Editorial

Der etwas andere Jahresauftakt

In normalen Zeiten ist der Jahresauftakt die Zeit, hoffnungsfroh nach vorne zu schauen. Das alte Jahr hat man wie eine alte Jacke abgestreift, die Tage werden – wenn auch langsam – wieder heller und die guten Vorsätze haben noch Bestand. Allenthalben finden Neujahrsempfänge statt, auf denen die Protagonisten ihre Pläne für das bevorstehende Jahr verkünden.

Im Januar 2021 ist alles anders. Das Thema Corona hat das Land und die Welt weiterhin fest im Griff. Ignorieren – so gerne man es auch manchmal möchte – ist leider keine Option. Aus einem Lockdown light wurde Anfang Januar ein Lockdown mittelschwer, der aber im Vergleich zu den in anderen europäischen Ländern erlassenen Maßnahmen immer noch sehr moderat ausfällt. Die Konzepte der Politik wirken angesichts der Lage erschreckend mut- und hilflos. Offenbar scheut man sich im Wahljahr 2021 vor drastischen Maßnahmen, die aber wohl notwendig wären, um wirklich eine Kehrtwende in der Pandemie zu erreichen. Die deutsche Vorzeigerolle in der Corona-Bekämpfung ist nun offenbar endgültig verspielt.

Alle Hoffnungen wurden auf das Thema Impfen gesetzt – als Allheilmittel sozusagen. Umso ernüchternder der schleppende Start der Impfkampagne. Zu wenig Impfstoff, uneinheitliche Regelungen, übermäßig bürokratische Verfahren zur Terminvergabe. Wer sich beispielsweise die komplexe Vergabe für einen Termin in einem Impfzentrum in Baden-Württemberg anschaut, fragt sich erstaunt, wie dieses Verfahren ein über 80-jähriger Mensch ohne Hilfe durchlaufen soll. Und in Berlin war die Politik verwundert darüber, dass die angeschriebenen über 90-Jährigen nicht sofort reihenweise Termine im einzigen startbereiten Impfzentrum machten. Lobend hervorheben muss man an dieser Stelle die große Einsatzbereitschaft und Kompetenz des impfenden medizinischen Personals. Deutschland galt einmal als Organisationsweltmeister. Von diesem Mythos dürfte inzwischen nicht mehr viel übrig sein. Alles zusammen lässt befürchten, dass uns eine quälend lange Hängepartie bevorsteht, bis wir endlich den Weg aus der Pandemie gefunden haben und zur Normalität zurückkehren können.

Apropos Hängepartie: Die Briten haben nun ihren Brexit vollständig vollzogen. Die Auswirkungen werden beide Seiten noch zu spüren bekommen. Eine erste bittere Folge ist der britische Austritt aus dem Erasmus-Programm, das ein Paradebeispiel für gelebten akademischen Austausch innerhalb Europas ist. Für Generationen von deutschen Studierenden war das Auslandsstudium in Großbritannien die Möglichkeit, die Ausbildung in einem anderen Land kennenzulernen, oder gar ein erster Schritt in eine internationale Laufbahn. Dass sich Großbritannien aus diesem Verbund verabschiedet, muss man bedauern. Bleibt zu hoffen, dass es vielleicht an dieser Stelle einen Weg zurück gibt.

Doch genug lamentiert. Jenseits von Corona gibt es aus zahnmedizinischer Sicht durchaus Lichtblicke in diesem Jahr. So wird beispielsweise die Parodontitis-Therapie nach Jahren des Stillstands endlich an den aktuellen wissenschaftlichen Stand angepasst. Eine große Bedeutung hat dabei die unterstützende Parodontitistherapie (UPT). Mit den bisher im GKV-Katalog hinterlegten Leistungen war eine nachhaltige Versorgung der Patientinnen und Patienten nicht mehr möglich. Eine strukturierte Nachsorge war daher bisher oft nicht umsetzbar. Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses, dem ein jahrelanges Tauziehen mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung vorausgegangen war, soll zum 1. Juli in Kraft treten. Damit dürfte die Mundgesundheit in Deutschland einen weiteren großen Schritt nach vorne machen. Immerhin leidet jeder zweite Erwachsene hierzulande an der Volkskrankheit.

Also versuchen wir trotz der widrigen Umstände optimistisch nach vorne zu schauen. Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein gutes und vor allem gesundes Jahr 2021.

Sascha Rudat

Chefredakteur

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