Voll ausgerastet! Und jetzt?
Man motzt, man wird laut. Die betroffene ZFA antwortet gereizt, sie könne ja auch nichts dafür, verzieht sich verärgert und bespricht alles mit ihren Kolleginnen. Natürlich ist einem selbst auch klar, dass die Mitarbeiterin nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war. Trotzdem ärgert man sich über die Situation, über die Antwort der Mitarbeiterin und am meisten über sich selbst. Weil man – mal wieder – wegen einer Kleinigkeit explodiert ist.
Dass es in echten Überlastungssituationen zu Aussetzern kommt, ist nachvollziehbar und wird meist akzeptiert. Doch wenn es einfach nur die Summe der Kleinigkeiten ist, dann ist es für Dritte nicht mehr verstehbar, weshalb da plötzlich jemand die Beherrschung verliert. Jeder Mensch hat eine bestimmte Range, in der er emotionale Belastungen gut wegstecken kann. Wird diese Schwelle überschritten, wird das sogenannte emotionale Fenster, in dem wir uns wohlfühlen, verlassen. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu unerwünschten Reaktionen kommt.
Was tun, wenn das Fass überläuft?
Was man dagegen tun kann? Einerseits sollte man generell den Stress so weit wie möglich zu minimieren versuchen. Man kann sich die Stressbelastung als Fass vorstellen. Oben fließt der Stress hinein und unten gibt es einen Hahn durch den der Stress abfließen kann. Bei einem Missverhältnis zwischen dem Zufluss und dem Abfluss läuft das Fass über. Zum Glück lassen sich sowohl Zu- als auch Abfluss beeinflussen.
Zum generellen Abfließen von Stress tragen genügend Schlaf, ausreichend Bewegung und körperlicher Ausgleich, klare kurze Arbeitspausen und auch das Verhindern von Unterzuckerung bei.
Was genau Stress auslöst – abgesehen von generell schwierigen Situationen mit Patienten – ist von Person zu Person unterschiedlich. Gut ist, wenn die Chefin von sich selber weiß, welche spezifischen Kleinigkeiten sie stressen und triggern. Oft lassen sich diese in relativ kurzer Zeit reduzieren. Allerdings hilft es dabei meist wenig, anzusagen, was geändert werden soll – im Gegenteil, das führt dann oft zu der Situation: „Das habe ich schon hundertmal gesagt.“ Wesentlich effektiver ist es, im Team zu fragen, wie das eine oder andere Problem beseitigt werden kann und anschließend genug Zeit zu geben, dass die Vorschläge besprochen und geprüft werden können. Wenn das Team selbst eine Lösung findet, achtet die ganze Gruppe in der Folge auch vermehrt auf die Umsetzung.
Und es reduziert auch den empfundenen Stress, wenn man erlebt, dass die gesamte Gruppe sich erfolgreich Gedanken über die Lösung macht. Abgesehen davon entlastet es auch schon, wenn schwierige Situationen und Fehler zeitnah angesprochen werden.
Ein Stressfaktor für viele Behandlerinnen sind Unterbrechungen. Mitarbeiterinnen nehmen dies oft jedoch gar nicht als Störung oder Belastung wahr, insbesondere dann nicht, wenn sie selbst hauptsächlich Arbeiten übernehmen, bei denen sie sich nicht lange konzentrieren müssen. Da sich in komplexeren Arbeitsabläufen jede Störung negativ auf die die Konzentration und damit die Qualität der Arbeit auswirkt, ist die Minimierung von Störungen ein wichtiger Faktor zur Stressreduktion. Möglicherweise hat die Chefin schon mehrfach darauf hingewiesen, dass sie während einer Behandlung nicht aufgrund von Telefonaten und Patientenfragen unterbrochen werden möchte. Wenn jedoch ein Teammitglied ins Sprechzimmer kommt und eine Frage stellt, beantwortet die Zahnärztin sie sofort. So lernen die Mitarbeiterinnen leider, dass die Regel nicht wirklich gilt. Die Anzahl der Störungen nimmt zu, selbst wenn die Zahnärztin regelmäßig darauf hinweist, dass sie nicht unterbrochen werden möchte.
Was fördern Sie selbst durch ihr Verhalten?
Dasselbe gilt für kurze Fragen nach Erlaubnissen, etwa für das Abbummeln von Plus-Stunden. Die Mitarbeiterinnen lernen nach kurzer Zeit, dass es ihnen nützt, diese Fragen zwischendurch zu stellen, weil die Zahnärztin dann nicht so konzentriert ist und eher zustimmt. Falls man derartige Themen nicht delegiert hat, gibt es eine relativ einfache Lösung: Alles, was man ad hoc entscheiden soll, lehnt man ab mit einer Bemerkung wie: „Wenn ich das jetzt hier zwischen Tür und Angel entscheiden soll, sage ich nein – Sie können mich aber gerne heute Mittag oder Abend fragen, wenn die Sprechstunde vorbei ist.“ In der Regel unterbleiben dann derartige Unterbrechungen nach kurzer Zeit.
Wir lernen schnell durch positive und negative Verstärkung. Es geht nicht darum, was Sie sagen – es geht darum, was Sie durch Ihr Verhalten fördern oder unterbinden. Es nützt wenig, etwas zu sagen, wenn hinterher das Gesagte keine Wirkung entfaltet. Es hilft, sich immer wieder einmal zu fragen: „Was fördere und erlaube ich durch mein Verhalten und was verhindere oder verbiete ich dadurch?“ Das ist logisch, schon klar – nur ist der Alltag in der Praxis derart schnell und vieldimensional, dass man sich in der Regel über die Wirkung des eigenen Verhaltens als Verstärkungsmuster wenig Gedanken macht.
Leider sind gerade die diejenigen, die sich immer extrem um freundliches Auftreten bemühen, besonders gefährdet, aus der Haut zu fahren. Weil sie ein Bedürfnis nach Harmonie haben, sprechen sie Missstände selten rechtzeitig an. Dabei staut sich der Ärger auf und wenn dann viele Kleinigkeiten zusammenkommen, läuft das Fass über. Solche Situationen können sogar dazu führen, dass eigentlich besonders freundliche Chefinnen von ihren Mitarbeiterinnen als launisch empfunden werden.
Wer dazu neigt, schnell zu explodieren, für den ist es hilfreich, jene eigenen körperlichen Signale zu spüren, die kurz vorher anzeigen, dass es gleich zu einer Überlastungsreaktion kommen wird. Am einfachsten ist es, dann den Raum zu verlassen, doch das ist während einer Behandlung natürlich meist nicht möglich. Man kann sich aber zum Beispiel angewöhnen, in solchen Situationen die Mitarbeiterin darum zu bitten, jetzt das Fenster zu öffnen. Oft hilft diese Unterbrechung schon, bis zum Behandlungsende die Ruhe zu behalten. Nach Abschluss der jeweiligen Behandlung nützen dann „Mini-Rituale“ zur Stressreduktion. So kann man beispielsweise ans Fenster treten und dort fünf Züge lang forciert ausatmen – bis die Lunge leer ist.
Der Verlust der Contenance verursacht meist unangenehme Gefühle. Er hat aber auch nachhaltig negative Wirkung auf die Mitarbeiterinnen. Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass die anderen sich nicht so haben sollen. Allerdings haben die Beschäftigten heute die Qual der Wahl beim Jobangebot. Flippt eine Chefin regelmäßig aus, steigt der Wechselwille. Um dieses Risiko zu senken, kann es helfen, zeitnah und mit wenigen Sätzen um Verzeihung zu bitten und so die Situation direkt wieder zu entschärfen. Das wirkt allerdings nur, wenn ich auch wirklich meine, was ich sage.
Wichtig ist eine ehrliche Entschuldigung
Besonders wirksam sind solche Bitten, wenn sie nach folgender Struktur erfolgen:
Zuerst erkenne ich an, was wirklich gerade geschehen ist. Ich sage zum Beispiel klar, dass ich gerade aus der Haut gefahren bin und dass mir das leid tut.
Dabei verzichte ich darauf, mich zu rechtfertigen, denn das führt nur zu unschönen Diskussionen, die alles schlimmer machen. Liegen die Gründe allerdings außerhalb der Praxis gibt, zum Beispiel wenn ich wegen eines Babys kaum geschlafen habe, dann nenne ich sie.
Ich übernehme die Verantwortung für mein Verhalten. Gegebenenfalls sage ich der Mitarbeiterin auch, dass sie für diese Situation nichts kann.
Ich betone nochmal, dass es mir leid tut. Gegebenenfalls sage ich auch „verzeih mir bitte“.
Die Versuchung besteht darin, zu erklären, warum einem das passiert ist und dann vom anderen Verständnis dafür zu erwarten. Leider ist das meist zwecklos. Die Betroffenen haben zu diesem Zeitpunkt wenig Interesse daran, zu verstehen: Sie wollen jetzt erst einmal selbst verstanden werden. Wenn die Chefin verständig reagiert, sind die Mitarbeiterinnen meist sehr schnell besänftigt. Das Thema ist abgeschlossen und alle gehen wieder zur Tagesordnung über. Die unangenehme Situation wird nicht mehr weiter im Team thematisiert und oft einfach vergessen. Es ist halt eine emotionale und menschliche Chefin.
Die Geschlechterverteilung wird in jedem Artikel anders gewählt und während eines Artikels beibehalten. Es sind immer alle Geschlechter gleichermaßen mitgemeint.