Versicherungsschutz bei Naturkatastrophen
Während die üblichen Gebäude- und Inhaltsversicherungen gegen Feuer, Leitungswasser und Sturm standardmäßig vorhanden sind, fristet die Elementarschadensversicherung immer noch ein Dasein im Verborgenen. So liegt die Versicherungsdichte für Elementarschäden wie Starkregen, Hochwasser oder Überschwemmungen nur bei 45 Prozent. Dies liegt daran, dass die notwendige Elementarschadensversicherung, die sowohl für Gebäude als auch für den Hausrat beziehungsweise Inhalt einer angemieteten Praxis notwendig ist, separat abgeschlossen werden muss. Bis zur Wiedervereinigung in den alten Bundesländern weitgehend unbekannt, war sie in der DDR Teil der staatlichen Pflichtversicherung.
Der Markt ist absolut unübersichtlich
Die aktuellen Angebote der Versicherer sind vielschichtig und unterliegen einem stetigen Wandel. Während für manche Regionen keine Elementarschadensversicherungen angeboten werden, insbesondere dann, wenn Schadensfälle wie an den Elbufern und in den Rheingebieten programmiert sind, werden andernsorts unterschiedlichste Varianten verkauft. Hohe Selbstbeteiligungen, Verpflichtungen für Rückstauventile, Zeitwert- statt Neuwertversicherungen und entsprechend unterschiedliche Prämien, je nach Lage der Praxis und Versicherungsumfang, sorgen für einen absolut unübersichtlichen Versicherungsmarkt.
Es ist deshalb anzuraten, sich von einem Experten, der den gesamten Versicherungsmarkt im Blick hat, ein entsprechendes Angebot unterbreiten zu lassen, das an den speziellen örtlichen Gegebenheiten, dem Wert des Gebäudes und der Praxisausstattung orientiert ist. Zu beachten ist hierbei, dass es keinen gesetzlichen Kontrahierungszwang gibt, das heißt, dass Elementarschadensversicherer keine Verträge anbieten müssen. In gewissen Lagen ist ein Versicherungsschutz daher nicht zu realisieren.
Die Frage, welche Schäden übernommen werden, richtet sich nach den jeweiligen Versicherungsbedingungen. Ursprünglich handelte es sich bei der Elementarschadensversicherung um eine Neuwertversicherung, wie dies bei der Feuerversicherung der Normalfall ist. Aufgrund der aktuellen Schadensereignisse und der Tatsache, dass die Häufigkeit von Elementarschäden ansteigt, ist dies aber nicht mehr die Regel. Häufig wird inzwischen eine Zeitwertversicherung zwecks Prämienreduzierung angeboten, die aber nur den Wert der „gebrauchten“ Einrichtungsgegenstände und somit den Betrag für den Erwerb einer gleichwertigen gebrauchten Praxiseinrichtung bezahlt, unabhängig davon, ob es dafür einen Markt gibt oder nicht.
Der Zeitwert einer Praxiseinrichtung ist jedoch meist derart gering im Vergleich zum Neuwert, dass man sich die Höhe der Summe und die Aus- gestaltung der Versicherung wohl überlegen sollte. Achten Sie beim Abschluss darauf, dass die Versicherungssumme den Gegebenheiten entspricht.
Entgegen der landläufigen Meinung bedeutet eine Unterversicherung nicht, dass bis zu dem Betrag gezahlt wird, der als Versicherungssumme in der Police steht. Das Verhältnis Realwert zur Versicherungssumme ergibt den Quotienten, der für die Höhe der Regulierung maßgebend ist. Deckt die Versicherungssumme nur die Hälfte des Wertes ab, erhält man bei eingetretenem Schaden auch nur die Hälfte des Schadens ersetzt. Nicht versichert sind grundsätzlich Grundwasserschäden und Ausschlüsse in den Bedingungen, die man bei der Entscheidung bedenken muss.
Ausgeglichen wird der entgangene Gewinn
Wichtig sind bei der Betrachtung des zu versichernden Risikos aber nicht nur die Primärschäden, sondern auch Folgeschäden, wie die betriebswirtschaftlichen Folgen der Betriebs- unterbrechung. Die Kosten, die hierdurch entstehen wie der entgangene Gewinn, sind regelmäßig nicht oder nur gegen höhere Prämien versichert. Beachten Sie, dass nicht – wie häufig angenommen – die Umsatzeinbußen ausgeglichen werden, sondern entgangener Gewinn und eventuelle Kosten für das Personal. Hat man zum Beispiel in einem Quartal als Folge eines Hochwassers Umsatzeinbußen, die im Folgequartal, wenn die Patienten die Behandlungen nach-holen, wieder ausgeglichen werden, ist, wenn überhaupt, nur ein geringer Schaden entstanden.
Versichert sind regelmäßig auch Schäden, die durch Schneelawinen, Erdbeben und Erdrutsche entstehen. Man sollte sich im Zweifel die Ausschlüsse genau ansehen. In der Regel ist der Elementarschadensversicherungsschutz nur in Kombination mit einer Gebäude- beziehungsweise Hausratversicherung vereinbar. Versichert sind hierbei die Trockenlegung und Sanierung der Gebäude, die Reparatur am und im Gebäude sowie bei der Inhaltsversicherung die sich darin befindlichen Gegenstände; außerdem der Abriss oder Abbruch und die Errichtung eines gleichwertigen Ersatzgebäudes. Ebenfalls mitversichert werden können vorübergehende Mietausfälle oder die Kosten für eine Unterkunft, falls ein Gebäude nicht benutzt werden kann. Mit einer höheren Prämie sind nahezu alle Schadensereignisse versicherbar. In speziellen Situationen, wie etwa bei einem durch ein Hochwasser gehobenen Öltank, dessen auslaufendes Öl auch Nachbargrundstücke betreffen kann, zahlt eventuell auch die Haftpflichtversicherung.
Ist der Schaden eingetreten, muss unverzüglich der Versicherer auf dem Schriftwege – und sei es per E-Mail – unterrichtet werden. Hier sind insbesondere der Schadensort, der Zeitpunkt und die Versicherungsnummer anzugeben. Schon deshalb sollte man die Versicherungsunterlagen nicht am tiefsten Punkt im Haus verstauen. Die digitalisierte Aufbewahrung außerhalb der Praxis hat sich bewährt. Parallel dazu muss man die Erstmaßnahmen der Schadensminderung, wie etwa das Abpumpen von Wasser, veranlassen. Der Schaden ist umgehend zu dokumentieren. Hilfreich sind hierbei Fotografien und Zeugen, die sich vom eingetretenen Schaden ein Bild machen konnten. Auf keinen Fall sollte man ohne Weisung oder Genehmigung des Versicherers den Schaden beseitigen. Einen beseitigten Schaden kann man kaum nachträglich nachweisen, was aber im Streitfall die Verpflichtung des Geschädigten ist. Nachdem auch bei Versicherungen der Begriff Schaden auf einer Vorher-/ Nachherbetrachtung basiert, ist es empfehlenswert, bei Veränderungen der Praxiseinrichtung oder des Praxisgebäudes diese zu dokumentieren. Eine derartige Dokumentation des Ist-Zustandes vor dem Schaden erfolgt am besten jährlich.
Am besten den Schaden im Vorfeld verhindern
Schadensminderungsmaßnahmen im Vorfeld sparen nicht nur dem Versicherer, sondern im Zweifelsfall auch dem Geschädigten finanziellen Aufwand. So macht es Sinn, in Bodennähe nicht gerade die wertvollsten Elektrogeräte abzustellen, sondern soweit möglich, auf höher gelegener Position zu installieren. Zudem sollte man auch eigene bautechnische und organisatorische „Abwehrmaßnahmen“ ergreifen.
Ein Schaden, der nicht eintritt, ist immer einem versicherten Schaden vorzuziehen, zumal immer ein Teil des Schadens beim Geschädigten verbleibt. Hierzu gehören zum Beispiel wasserdruckresistente Verglasungen bei Lichtschächten und Erhöhungen der Lichtschachtkannten sowie Veränderungen der Oberfläche am Gebäude, die dem Wasser bei Starkregen eine Abflussmöglichkeit geben, oder der Einbau von Hebeanlagen in besonders gefährdeten Bereichen.
Sven-Wulf Schöller
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Lehrbeauftragter der Hochschule CoburgMitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV)
schoeller@kanzlei-fsr.de