolle bei der intraoralen Wundheilung.

Speichel enthält überdies Immunglobuline, wobei insbesondere eine erniedrigte Konzentration des Immunglobulin A mit der Entstehung parodontaler Erkrankungen in Verbindung gebracht wird. Viele der oben genannten Speichelbestandteile sorgen unter anderem dafür, dass die intraorale Wundheilung häufig schnell und komplikationslos verläuft, wobei der Speichel gleichzeitig den Wundbereich stetig hydriert.

Bei der Nahrungsaufnahme dient der Speichel nicht nur der Andauung der Nahrung, sondern moduliert auch die Geschmackswahrnehmung. So sind laut den Autoren Variationen der Menschen in der Geschmackswahrnehmung unter anderem in der unterschiedlichen Zusammensetzung des Speichels begründet. Hier spielen vor allem Hormone (Leptin, Insulin, Ghrelin, Glucagon) und Enzyme eine Rolle, letztere durch Proteolyse von Nahrungsproteinen, wobei bei veränderter Enzymexpression Geschmacksstörungen die Folge sein können. Diese können auch bei vermindertem Speichelfluss durch eine Schädigung der Geschmacksrezeptoren auftreten. Die Autoren erwähnen weiterhin, dass neuere Studien sogar auf eine sechste Art von Geschmacksrezeptoren hinweisen, der neben Saurem, Salzigem, Süßem, Bitterem und umami auch freie Fettsäuren erkennen soll.

Speichel als diagnostisches Hilfsmittel

Speichel kann als diagnostisches Hilfsmittel für systemische oder intraorale Erkrankungen dienen. Der größte Vorteil liegt auf der Hand: Speichelproben sind nicht invasiv und können sogar selbst durchgeführt werden. Die Autoren fassen die wichtigsten Aspekte zusammen:

  • Speichel spielt eine wichtige Rolle bei der Kariesentstehung. Es liegt deshalb nahe, dass die Pufferkapazität und die Zusammensetzung als Prädiktoren für ein individuelles Kariesrisikoprofil herangezogen werden können. 

  • In der Parodontologie werden Zytokin-Konzentrationen gemessen, deren Erhöhung als Marker für Gewebedestruktion dienen können. So ist unter anderem die Konzentration von Matrix-Metalloproteinasen (MMP-8) bei einer Parodontitis erhöht. Die Bestimmung von MMP-8 in der Sulkusflüssigkeit ist deshalb ein etabliertes Verfahren. Dafür stehen seit Langem schnell durchführbare Chairside-Tests zur Verfügung. Eine erhöhte Konzentration korreliert positiv mit einer Gewebedestruktion. 

  • Die Autoren erklären weiterhin, dass bereits über 100 Biomarker für Karzinome der Mundhöhle vorgeschlagen wurden. Dabei seien allerdings die meisten Entzündungsmarker auch bei anderen Erkrankungen erhöht und deshalb zu unspezifisch.

  • Auch für die Diagnose von systemischen Erkrankungen gebe es „umfangreiche Bemühungen um neue Speichel-Biomarker für das Sjögren-Syndrom, neurologische Erkrankungen, Frühdiagnose der Alzheimer-Krankheit, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen“ [Uchida et al., 2021].

  • Auch der Zusammenhang zwischen Diabetes und Parodontitis lege eine Identifikation von Speichelbiomarkern nahe, die für beide Erkrankungen nützlich sein könnte. So wurde bereits eine Korrelation von Insulin, Adiponectin oder Resistin im Speichel und im Serum von Patienten festgestellt. 

  • Ein Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und der Amylasekonzentration im Speichel wurde diskutiert, konnte aber bislang nicht bestätigt werden.

  • Cortisol könne als Biomarker im Speichel für psychischen Stress, Angst, Depressionen und Schizophrenie bestimmt werden, wobei die Konzentration auch von Faktoren wie Schlafgewohnheiten, Raucherstatus und Medikamenten beeinflusst werden könne. 

  • Zuletzt hat die Pandemie uns jüngst die herausragende Rolle von Speicheltests für den Nachweis von Viren vor Augen geführt. Neben SARS-CoV-2 können auch andere Viren durch Speicheltests nachgewiesen werden.

Uchida H, Ovitt CE: Novel impacts of saliva with regard to oral health. J Prosthet Dent. 2021 Jun 14:S0022–3913(21)00273–0. doi: 10.1016/j.prosdent.2021.05.009. Epub ahead of print. PMID: 34140141.

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