BZÄK-Hygienecheck belegt Vertrauen der Bevölkerung
Methodisch sauber durchgeführte Umfragen sind ein anerkanntes Mittel der Sozialwissenschaften, um zum Beispiel Verhalten, Erwartungen, Erfahrungen möglichst repräsentativ zu ermitteln. Gerade für die Politik, die ihre Arbeit zunehmend in Richtung „Evidenzbasierung“ entwickelt, ist dieses Instrument wertvoll, um die Akzeptanz von Entscheidungen zu erfahren. Vor allem in einem Wahljahr. Auch wir wollten dieses Instrument im Rahmen unserer BZÄK-Kommunikationsoffensive nutzen. Diese soll ein wahrhaftiges Bild der Zahnmedizin vermitteln und mit alten Klischees aufräumen. Dabei wollen wir im Superwahljahr die politischen Entscheider und die breite Öffentlichkeit entsprechend informieren.
Viel ist in den letzten Monaten über Hygiene und Infektionsvermeidung berichtet worden. Welche Bedeutung diese in unserem täglichen Praxisalltag spielt, muss an dieser Stelle nicht ausgeführt werden. Die Umsetzung der oftmals unbeliebten Vorschriften und Empfehlungen hat ihre positive Wirkung nicht verfehlt. Eine große Zeitschrift titulierte wie folgt: „Wie das Prinzip Zahnarztpraxis bei der Coronaeindämmung helfen könnte.“ Und eine Online-Schlagzeile lautete „Brauchen wir jetzt das Zahnarztprinzip?“. Man hört es gern! Aber ist das auch die Meinung der Patienten?
Umfragen, etwa zum Hygieneverhalten der Bevölkerung, zu den Hygieneerwartungen oder zu den Erfahrungen in Praxen, gibt es bisher kaum. Dies alles war für uns Anlass, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und ein etabliertes Unternehmen zu beauftragen, repräsentativ und bevölkerungsweit nachzufragen. Galten wir doch für eine kurze Anfangsphase der Pandemie völlig zu Unrecht als Superspreader. Eigene Daten als auch Daten beispielsweise der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) zur Anerkennung von Berufserkrankungen weisen vielmehr darauf hin, dass die Zahnmedizin hochprofessionell im Management von Infektionserkrankungen agiert.
Was sind nun die Ergebnisse unserer Umfrage, dem „Hygienecheck“? Hinsichtlich des Hygienestandards hat die breite Bevölkerung großes Vertrauen in die zahnärztlichen Praxen. Die Patienten wissen und erfahren bei ihrer zahnärztlichen Behandlung, dass ein hoher Hygieneaufwand betrieben wird. Und stufen ihn höher ein als bei anderen Facharztgruppen oder in Kliniken.
Und sie erleben, dass während der Pandemie ihr eigenes Verhalten, aber auch das Verhalten in der (Zahn-) Arztpraxis von hoher Bedeutung ist. Zahnärztliche Praxen besitzen eine Hygieneexpertise, die durchaus für andere Bereiche nutzbringend sein könnte. Unsere Umfrage dokumentiert jedoch auch, dass die Patienten immer noch verunsichert sind: Trotz der Absicht von fast der Hälfte der Befragten, eine zahnärztliche Behandlung derzeit besser nicht in Anspruch zu nehmen, hat dies lediglich ein Sechstel in die Tat umgesetzt und ihren Termin tatsächlich abgesagt.
Hier zeigt sich, dass wir weiterhin über die Bedeutung der Zahnmedizin – auch im Zusammenhang mit den medizinischen Volkserkrankungen – aufklären müssen. In einem Jahr, in dem die Therapie der Volkskrankheit Parodontitis – gerade auch bedingt durch die G-BA-Entscheidung – eine Innovation erfährt, sollte uns dies nicht schwerfallen.
Noch eine kleine Anmerkung, auch für Interessierte außerhalb unseres Berufsstands. Die BZÄK-Umfrage zeigt, dass eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung die bekannten Hygienemaßnahmen im Kampf gegen Corona ernst nimmt und umsetzt. Sie zeigt aber auch, dass es noch Defizite in Teilen der Bevölkerung im Hinblick auf Information und Anwendung gibt. Zielgruppenspezifische Informations- und Wissensvermittlung ist ein wichtiger Eckpfeiler der Gesundheitsaufklärung – und ich meine, gerade auch unter diesen Bedingungen, ein notwendiger Weg, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern. Die Ergebnisse aus dem BZÄK-Hygienecheck tragen dazu bei, den Blick auf den Aspekt der Sozial- und Verhaltenswissenschaften zu lenken. Gerade diesen Part nimmt die Politik derzeit für deren evidenzbasierte Entscheidungen zu selten wahr. Wir glauben, dass diese Ergebnisse einen nicht unerheblichen Beitrag leisten können, um die Pandemie ein Stück weit besser in den Griff zu bekommen.
Der erhobene Zeigefinger für alle scheint allein jedenfalls nicht die geeignete Lösung zu sein.
Prof. Dr. Dietmar Oesterreich,
Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer