Arbeitsrechtliche Fragen

Update zur Mitarbeiter-Impfung

Wie steht es um die Pflicht zur Impfung für das Praxispersonal und wie ist das mit der Abfrage nach dem Impfstatus? Sind Bonuszahlungen als Anreiz erlaubt? Und darf der Arbeitgeber Unterschiede machen zwischen geimpften und nicht geimpften Mitarbeitern? Der Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht, Dr. Christopher Liebscher, beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen.

Nach aktuellem Stand gibt es keine gesetzliche Impfpflicht gegen/zu/für COVID-19. Allerdings besteht in Einrichtungen des Gesundheitswesens – insbesondere auch in Arzt- und Zahnarztpraxen – ein erhöhter Schutzbedarf. Ob der Arbeitgeber die Impfung anweisen kann oder den Impfstatus erfragen kann, wird speziell für Arzt- und Zahnarztpraxen durchaus abweichend diskutiert und eingeschätzt als bei anderen Arbeitgebern. Der Arbeitgeber muss insbesondere sicherstellen, dass nicht geimpfte Personen kein Risiko für die Patienten darstellen (§ 23 Abs. 3 Nr. 8 IfSG). Der Patientenschutz kann es demnach durchaus rechtfertigen, dass ungeimpfte Personen in bestimmten Bereichen nicht mehr tätig werden können – was wiederum Auswirkungen auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses sowie auf die gegenseitigen Rechte und Pflichten haben kann. 

Darf ich meine Mitarbeiter zur Impfung verpflichten?

Dr. Christopher Liebscher:

Nein – auch nicht in Arzt- und Zahnarztpraxen. Erteilt ein Arbeitgeber eine Weisung, muss diese billigem Ermessen entsprechen und insbesondere die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen. Der Arbeitgeber hat zwar ein Interesse an vor der Infektion geschützten Arbeitnehmern. Nach allgemeiner Auffassung ist der durch die Impfung erfolgende Eingriff in die körperliche Selbstbestimmung aber so gewichtig, dass die Interessen des Arbeitnehmers überwiegen.

Kurz nach Beginn der Impfkampagne war lebhaft umstritten, ob ein Arbeitgeber für besondere Berufsgruppen, insbesondere für medizinisches Personal, die Impfung anordnen dürfe. Insoweit wurde teilweise die Impfanordnung bei Arbeitnehmern für zulässig gehalten, die nach der Coronavirus-Impfverordnung mit höchster Priorität zu impfen seien [Naber/Schulte, NZA, 2021, 81, 83]. Nach anderer Ansicht sollte dies nur bei einer im Vergleich zum betreffenden Arbeitnehmer geringeren Impfpriosierung der betreuten Patienten gelten [Fuhlrott/Fischer, NJW, 2021, 657 Rn. 16]. Die Priorisierung ist aber bereits zum 07.06.2021 entfallen – ob sich eine vom Arbeitgeber angeordnete Impfverpflichtung mit der Wertung einer gar nicht mehr anwendbaren Verordnung rechtfertigen lässt, ist sehr zweifelhaft. Es kann mittlerweile kein Argument mehr sein, dass nur wenige Personen impfberechtigt sind und daher zum Schutz der nicht impfberechtigten Patienten in die Verantwortung genommen werden müssen. Im Ergebnis wird der Arbeitgeber die Impfung nicht anordnen können.

Auf die Möglichkeit der Impfung hat der Arbeitgeber gemäß der neugefassten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung aber ausdrücklich hinzuweisen. Es spricht auch nichts dagegen, die Sinnhaftigkeit der Impfung näher zu erläutern.

Darf ich meine Mitarbeiter nach ihrem Impfstatus fragen?

In Arzt- und Zahnarztpraxen im Ergebnis Ja. Bei der Auskunft über den Impfstatus handelt es sich um Gesundheitsdaten. Nach Art. 9 DSGVO dürfen Gesundheitsdaten grundsätzlich nicht verarbeitet werden. Ob für den Impfstatus eine Ausnahme entsprechend § 26 Abs. 3 BDSG gerechtfertigt ist, wird aktuell diskutiert. Die geänderte SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung sieht lediglich vor, dass der Arbeitgeber einen ihm bekannten Impfstatus berücksichtigen soll, ein Auskunftsanspruch wird aber ausdrücklich nicht begründet.

Für Arzt- und Zahnarztpraxen ergibt sich eine spezialgesetzliche Regelung aus Art. 88 DSGVO, §§ 23a, 23 Abs. 3 Nr. 8 IfSG. Demnach dürfen Arzt- und Zahnarztpraxen zur Infektionsvermeidung personenbezogene Daten eines Beschäftigten über dessen Impfstatus verarbeiten, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden. Die Auskunft muss also dazu dienen, ein konkretes Einsatzkonzept zur Vermeidung von Infektionsrisiken aufstellen zu können.

Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD haben sich am Abend des 2. September zwischenzeitlich darauf geeinigt, dass Arbeitgeber auch in weiteren gefährdeten Bereichen – Schulen, Pflegeheime etc. – den Impf- oder Genesenenstatus der Mitarbeiter abfragen dürfen. Für Arztpraxen und Krankenhäuser galt dies, wie erläutert, gemäß IfSG ohnehin schon.

Muss oder darf ich meinen Mitarbeitern für den Impftermin von der Arbeit freistellen?

Ja. Nach der neu gefassten und am 10.09.2021 geändert in Kraft getretenen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung muss der Arbeitgeber dem Beschäftigten ermöglichen, sich während der Arbeitszeit gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Auszugehen ist von einer bezahlten Freistellung.

Darf ich monetäre Anreize, also einen Bonus in Form einer Impfprämie anbieten?

Nach überwiegender Ansicht nicht. Umstritten ist, ob eine „Impfprämie“ gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB verstößt. Die wohl überwiegenden Literaturstimmen nehmen einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot an, wenn eine Prämie nur an geimpfte Arbeitnehmer ausgezahlt wird [Seidel/Ahnefeld, AuA 3/21, 25, 28; Naber/Schulte, NZA, 2021, 81, 85; BeckOnline-Großkommentar/Benecke § 612a, Rn. 50; Bayer, ArbRAktuell 2021, 233, 235]. Darin liege eine Benachteiligung der Arbeitnehmer, die sich zulässigerweise gegen eine Impfung entscheiden würden.

Diese Frage lässt sich zwar auch anders beurteilen, auf jeden Fall ist eine Prämie für geimpfte Mitarbeiter mit Risiken verbunden: Bei einem Verstoß gegen das Maßregelungsverbot könnten auch die nicht geimpften Arbeitnehmer verlangen, die Prämie ausgezahlt zu bekommen.

Sind berufliche Nachteile möglich, wenn man sich nicht impfen lässt? Darf ich meinem Mitarbeiter etwa den Zutritt zu gewissen Räumlichkeiten wie dem Pausen- oder Aufenthaltsraum des Personals verbieten, solange er nicht geimpft ist?

Da Beschäftigte nicht verpflichtet sind, sich impfen zu lassen, kann der Arbeitgeber nach überwiegender Ansicht diese Beschäftigten auch nicht deswegen schlechter behandeln. Dies ergebe sich aus dem Maßregelungsverbot, das eine Ungleichbehandlung im Betrieb verbietet.

Gerechtfertigt sein kann eine Ungleichbehandlung allerdings aufgrund der Fürsorgepflicht für die Belegschaft im Hinblick auf die Vermeidung von Ansteckungen, § 618 BGB. Aus diesem Grund kann es geboten sein, geimpfte Arbeitnehmer anders zu behandeln als Ungeimpfte. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot liegt nicht vor, wenn im Sinne des § 5 ArbSchG „erforderliche Maßnahmen“ ausgeübt werden. Allerdings wäre auch das nur rechtlich möglich, wenn es keine andere Möglichkeit gebe, Ansteckungen zu verhindern. Als Alternative zu Zugangsverboten bieten sich insbesondere tagesaktuelle Schnelltests an, die wohl alternativ zum Impfnachweis zum Zugang berechtigen müssten. Nach aktuellem Forschungsstand wäre nämlich die These zu gewagt, dass bei einem tagesaktuellen Negativtest Dritte weniger stark vor Ansteckungen geschützt sind, als dies bei einer Impfung der Kontaktperson der Fall wäre. Zumindest mit geringer Wahrscheinlichkeit kann sowohl die Infektion durch Geimpfte erfolgen als auch durch Personen, die im Ergebnis fehlerhaft negativ getestet wurden.

Dürfen Arbeitgeber bei der Aufgabenzuweisung zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften unterscheiden?

Der Arbeitgeber darf nach billigem Ermessen bestimmen, welcher Arbeitnehmer welche Tätigkeiten ausübt. Dementsprechend kann auch angeordnet werden, dass nur geimpfte Arbeitnehmer Tätigkeiten mit Patientenkontakt übernehmen. Schließlich muss nach § 23 Abs. 3 Nr. 8 IfSG in Arzt- und Zahnarztpraxen die Infektion ausdrücklich verhütet werden. Bleiben keine Aufgaben mehr übrig, die der Arbeitnehmer nach seiner Qualifikation erfüllen kann, kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht.

Riskiert der Arbeitnehmer seinen Arbeitslohn, wenn er sich nicht impfen lässt?

Ist der Arbeitnehmer sowohl für den jeweiligen Tag ungetestet als auch ungeimpft, werden ihm nach meiner Auffassung gemäß § 297 BGB keine Ansprüche auf Gehaltsfortzahlung zustehen, wenn der Arbeitgeber auf seine Dienste verzichtet. Zumindest in Arzt- und Zahnarztpraxen wird der Arbeitgeber daher die Arbeitsleistung ungetesteter und ungeimpfter Personen zurückweisen können. Dies gilt trotz der hohen Impfquote in der Bevölkerung, schließlich kann es auch bei an sich geimpften Patienten oder Kollegen zu Impfdurchbrüchen kommen. Abgesehen davon wird es voraussichtlich auch weiterhin Patienten geben, die aufgrund eigener Entscheidung oder aufgrund von Vorerkrankungen ungeimpft sind, Kinder unter zwölf Jahren werden ohnehin vorerst ungeimpft sein.

Muss ein ungeimpfter Arbeitnehmer in Quarantäne und kann dadurch seine Arbeitsleistung nicht erbringen, steht ihm aufgrund der unterlassenen und öffentlich empfohlenen Schutzimpfung gemäß § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG keine Entschädigung zu. Der Arbeitgeber hat dann auch keine Zahlung zu leisten. Demgegenüber sind gegen COVID-19 vollständig geimpfte Personen laut dem RKI von der Quarantäne ausgenommen. Erkrankt der ungeimpfte Arbeitnehmer infolge einer Infektion mit COVID-19, kommt ein den Entgeltfortzahlungsanspruch ausschließendes „Verschulden gegen sich selbst“ in Betracht. Hierfür spricht unter anderem der Vergleich zu § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG. Gerichtsentscheidungen zu dieser Frage liegen noch nicht vor.

Riskiert der Arbeitnehmer die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wenn er sich nicht impfen lässt?

Wer als Arbeitnehmer in Arzt- und Zahnarztpraxen Patienten und Kollegen anstecken kann und an diesem Zustand nichts ändern will, ist für die Tätigkeit nicht mehr geeignet und kann grundsätzlich personenbedingt gekündigt werden. Dies setzt aber voraus, dass der ungeimpfte Arbeitnehmer sich nicht täglich testet und so zur Infektionsvermeidung beiträgt. Während die Impfung permanent aufrechterhalten bleibt, kann ein Negativtest nur bei täglicher Aktualisierung die gleiche Sicherheit für Dritte vor Infektionen bieten.

Einen täglichen Corona-Test muss der Arbeitgeber aber nicht zur Verfügung stellen, die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung sieht zwei Tests in der Woche vor. Ob die Kündigung tatsächlich auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt wäre, wird sich aber nur im Einzelfall beurteilen lassen.

Die personenbedingte Kündigung scheidet aus, wenn dem Arbeitnehmer auch Tätigkeiten ohne Patientenkontakt zugewiesen werden könnten – besteht hierfür nach zwischenzeitlich erfolgter „Versetzung“ kein Bedarf mehr, kommt aber nach vorangegangener Sozialauswahl auch eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Die bloße Ansteckungsgefahr dürfte die personenbedingte Kündigung hingegen nicht rechtfertigen: Schließlich ist es keineswegs gewiss, dass ein schwerer Verlauf einer COVID-Erkrankung auftritt, die abstrakten wirtschaftlichen Risiken einer vom Gesundheitsamt angeordneten Quarantäne für den Arbeitgeber würden regelmäßig nicht die Interessen des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung überwiegen.

Was kann ich tun, wenn der Mitarbeiter sich partout nicht impfen lassen will und die Verweigerung kommuniziert?

Wenn der Arbeitnehmer in der Praxis seine Impfverweigerung kommuniziert, wird dies als freie Meinungsäußerung einzuschätzen sein und keine Abmahnung oder Kündigung rechtfertigen. Anders ist der Fall aber wohl zu beurteilen, wenn der Arbeitnehmer seine Impfskepsis entgegen einer ausdrücklichen Weisung des Arbeitgebers kundtut [Fuhlrott/Fischer, NJW, 2021, 657 Rn. 19].

Das Gespräch führte Laura Langer.

Dr. Christopher Liebscher

Fachanwalt für Arbeitsrecht
und Medizinrecht

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.