KZBV-Vertreterversammlung

Mit Hartnäckigkeit zum Erfolg

Am 30. Juni und 1. Juli tagte die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) in Köln erstmals wieder in Präsenz. Nicht nur das Wiedersehen machte Freude. Dass die KZBV in den Verhandlungen mit der Politik hartnäckig am Ball blieb, trotz Enttäuschung und Frust, hat sich ausgezahlt: „Am Ende haben wir mehr erreicht, als dies mit einem Rettungsschirm der Fall gewesen wäre“, berichtete der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer.

Zum Auftakt der zweitägigen Sitzung wandte sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an die Delegierten. Spahn, der per Video zugeschaltet war, dankte der Zahnärzteschaft noch einmal für die Hilfe bei der Bewältigung der Pandemie. Er verwies darauf, dass es gelungen sei, „durch die Jahrhundertkrise zu kommen, ohne dass das deutsche Gesundheitswesen an irgendeiner Stelle überlastet gewesen wäre“. Darauf könne man zu Recht stolz sein. 

Von Eßer gefragt, ob man Sorgen haben müsse, dass das im CDU-Wahlprogramm fixierte Bekenntnis zum Dualen Krankenversicherungssystem nach der Bundestagswahl zur Verhandlungsmasse bei Koalitionsverhandlungen werden könnte, antwortete Spahn: „Aus meiner Sicht nicht.“ Er sei vielmehr überzeugt, dass das vielfältige deutsche Gesundheitssystem besonders leistungsfähig sei. Das habe man in der Pandemie gesehen.

Zur Digitalisierung sagte Spahn, dass es jetzt darum gehe, Anwendungen zu schaffen, „die das Leben leichter machen“. Er glaube, dass man die wirklichen Effekte der aktuellen Maßnahmen erst in den nächsten Jahren sehen wird. In puncto Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) zum 1. Juli hakte Eßer bei Spahn noch einmal nach. Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) versprochen, dass Ärzte, die die ePA unverschuldet noch nicht nutzen können, weil erforderliche technische Komponenten nicht lieferbar sind, keine Sanktionen befürchten müssen. Spahn versicherte, dass dies auch für die Zahnärzteschaft gelte.

Zuvor hatte der neue Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Prof. Dr. Christoph Benz, in seinem Grußwort die gemeinsamen Interessen von BZÄK und KZBV herausgestellt. „Wir suchen den engen Kontakt zur KZBV“, erklärte er. Als ein Beispiel nannte er den Kampf gegen den zunehmenden Einfluss von Fremdkapital in der zahnmedizinischen Versorgung.

Enttäuschung in positive Energie verwandelt

Seinen nachfolgenden Bericht nutzte Eßer zu einer umfassenden Analyse der Pandemie-Zeit. „Wir haben Frust und Enttäuschung in positive Energie verwandelt.“ Man habe sich nach den Zurückweisungen durch die Politik zum Anfang der Pandemie nicht beleidigt abgewendet, sondern weiter den Dialog mit der Politik gesucht. Mit fundierten Daten habe man das Ausmaß der Betroffenheit der Praxen verdeutlichen können und in der Folge mit dieser Hartnäckigkeit mehr erreicht als dies mit einem Rettungsschirm der Fall gewesen wäre, betonte Eßer. 

Ein großer Teil der Vorschläge der KZBV habe schließlich ihren Niederschlag im Versorgungsverbesserungsgesetz (GPVG) gefunden. Darin sei für die KZVen auch für 2021 die Möglichkeit geschaffen worden, die Gesamtvergütungen auf 90 Prozent der gezahlten Gesamtvergütung der vertragszahnärztlichen Leistungen des Jahres 2019 als Abschlagszahlung festsetzen zu lassen. Außerdem wurden die Rückzahlungsfristen verlängert. „Überzahlungen aus 2020 und 2021 sind jetzt jeweils erst bis Ende des Jahres 2023 auszugleichen“, erläuterte Eßer. Hilfreich ist aus Sicht der KZBV auch, dass junge Praxen mit dem Strukturfonds unter angemessener Beteiligung der Krankenkassen finanzielle Unterstützung erhalten.

Ebenso positiv sei der gesetzlich festgezurrte Grundsatz des Anspruchs auf eine verzerrungsfreie Fortschreibung der Gesamtvergütungen in Pandemiezeiten. Die Gesamtvertragspartner hätten demnach 2021 und 2022 bei den Veränderungen der Gesamtvergütungen auch die infolge der Pandemie verminderte Inanspruchnahme vertragszahnärztlicher Leistungen angemessen zu berücksichtigen. „Damit ist der Gesetzgeber einer unserer Kernforderungen nachgekommen, die in die Zukunft weiterwirken wird“, erklärte Eßer. Ein weiterer wichtiger Baustein sei die Aufhebung der Vergütungsobergrenze. Nicht nur Nachholeffekte würden ungekürzt zur Auszahlung kommen, sondern auch die Vergütungsverhandlungen der Jahre nach 2022 würden der veränderten Morbidität Rechnung tragen müssen.

„All diese Bausteine werden dazu beitragen, die vertragszahnärztliche Versorgung auch in Zukunft wohnortnah und flächendeckend sicherzustellen und unser Versorgungssystem ein Stück weit krisensicherer zu gestalten“, betonte Eßer. Daneben wies der KZBV-Vorsitzende auf die Bedeutung des „Pandemiezuschlags“ in Höhe von 275 Millionen Euro für die Vertragszahnärzteschaft hin. Dies alles zusammen habe unterm Strich dazu geführt, dass die deutschen Zahnärztinnen und Zahnärzte die Pandemie gut hätten bewältigen können.

Die Berufswirklichkeit in den Blick nehmen

Der KZBV-Vizevorsitzende Dr. Karl-Georg Pochhammer legte in seinem Bericht den Schwerpunkt auf die Telematikinfrastruktur (TI). Die Begeisterung von Spahn vermochte Pochhammer indes nicht zu teilen. Insbesondere das rasante Tempo bei der Einführung neuer Anwendungen wie der ePA, des E-Rezepts und der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stand im Zentrum seiner Kritik. „Drei Anwendungen, darunter zwei, die täglich millionenfach ausgeführt werden, sollen in schneller Abfolge in nur sechs Monaten flächendeckend in allen Praxen eingeführt werden. Das wäre schon ohne Pandemie eine große Herausforderung, weshalb nicht nur den ganz Aufgeweckten klar sein dürfte, dass diese Taktung völlig unrealistisch ist. Es fehlen Hardware, Software und Erkenntnisse aus Feldtests“, bemängelte Pochhammer. Die Integration der TI in die Praxen könne nur dann erfolgreich sein, wenn die Innovationen zeitlich, wirtschaftlich und organisatorisch umsetzbar seien. Die Politik müsse hier die Berufswirklichkeit der Zahnärztinnen und Zahnärzte wieder stärker in den Blick nehmen.

Die Agenda Mundgesundheit 2021–2025

Anlässlich der Bundestagswahl im September hat die Vertreterversammlung der KZBV mit der Agenda Mundgesundheit 2021–2025 die gesundheitspolitischen Positionen der Vertragszahnärzteschaft für die Sicherstellung und Weiterentwicklung einer wohnortnahen und präventionsorientierten Versorgung beschlossen.

Die KZBV hatte zudem Gesundheitspolitiker von Union, SPD, FDP und den Grünen gefragt, was sie von der Agenda halten. In kurzen Videos nehmen Dietrich Monstadt (CDU/CSU-Bundestagsfraktion), Dirk Heidenblut (SPD-Bundestagsfraktion), Christine Aschenberg-Dugnus (FDP-Bundestagsfraktion) und Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen) dazu Stellung.

Die Videos und die Agenda Mundgesundheit 2021–2025 können Sie unter www.kzbv.de/agenda-mundgesundheit abrufen oder über Twitter, Facebook und YouTube.

Die Agenda Mundgesundheit 2021–2025 gibt einen umfassenden Überblick über die wichtigsten vertragszahnärztlichen Themen und zentralen politischen Positionen des Berufsstands. Zu den Inhalten gehören unter anderem der weitere Ausbau der Präventionserfolge bei der Mundgesundheit, die Chancen der Digitalisierung zur Verbesserung der Versorgung und Entlastung der Praxen, die Eindämmung der zunehmenden Vergewerblichung der zahnärztlichen Versorgung bei gleichzeitiger Förderung der Niederlassung vor allem junger, freiberuflicher Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie die Stärkung der Krisenreaktionsfähigkeit des vertragszahnärztlichen Versorgungssystems als Lehre aus der Corona-Pandemie. Außerdem setzt sich die KZBV seit vielen Jahren dafür ein, die Selbstverwaltung im Gesundheitssystem zu stärken.

Noch nicht zufriedenstellend gelöst ist für Pochhammer die Refinanzierung der zusätzlichen Aufwände für die Zahnarztpraxen durch die TI. Zu den mit der Digitalisierung verbundenen zusätzlichen Aufwänden gehörten auch Anschaffungs-, Schulungsund laufende Betriebsaufwände – diese müssten neben den allgemeinen Kosten ebenfalls erstattet werden.

Zur von der gematik geplanten Entwicklung der sogenannten TI 2.0 nannte der KZBV-Vize zwei zentrale Kritikpunkte. „Zum einen werden die Zahnärztinnen und Zahnärzte mit der derzeit angedachten TI 2.0 verstärkt in die Haftung genommen“, sagte Pochhammer mit Blick auf die zu erwartende größere datenschutzrechtliche Verantwortung der Praxen. „Der andere Punkt, den wir kritisieren, ist der online- und Smartphone-zentrierte Fokus der TI 2.0.“ Er warnte davor, das Smartphone zum alleinigen Zugang zur TI zu machen, da dadurch Patientengruppen ausgeschlossen werden könnten. 

ZäPP hat sich als Analyse-Panel etabliert

Der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Martin Hendges stellte den aktuellen Sachstand zum Zahnärzte-Praxis-Panel (ZäPP) vor: Danach gab es bei den Teilnehmerzahlen keinerlei Einbrüche während der Pandemie. 2018 war die Erhebung mit 4.607 Zahnärzten (12,4 Prozent) gestartet, im vergangenen Jahr waren bei der dritten Erhebung 2020 noch 3.190 dabei, also 9 Prozent – „eine extrem gute Quote“ wie Hendges hervorhob. Rund 1.700 Teilnehmer hätten konstant bei allen drei Erhebungen 2018, 2019 und 2020 mitgemacht, so dass der KZBV laut Hendges inzwischen sehr valide Daten im Zeitvergleich derselben Praxen zur Verfügung stehen.

Die ersten Zahlen zeigten demnach, dass die Einnahmen in der Pandemie in den meisten Paxen im 2. Quartal 2020 deutlich gesunken sind, die Betroffenheit insgesamt aber sehr unterschiedlich ausfiel. „Wir haben jedenfalls unser Ziel erreicht, ZäPP als langfristiges Panel zu etablieren“, bilanzierte Hendges. Schließlich werde ZäPP vor allem zur Vorbereitung der Punktwertverhandlungen auf Länderebene genutzt, aber eben auch für interne Auswertungen wie die Analyse der Corona-Auswirkungen auf die Praxen, als Benchmark für die eignene Praxis sowie von Steuerberatern und Gutachtern und auch von amtlichen Stellen. 

Die Delegierten stimmten einer Satzungsänderung zu, so dass bei der Vertreterversammlung der KZBV im Hinblick auf „Großschadensereignisse“ in Zukunft Abstimmungen auch in schriftlicher und in audio-visueller Form durchgeführt werden können. Ab dem 1. Juli 2023 wird zudem der Rechtssitz der KZBV von Köln nach Berlin verlegt, das heißt, die KZBV betreibt dann zwei Geschäftssitze: Köln und Berlin. 

ck/sr

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