Corona und kein Ende?
Im Februar „feiert“ das Corona-Virus seinen zweiten Geburtstag. Auch wenn die Herkunft nach wie vor umstritten ist, wütet das Virus weiter. Der jetzt leider schon vierte Anstieg hängt Bayern die rote Laterne um und lässt den RKI-Präsidenten Lothar Wieler ein „sehr schlimmes Weihnachtsfest“ befürchten.
Wie steht es in dieser Zeit um die Zahnmedizin? Unsere Berufsgenossenschaft, die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), hat aktuelle Infektionszahlen veröffentlicht. Danach beträgt unsere Inzidenz für 2021 (bis zum 31. August) 99 Infizierte von 100.000 Zahnärztinnen und Zahnärzten sowie Teammitgliedern. Gegenüber der Ganzjahresinzidenz 2020 haben wir damit zwar 2,6-mal mehr Infizierte zu beklagen, aber eben auch deutlich weniger, als es der 6-fach höheren Infektiosität der Delta-Variante entsprechen würde. Der Titel „mit Abstand sicherster Gesundheitsberuf“ gebührt uns damit nach 2020 zum zweiten Mal.
Therapeutische Praxen kommen nach den BGW-Zahlen auf eine Inzidenz von 282, niedergelassene Ärzte auf 434. Ursächlich verstorben sind bei den Ärzten leider 11, bei den Therapeuten leider 3, bei uns niemand. Der große Dank gilt allen in unserem schönen Beruf, die das möglich gemacht haben: Zahnmedizin kann Hygiene – und unsere Praxen sind ein sehr sicherer Ort.
Aber gerade weil die vierte Welle die bislang härteste ist und die Delta-Variante die bislang infektiöseste, müssen wir einen kühlen Kopf bewahren und unsere große Professionalität voll ausspielen. Dazu gehört dann auch, dass unsere Praxen dem ärztlichen Ethos ohne Wenn und Aber folgen. Wir können die Patientinnen und Patienten nach einer Infektion fragen und wir können Tests anbieten, aber wir können niemanden, der unsere Hilfe braucht, wegschicken. Und nein, die Prävention ist kein verzichtbares Wellness-Add-on, sondern die wirksamste zahnärztliche Behandlung, die wir in 150 Jahren wissenschaftlicher Zahnmedizin entwickelt haben. Hier gilt, was die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in ihrer wegweisenden „Perspektive Zahnmedizin 2030“ auf die kurze Formel bringt: „Es gibt nur EINE Zahnmedizin!“ Genau. Und eben keine „notwendige“ und eine „was auch immer“ Zahnmedizin.
Die vierte Welle erfordert besondere Aufmerksamkeit für die Risikogruppen unter unseren Patienten. Die Deutsche Gesellschaft für Alterszahnmedizin empfiehlt deshalb, Pflegebedürftige in ihrer Häuslichkeit aktuell nur in einem „2G+“-Setting zu besuchen. Geimpft oder genesen mit tagesaktuellem negativem Schnelltest. Es gilt unbedingt zu verhindern, dass die Mundgesundheit in der Pflege wieder in den Lockdown geschickt wird, wie das leider jetzt schon mehrfach geschehen ist.
Der „Arzt“ und die „Medizin“ kommen in unserer Berufsbezeichnung vor. Wenn das mehr sein soll – und es ist natürlich mehr! – als ein Lippenbekenntnis, dann können wir noch etwas anderes für unsere Gesellschaft tun: Wir können beim Boostern helfen. Die Ärztinnen und Ärzte schaffen es selbst an den besten Tagen nur, 1 Prozent der Deutschen zu impfen. Wenn sich jetzt alle ab 18 Jahren auffrischen sollen und vielleicht bald auch die kleineren Kinder geimpft werden, dauert das viel zu lange. Die Präsidentinnen und Präsidenten im Vorstand der Bundeszahnärztekammer haben mit großer Entschlossenheit gesagt: Wir helfen! Jetzt ist es an der Politik, schnell alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Wohlwissend um die Schwierigkeiten: Es wird holprig, es wird bürokratisch, es wird alles, was Deutschland in den vergangenen zwei Jahren ausgezeichnet hat, aber es wird nicht ohne uns gehen.
Songtexte sind die Poesie der Gegenwart und jede Lebenserfahrung bestätigt die deutschen Metalcore-ler von Caliban, die singen „There is just one constant, nothing is forever“. Auch dieses Virus nicht!
Prof. Dr. Christoph Benz,
Präsident der Bundeszahnärztekammer