Die Wahlprogramme zur Bundestagswahl

Das sind die Pläne der Parteien

Bürgerversicherung, MVZ, Freiberuflicheit und Lehren aus Corona: CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Linke und AfD haben ihre Wahlprogramme zur Bundestagswahl am 26. September vorgelegt. Etliche Positionen zur Gesundheitpolitik sind bekannt, einige überraschen und vieles bleibt vage. Aber lesen Sie selbst.

CDU/CSU

Duales System (PKV/GKV):

Die Union baut auf die Selbstverwaltung, die freie Arzt- und Therapiewahl sowie das Zusammenspiel von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Bürger sollen einen digitalen, wohnortnahen und möglichst barrierefreien Weg zur Versorgung haben. Eine Einheitsversicherung und Schritte dahin lehnt sie klar ab.

Finanzierung GKV:

Die Union setzt auf stärkere vernetzte Zusammenarbeit der einzelnen Akteure unter Nutzung der Digitalisierung. Sie will einkommensabhängige paritätische Beiträge, Eigenbeteiligung und einen Steueranteil für versicherungsfremde Leistungen, der dynamisiert und an die tatsächlichen Kosten der Leistungen und deren Entwicklung gekoppelt wird.

Lehren aus der Corona-Pandemie:

Die Union will den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) mithilfe von Personalaufbau und Digitalisierung stärken. Das Robert Koch-Institut (RKI) soll zum deutschen Public-Health- Institut ausgebaut werden. Geplant ist eine stärkere Vernetzung mit Ländern und Kommunen, aber auch international. Es soll eine staatliche Lagerhaltung oder Notfallkapazitäten geschaffen werden. Die WHO und die internationaler Zusammenarbeit sollen gestärkt werden.

Digitalisierung:

Die Union plädiert dafür, die ressortübergreifende eHealth-Roadmap „Digitale Gesundheit 2030“ soll weiterzuentwickeln – mit konkreten Handlungsempfehlungen für die digitalisierte Gesundheitsversorgung der Zukunft. Patienten sollen – unter Wahrung des Datenschutzes – ihre gesamte Krankengeschichte an einem Ort speichern und Ärzte und andere Leistungserbringer darauf zugreifen lassen können.

Das Wahlprogramm von CDU/CSU: https://www.csu.de/common/download/Regierungsprogramm.pdf

SPD

Duales System (PKV/GKV):

Die SPD will die „Kommerzialisierung im Gesundheitswesen beenden“. Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemeinschaft erwirtschaftet werden, sollen verpflichtend wieder in das Gesundheitssystem zurückfließen. 

Bürgerversicherung:

Es soll eine Bürgerversicherung geben – mit einem gleich guten Zugang zur medizinischen Versorgung für alle , eine solidarische Finanzierung und hohe Qualität der Leistungen.

Finanzierung GKV:

Die SPD will das System der Fallpauschalen auf den Prüfstand stellen, die Pauschalen überarbeiten und wo nötig abschaffen. Die Grundkosten der Krankenhäuser und der integrierten medizinischen Versorgungszentren sollen angemessen finanziert werden. Die Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin soll neu strukturiert werden.

Prävention:

Es sollen Programme in der Prävention und Krankheitsfrüherkennung gefördert werden, die die Besonderheiten verschiedener Altersgruppen und Geschlechter berücksichtigen.

Lehren aus der Corona-Pandemie:

Für den ÖGD will die Partei bessere Rahmenbedingungen schaffen und für eine bessere Ausstattung sorgen. Das gilt vor allem für die digitale Infrastruktur und eine konkurrenzfähige Vergütung. Die Krise habe gezeigt, dass die Abwanderung der Arzneimittelproduktion ins Ausland zu Liefer- oder Versorgungsengpässen führen kann. Daher will die SPD ein System schaffen, „das in Krisensituationen die Produktion, Bereithaltung und Verteilung von notwendiger Arznei- und Medizinprodukten sicherstellt“. Das RKI soll zu einem unabhängigen Institut umgewandelt werden.

Digitalisierung:

Datenschutz soll gewährleistet und geeignete Rahmenbedingungen sollen geschaffen werden, damit die großen Plattformen nicht auch die Gesundheitswirtschaft dominieren. Die höchste Priorität habe der Schutz der Patientendaten. 

MVZ:

Die SPD will die Kommunen bei der Einrichtung und beim Betreiben der integrierten medizinischen Versorgungszentren stärken.

Das Wahlprogramm der SPD: https://www.spd.de/zukunftsprogramm/

FDP

Duales System (PKV/GKV):

Die FDP will einen Wett- bewerb unter den Krankenkassen und innovative Versorgungsformen stärken. Kassen sollen ihren Versicherten freiwillig zusätzliche Leistungen anbieten können. Der Wechsel zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung soll vereinfacht werden. Dafür sei eine starke private und auch eine freiheitlich gesetzliche Krankenversicherung unerlässlich. 

Prävention:

Das Präventionsgesetz soll reformiert werden. Kindern und Jugendlichen soll in Kitas, Schulen und in der Ausbildung ein gesunder Lebensstil vermittelt werden.

Digitalisierung:

Um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzubringen, seien offene Standards, Interoperabilität und Datensicherheit notwendig. Die Vernetzung zwischen allen Akteuren und Patienten müsse digital ausgestaltet sein.

Freie Arztwahl, Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung: Für die FDP ist der Freie Beruf das Fundament einer liberalen Gesundheitsversorgung. Deshalb wollen sie weiterhin die Freien Berufe im Gesundheitswesen stärken.

MVZ:

Integrierte Gesundheitszentren sollen die regionale Grundversorgung mit ambulanten und kurzstationären Behandlungen sichern.

Das Wahlprogramm der FDP: https://www.fdp.de/vielzutun

Bündnis 90/Die Grünen 

Bürgerversicherung, Finanzierung und Weiterentwicklung des Gesundheitswesens:

Die Partei will eine solidarisch finanzierte Bürgerversicherung. Alle sollen in die Finanzierung mit einbezogen werden, auch Beamte, Selbstständige, Unternehmer und Abgeordnete. Sie sollen sich mit einkommensabhängigen Beiträgen beteiligen, die auf alle Einkommensarten erhoben werden sollen – neben Löhnen und Gehältern auch auf Kapital. Die Benachteiligung gesetzlich versicherter Beamter durch einen beihilfefähigen Tarif soll beendet und privat Versicherte mit Basistarif sollen besser abgesichert werden. 

Prävention:

Sie gilt als Leitprinzip. Prävention, Gesundheitsförderung und gesundheitliche Versorgung will die Partei als Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen verfolgen.

Lehren aus der Corona-Pandemie:

Geplant ist eine umfassende Analyse des Pandemiemanagements. Die Grünen wollen die Krankenhaus- und Notfallversorgung reformieren und die Digitalisierung, insbesondere in den Gesundheitsämtern, vorantreiben. Künftig sollen Stufen zur Eindämmung von Pandemien im Infektionsschutzgesetz definiert, Schutzpläne aktualisiert und ein interdiszi-plinärer Pandemierat eingerichtet werden. Den Bürgern sollen Datengrundlagen, Entscheidungsgründe und -wege transparent gemacht werden. 

Stärkung des ÖGD:

„Ob der Besuch der mobilen Zahnärzt*innen in der Schule oder die Impfaktion im Pflegeheim – für Gesundheitsförderung, die Menschen unkompliziert erreicht, braucht es eine Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes“, heißt es. Ein neu zu schaffendes Bundesinstitut für Gesundheit soll als zentrales Public Health-Organ bestehende Strukturen des Bundes bündeln und so zur Verbesserung der Versorgung beitragen. Die Mittel für den ÖGD sollen schrittweise auf mindestens ein Prozent der Gesundheitsausgaben angehoben werden. 

Versorgung in Stadt und Land:

Die Primärversorgung durch Hausärzte und weitere Gesundheitsberufe soll weiter gestärkt werden. Ziel ist eine gemeinsame Abrechnungssystematik für ambulante und stationäre Leistungen. Die Grünen wollen gemeinwohlorientierte regionale Gesundheitszentren. Nichtärztliche Gesundheits- und Pflegeberufe sollen mehr Tätigkeiten eigenverantwortlich übernehmen.

Digitalisierung:

Es soll dazu eine Strategie im Gesundheitswesen entwickelt werden. Die elektronische Patientenakte soll weiterentwickelt werden. Gesundheitsdaten sollen anonymisiert und wo nötig pseudonymisiert der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden. 

MVZ/Krankenhaus:

Die Gemeinwohlorientierung im Gesundheitswesen soll gestärkt und der Trend hin zu Privatisierung umgekehrt werden. Die Konzentration auf ertragreiche Angebote müsse ein Ende haben.

Zahnmedizinische Versorgung:

Aufgehoben werden soll die strikte Trennung der ambulanten Gebührenordnungen EBM und GOÄ. Auch die zahnmedizinische Regelversorgung in der GKV sollte regelmäßig an den aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst werden. 

Besonderheiten:

Klimaschutz und Gesundheit sollen zu einem Motor der Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit werden.

Das Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen: https://www.gruene.de/artikel/wahlprogramm-zur-bundestagswahl-2021

Die Linken

Bürgerversicherung:

Statt gesetzlicher und privater Krankenversicherung soll eine Solidarische Gesundheitsvollversicherung greifen: Alle zahlen mit ihren gesamten Einkünften (Erwerbs-, Kapital- und andere Einkommen) ein. Die Kostenerstattung von nicht-evidenzbasierten Behandlungsmethoden durch die GKV soll beendet werden. Beiträge werden auf alle Einkommen erhoben, Zuzahlungen und Eigenanteile fallen weg.

Finanzierung:

Mit der Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze sinkt der Beitrag für die Krankenversicherung von circa 15 auf weniger als 12 Prozent des Bruttolohns. Bis zur Einführung einer Solidarischen Gesundheitsversicherung müssen sich die Beiträge für Selbstständige stärker am realen Einkommen orientieren. Für Menschen mit einem Monatseinkommen unter 6.300 Euro sinken die Beiträge in absoluten Zahlen. 

ÖGD:

Die Linken wollen den ÖGD finanziell stärken und besser koordinieren. Im Zentrum soll die soziale Komponente von Gesundheit stehen – gerade bei Fragen der Prävention. 

Lehren aus der Corona-Pandemie:

Pandemie- und Katastrophenschutzpläne müssen fortgeschrieben und auf kommunaler Ebene durch den ÖGD regelmäßig auf ihre Funktionalität überprüft werden.

MVZ:

Durch den Betrieb von medizinischen Versorgungszentren versuchen sich Konzerne Profitmöglichkeiten im ambulanten Bereich zu schaffen. Diese Entwicklung will die Linke rückgängig machen. 

Das Wahlprogramm der Linken: https://www.die-linke.de/wahlen/wahlprogramm-2021

AfD

Duales System (PKV/GKV):

Die AfD will die soziale Pflegeversicherung und die gesetzliche Krankenversicherung zusammenlegen. Der Leistungsumfang der sozialen Pflegeversicherung soll dem Versicherungsprinzip in der Krankenversicherung angeglichen werden.

Finanzierung:

Geplant ist ein mehrstufiges Bonussystem für Beitragszahler, „das notwendige Arztkontakte nicht verhindert, aber von leichtfertigen Besuchen abhält“. Sie spricht sich für eine leistungsorientierte Bezahlung der Mediziner und gegen Kopfpauschalen, Budgetierung und willkürliche Honorarkürzungen aus. 

Lehren aus der Corona-Pandemie:

Die AfD plant die „unverhältnismäßigen“ Corona-Maßnahmen zu beenden. Es soll kein Tragen von Masken mehr in Kitas und Schulen geben. Sie will die Lockdown-Maßnahmen beenden. Eine „verpflichtende Impfung (direkt und indirekt)“, „Immunitätsausweise“, sowie „Tracking Apps“ oder „sonstige Überwachungsmaßnahmen“ lehnt die AfD ab. Sie fordert die Rückkehr zu bewährten wissenschaftlichen Diagnosemethoden zur Feststellung einer Infektion. Wird die WHO nicht grundlegend reformiert, will sich die AfD für den Austritt Deutschlands einsetzen.

Praxisstrukturen/MVZ:

Die Partei ist für den weiteren Ausbau von Arztpraxen, Polikliniken, MVZ mit angestellten Ärzten auch unter der Trägerschaft der Kommunen, aber unter ärztlicher Leitung.

Sicherstellungsauftrag:

Die AfD fordert die konsequente Wahrnehmung des Sicherstellungsauftrags für eine flächendeckende Versorgungsdichte durch die Kassen(zahn-)ärztlichen Vereinigungen. 

Das Wahlprogramm der AfD: https://www.afd.de/wahlprogramm

Die Bundeszahnärztekammer hat zur Bundestagswahl ihre Gesundheitspoltischen Positionen veröffentlicht: https://www.bzaek.de/gesundheitspolitische-positionen-zur-bundestagswahl-2021.html

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung hat ihre Agenda Mundgesundheit 2021-2025 herausgegeben: https://www.kzbv.de/agenda-mundgesundheit-2021%E2%80%932025.1514.de.html

pr/ak

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