Riesenzellarteriitis: Viele Erkrankte klagen über Kieferschmerzen
Kürzlich veröffentlichte das Deutsche Ärzteblatt einen Fallbericht über eine 80-jährige Patientin, die über Kieferschmerzen klagte und daraufhin eine Äquilibrierungsschiene erhielt, die allerdings nicht zur Linderung der Beschwerden führte. Zeitgleich traten ulzerierende Hautläsionen im Schläfenbereich auf, die ebenfalls nicht auf die Therapie mit antibiotischen Salben ansprachen. Nach drei Monaten stellte sich die Patientin erneut mit persistierenden Beschwerden vor, zudem zeigten sich eine seit zwei Wochen bestehende Visusminderung sowie nekrotisierende Areale an der Kopfhaut. Die Ärztinnen konnten anhand einer Duplexsonografie die Diagnose einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie feststellen, die durch eine Riesenzellarteriitis hervorgerufen wurde.
Bei einer Riesenzellarteriitis handelt es sich um eine immunvermittelte Vaskulitis (Entzündung der Gefäße) mit bislang unbekannter Ätiologie. Vorwiegend sind die mittelgroßen Arterien, die vom Aortenbogen ausgehen, betroffen. Mit einer Inzidenz von 20–30 pro 100.000 Einwohner ist die Riesenzellarteriitis die häufigste Vaskulitis bei erwachsenen Personen in westlichen Ländern [Ameer et al., 2021]. Sie tritt meist erst nach dem Überschreiten des 50. Lebensjahres auf. Frauen erkranken deutlich häufiger als Männer. Ein gleichzeitiges Auftreten von Polymyalgia rheumatica, zu deren Leitsymptomen Schmerzen in den proximalen Extremitäten gehören, wird oft beschrieben.
Originalpublikationen
Ameer MA, Peterfy RJ, Bansal P, Khazaeni B: Temporal Arteritis. 2021 Jul 18. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2021 Jan–. PMID: 29083688.
Biermann J, Brücher VC: Scalp necrosis and jaw pain as cardinal symptoms. Dtsch Arztebl Int 2021; 118: 719. DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0085
Bei einer Riesenzellarteriitis kommt es zu einer immunvermittelten, entzündlichen Veränderung der Gefäßwände. Die Temporalarterien sind dabei am häufigsten betroffen. Es gibt eine Reihe verschiedener Symptome, wobei neu aufgetretene Kopfschmerzen unterschiedlicher Intensität bei den meisten Erkrankten beschrieben werden. Hellhörig sollten Zahnärztinnen und Zahnärzte werden, wenn die Patienten über Kieferschmerzen bei gleichzeitigem Auftreten einer einseitigen Visusminderung klagen. Kieferschmerzen sind ein sehr spezifisches Symptom, wohingegen ein länger andauerndes, allgemeines Krankheitsgefühl als unspezifisches Symptom gilt. Die Kieferschmerzen resultieren aus einer Minderdurchblutung der Kaumuskulatur und werden bei mehr als 30 Prozent der Erkrankten beobachtet.
Komplikation irreversibler Visusverlust
Eine gefürchtete Komplikation ist der irreversible Visusverlust durch eine ischämische Optikusneuropathie, weshalb in Verdachtsfällen schnell gehandelt werden sollte. Zur Diagnosesicherung kann neben bildgebenden Verfahren auch eine histopathologische Untersuchung (Goldstandard) der Temporalarterie erfolgen. Im beschriebenen Patientenfall berichten die Autorinnen, eine systemische Steroidtherapie eingeleitet zu haben, um den vaskulitischen Verschluss weiterer Gefäße zu verhindern. Dadurch konnte auch eine Erblindung der Patientin verhindert werden.