Eine Praxis ohne Behandlungsstühle?
Meine Frau Laura Buenger und ich haben uns in einer Zahnarztpraxis in Leipzig kennengelernt, am ersten Tag meiner Assistenzzeit. Vor lauter Aufregung begrüßte ich sie damals gleich zweimal. Heute erinnern wir uns lächelnd zurück: Doppelt hält halt besser. Vier Jahre und zwei Kinder später haben wir beschlossen, unserer gemeinsamen Vision einer modernen Zahnmedizin in Potsdam ein Zuhause zu geben. Dass es Potsdam werden sollte, war schnell klar – als ehemalige Flämingkönigin zog es Laura zurück zu ihren Wurzeln nach Brandenburg.
Mangels geeigneter Praxen zur Übernahme stand rasch fest, dass sich unser Vorhaben nur mit einer Neugründung realisieren lässt. Und wir wurden fündig: Ein Traum von Altbau mitten in der Potsdamer Innenstadt mit verschwenderisch viel Platz für unsere Ideen. Von der Zahntechnik im Dachgeschoss bis zu Tagungsräumen im Souterrain wäre alles möglich gewesen. Doch die Kommunikation mit dem Makler zog und zog sich – bis klar wurde, was für ein Zuschlag von uns erwartet wurde: Wir sollten fast vollständig das Haus auf unsere Kosten sanieren.
Also doch ein Neubau
Nach dieser Erkenntnis ergab sich mehr zufällig eine neue Gelegenheit auf 350 m² in einem kompletten Neubau eines Ärztehauses nahe Potsdams Innenstadt. Die Fläche im Erdgeschoss war schnell besichtigt und für ungeeignet befunden, da boten die Eigentümer plötzlich eine Fläche im Objekt an, die noch nicht vergeben war. Und dann passierte genau das, was man als Liebe auf den ersten Blick bezeichnen kann: Es waren keine Worte notwendig, sofort stand fest: keine Altbauvilla, genau hier wird unser gemeinsame Praxis entstehen und das dank Rohbau exakt nach unseren Vorstellungen und Anforderungen!
Von nun an ging es Schlag auf Schlag. Die akribische Vorbereitung zahlte sich zum ersten Mal aus, unser Konzept konnte schnell auf die Fläche übertragen, der Businessplan adaptiert und die Finanzierung sichergestellt werden. Innerhalb von nur vier Wochen. Mit Unterzeichnung des Mietvertrags begann im Januar der Ausbau: Auf 350 m² sollten vier Behandlungs- und drei Prophylaxezimmer, ein Zahntechniklabor, ein großzügiger Empfangsbereich und genügend Platz für ein entspanntes und organisiertes Arbeiten entstehen.
Das hält die Decke nicht aus!
Da war das gesamte Projekt plötzlich gefährdet: Kein Architekt hatte vorher mit Zahnarztstühlen geplant – mit der definitiven Einrichtung inklusive aller Schränke und Einheiten musste die Rohdecke auf Belastungsfähigkeit geprüft werden. Tatsächlich war die errechnete Reserve nicht üppig, doch mit einigen kleinen Änderungen in der späteren Einrichtung konnte die Tragfähigkeit gewährleistet werden.
Kurze Zeit später kamen die Bauarbeiten erneut ins Stocken: Es gab keine Lösung für den Aufbau des Fußbodens. Zur Verfügung stand eine Bauhöhe von 11 cm, in der sämtliche Versorgungsmedien inklusive der Absaugrohre der Einheiten, die Dämmung, die Fußbodenheizung, der Estrich und der Fußbodenbelag untergebracht werden mussten. Gemeinsam konnte schließlich ein Fußbodensystem ausfindig gemacht werden, das mit sehr geringen Höhen auskommt. Obendrein bestand nun die Notwendigkeit für ein angepasstes Fundament der Behandlungseinheiten. Die selbst entworfene Lösung ist für jedes Zimmer eine Spezialanfertigung und wurde mittlerweile zum Patent angemeldet. Alles in allem nahmen allein diese Planungen zwei Monate in Anspruch, bis es – endlich – an die Umsetzung ging.
Bewerbungsgespräche per Skype
Besser als ein Spaziergang im Park Sanssouci
Bei Bewerbungsgesprächen ist das Video-Interview noch ein relativ neues, häufig ungeliebtes Gesprächsmedium. Im Lockdown hat sich das (notgedrungen) geändert. Aber funktioniert das auch? Sind Plattformen wie Skype eine echte Alternative? Laura Buenger und Thomas Meißner würden es wieder tun.
Wie hat sich das angefühlt, so seine potenziellen Mitarbeiter kennenzulernen?
Thomas Meißner: Wahrscheinlich war die Bewerbungssituation für beide Seiten gleich ungewohnt. Für uns, weil wir noch nie in der Position waren Bewerbungsgespräche zu führen, und für die andere Seite, weil man solche Treffen einfach anders kennt. Wir haben die Gespräche im ersten Lockdown geführt und uns natürlich Gedanken über alternative Kennlern-Möglichkeiten gemacht. Die Überlegung eines Spaziergangs durch den Park Sanssouci mit Coffee to go oder eines Treffens im Hotel verwarfen wir schnell und freundeten uns mit einem Gespräch via Skype, Zoom oder anderen Portalen an. Beim ersten Gespräch waren wir sehr aufgeregt und haben uns Notizen aus dem Lebenslauf und zu potenziellen Fragen gemacht. Im Gegensatz zu einem Telefonat konnten wir den Bewerberinnen so zumindest in die Augen schauen. Mimik und Gestik sind zwei wichtige Attribute, die wir wahrnehmen wollten.
Wie liefen die Interviews ab?
Laura Buenger: Die Interviews dauerten 15 bis 20 Minuten. Wir empfanden es als höflich, erstmal uns und unser Konzept der Praxis vorzustellen. Der Mitarbeiter muss für sich ja auch herausfinden, ob wir zu ihm passen, wie umgekehrt auch. Dadurch war das Eis gebrochen und die Gespräche verliefen alle ganz locker. Dann haben wir dem Bewerber Raum gegeben, sich vorzustellen. Haben nach den beruflichen Wünschen für die Zukunft und natürlich nach den harten Fakten wie Gehalt und gewünschte Arbeitszeit gefragt. Vorbereitet haben wir uns, indem wir uns die berufliche Qualifikation angeschaut haben. Noten und Zeugnisse spielen bei uns eine untergeordnete Rolle. Wir sind beide Herz-Menschen und hören auf unser Bauchgefühl. Vieles ergibt sich einfach im Gespräch.
Was sind die Vor- und Nachteile?
Laura Buenger: Als Eltern zweier kleiner Kinder kennen wir das Problem des Zeitmanagements und empfanden es als große Erleichterung, die Gespräche flexibel, ohne große Vorbereitung und mit minimalem Aufwand gemeinsam während des Mittagsschlafs der Kinder führen zu können. Auch aufseiten der Bewerberinnen hatten wir Mütter, die dadurch entspannter ins Gespräch gehen konnten. Durch das virtuelle Gespräch blieb jeder zu Hause, aber trotzdem konnten wir auf die Suche nach Mitarbeitern gehen, sie kennenlernen und vielleicht auch schon so davon überzeugen, mit uns auf diese Reise zu gehen.
Nach den gemachten Erfahrungen: Können Sie sich vorstellen, auch in Zukunft darauf zurückzugreifen?
Laura Buenger: Sehr gut sogar. Es ist eine sehr effektive Methode. Und für uns war es neben all den anderen Aufgaben auf der Baustelle, unseren beiden Kindern und meinen drei Pferden, die auch versorgt werden müssen, eine echte Erleichterung. Es ist wirklich eine tolle Möglichkeit für ein erstes Kennenlernen, für ein Abklopfen der persönlichen Ziele und der harten Fakten.
Bei gegenseitigem Interesse folgte nach dem Lockdown immer noch ein persönlicher Termin. Jetzt steht unsere Praxis und wir können wenigstens den zukünftigen Arbeitsplatz zeigen. Damals bestand dieser aus Trockenbauwänden, Unmengen an Kabeln und Rohren – weit und breit deutete nichts auf eine Zahnarztpraxis hin.
Thomas Meißner: Auch die Betreuung von Patienten per Videosprechstunde ist für uns nach den gemachten Erfahrungen in den Fokus gerückt. Gerade für einen ersten Eindruck bei überregionalen Ästhetikpatienten sehen wir für alle Seiten eigentlich nur Vorteile.
Fazit: Ist es schwierig unter Lockdown-Bedingungen sein Team zusammenzustellen?
Laura Buenger: Das Schwierige dabei war sicher die Hintergrundsituation, die Ungewissheit auf beiden Seiten. Welche Auswirkungen hat der Lockdown auf unsere Branche, mit welchen Einsparungen muss man rechnen? Kurzarbeit? Wie geht es nach dem Lockdown weiter? Systemrelevant hin oder her – was passiert, wenn die Patienten wegbleiben beziehungsweise gar nicht erst kommen? Nur ein sicherer Arbeitsplatz gibt uns und den Mitarbeitern ein gutes Gefühl.
Zu unserer großen Freude und Überraschung erhielten wir einige Bewerbungen. Ziemlich schnell bildete sich in unserer Vorstellung ein Team heraus, das jetzt auch genau so existiert. Darüber freuen wir uns sehr, sind stolz auf unsere Mitarbeiter, dass sie mit uns auf diese Reise gegangen sind, und fühlen uns in unserem Bauchgefühl bestätigt.
Das Gespräch führte Laura Langer.
Und dann kam Corona: Ganz knapp kam Ende März der LKW mit einer Spezial Dämm-/Ausgleichsschüttung für den Fußboden noch vor der Grenzschließung aus Österreich nach Deutschland. Nicht so viel Glück hatten wir mit den Abwasserrohren – diese verharrten auf einem LKW in den unendlich langen Staus an der polnischen Grenze. Auch stand lange nicht fest, wie lange die Betriebsruhe bei Sirona in Bensheim andauern würde – die Angst, dass am Ende die Praxis fertig gebaut ist, aber wir keine Behandlungsstühle haben, machte sich breit.
Wie im Lockdown Patienten gewinnen?
Mit erheblichem Einsatz versuchten die Gewerke den Zeitplan irgendwie zu halten – ab August wollten wir eigentlich behandeln. Parallel zu den täglichen Herausforderungen auf der Baustelle führten wir – angepasst an die mittlerweile erlassenen Lockdownbestimmungen – Bewerbungsgespräche per Skype (siehe Interview), betreuten mangels Familie und Freunden in der Nähe unsere Kinder ganztags, schrieben unsere Promotionen und entwickelten neben dem Corporate Design Strategien, wie wir unsere zukünftigen Patienten gerade in diesen Zeiten erreichen wollen.
Wir waren (und sind) sehr glücklich trotz der Umstände ein wahnsinnig tolles und hochmotiviertes Team für unser Projekt gefunden zu haben. Die Verträge waren gemacht und alle standen in den Startlöchern, bereit, ab August die Arbeit aufzunehmen, doch als der Maler schon zugange war ...
Laura Buenger und Thomas Meißner
Buenger & Meißner Zahnheilkunde
Georg-Hermann-Allee 26, 14469 Potsdam
info@potsdam-zahnheilkunde.de
Gründen im Lockdown – Teil II
In der zm 3 geht es um Brandschutzauflagen in Brandenburg, die Einarbeitung des Teams online und die Telekom.