Die Gruppenprophylaxe muss wieder stattfinden
Seit Beginn der Corona-Pandemie, also seit mehr als 20 Monaten, finden praktisch keine Gruppenprophylaxe-Maßnahmen und Vorsorgeuntersuchungen in den Schulen und Kitas mehr statt“, kritisierte Kammerpräsident Jürgen Herbert in seiner Eröffnungsrede. „Dadurch werden Karies und Zahnfehlstellungen deutlich zu spät oder gar nicht mehr erkannt und die Eltern nicht darüber informiert.“ Dieses Defizit betreffe in zunehmendem Maß Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien.
Die Pandemie gefährdet die Erfolge der Prävention
Die Pandemie „hat einen negativen Einfluss auf die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe“, bestätigte Dr. Gudrun Rojas, Fachzahnärztin für Kinderstomatologie und Öffentliches Gesundheitswesen, in ihrem Vortrag zur Situation der Mundgesundheit in der Region. Bei der Gruppenprophylaxe im Schuljahr 2019/2020 seien nur noch 52,6 Prozent der Kinder erreicht worden.
Die Gesundheitsberichterstattung zeigt die Zunahme kariesfreier Gebisse. Bei den Zwölfjährigen ist der Anteil in 28 Jahren von 15 Prozent auf 76 Prozent gestiegen. Der Behandlungsbedarf liegt aktuell bei 7 Prozent. Bei den Dreijährigen ist dieser Anteil mit 9 Prozent höher und das ist inakzeptabel.
Anfang November hat die Kammerversammlung einstimmig beschlossen, die Kontinuität der flächendeckenden gruppenprophylaktischen Betreuung wiederherzustellen, „um das Erreichte nachhaltig zu sichern“, sagte Rojas. Aus diesem Grund forderten die Mitglieder das Brandenburgische Gesundheitsministerium dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass die Zahnärztlichen Dienste der Gesundheitsämter ihre Aufgaben sobald wie möglich wiederaufnehmen. Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), selbst Ärztin, versprach in ihrem digitalen Grußwort ihre Unterstützung: „Die Gruppenprophylaxe ist nun pandemietauglich aufgestellt und muss im Interesse der Kindergesundheit wieder im gewohnten Umfang stattfinden. Die Kinder haben ein Recht auf diese Betreuung und auf ein Höchstmaß an Schutz ihrer Gesundheit.“
Die Kinder kommen zu spät zur Behandlung
„Jedes siebte Kleinkind hat Karies“, klärte Prof. Dr. Katrin Bekes aus Wien auf. Fast 14 Prozent der Dreijährigen hatten laut DAJ-Studie 2016 eine Kariesläsion, führte die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) aus. Die Gründe hierfür seien nicht nur auf die Ernährung und die Mundhygiene zurückzuführen, sondern auch auf das Verhalten der Eltern. „Die Kinder kommen zu spät zu uns“, sagte Bekes.
Prof. Dr. Jan Kühnisch, München, hob hervor: „Jedes zweite Kind im Alter von sechs Jahren hat einen Kariesfall erlebt und etwa die Hälfte aller kariösen Milchzähne sind bei den Sechs- bis Siebenjährigen in Deutschland unbehandelt.“ Dem Experten für Kinder- und Jugendzahnheilkunde fehlt ein Gesamtkonzept für die Behandlung und Sanierung von frühkindlicher Karies. Kühnisch: „Apikale Entzündungen am Milchzahn sind ein Extraktionsgrund. Es macht nur Sinn, Milchzähne zu behandeln, die eine gute Prognose aufweisen.“