IDZ-Studie

Wie junge Zahnärztinnen und -ärzte beim Berufsstart arbeiten wollen

David Klingenberger
Bereits in den vergangenen beiden Heften haben wir uns näher mit dem neuen Buch „Junge Zahnärztinnen und -ärzte“ von Nele Kettler beschäftigt. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) hat über mehrere Jahre hinweg die Einstellungen der sogenannten Generation Y untersucht. Dieses Mal geht es um die Frage, wie sich junge Zahnärztinnen und Zahnärzte den Einstieg ins Berufsleben vorstellen.

Wir leben heute, wie es der Schweizer Soziologe Peter Gross formuliert hat, in einer „Multioptionsgesellschaft“, die gekennzeichnet sei durch den unaufhörlichen Versuch, „die Kluft zwischen gelebten Wirklichkeiten und erträumten Möglichkeiten zu überwinden“. Dieser Befund trifft gleichermaßen auf das Private wie auf den Beruf zu – und nicht zuletzt auf die komplexe Beziehung dieser beiden Sphären zueinander, die sogenannte Work-Life-Balance. 

Die Frage nach der Balance von privaten und beruflichen Belangen stellt sich in der Anfangsphase der Berufsausübung in besonderem Maß. In dieser Phase werden die Weichen für die Zukunft gestellt und es wird investiert, nicht nur finanziell, sondern auch zeitlich und gefühlsmäßig.

Da ist es wenig verwunderlich, dass auch viele junge Zahnärztinnen und Zahnärzte in den ersten Berufsjahren unsicher sind, welchen beruflichen Weg sie einschlagen sollen. In diesem Abwägungs- und Entscheidungsprozess sind nämlich nicht nur solche Determinanten bedeutsam, die den zahnärztlichen Beruf direkt betreffen, sondern auch andere Lebensbereiche wollen mitbedacht sein.

Drei Determinanten für die Entscheidung

Die neue IDZ-Monografie von Dr. Nele Kettler („Junge Zahnärztinnen und -ärzte – Berufsbild – Patientenversorgung – Standespolitik“) versucht dieses verwirrende Knäuel aus beruflichen Wegen, Umwegen und Sackgassen zu entwirren. Analytisch unterscheidet die Autorin drei übergeordnete Bereiche, die Einfluss auf die individuelle Karriereentscheidung haben:

1. Arbeitsbedingungen:

Dieser Bereich umfasst alle direkt und indirekt dem Arbeitsplatz und der dort ausgeübten Tätigkeit zuzuordnenden Determinanten. Diese sind teilweise quantifizierbar, wie etwa der Verdienst beziehungsweise das Einkommen oder auch die Arbeitszeiten. Doch auch Determinanten, die in der subjektiven Wahrnehmung und Bewertung sehr unterschiedlich ausfallen können, definieren die Arbeitsbedingungen (etwa Betriebsklima, wahrgenommener Stress).

2. Familiäres und privates Umfeld:

Umstände und Wünsche im privaten Bereich können sich direkt oder indirekt auf berufliche Entscheidungen auswirken. Sind beispielsweise Kinder vorhanden, der Partner oder die Partnerin an einen bestimmten Arbeitsplatz gebunden oder die Eltern pflegebedürftig, so werden Karriereentscheidungen zum Teil unter Einbezug dieser Determinanten getroffen.

3. Persönlichkeit:

Nicht zuletzt spielen Determinanten wie der Wunsch nach Selbstverwirklichung oder die persönliche Risikobereitschaft eine Rolle bei der Karriereentscheidung.

Auf der Basis dieser drei Determinanten entscheiden die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte über eine ganze Reihe beruflicher Aspekte und versuchen so, die für sie individuell stimmige berufliche Option aus der Vielfalt aller denkbaren Optionen zu entwickeln. Im Einzelnen haben sie über die folgenden Aspekte zu entscheiden:

  • Wird eine berufliche Tätigkeit in der Patientenversorgung angestrebt, oder doch lieber außerhalb?

  • In welchem Umfang möchte ich tätig werden? In Vollzeit oder doch besser in Teilzeit?

  • Strebe ich eine Niederlassung an oder entspricht die Anstellung doch eher meinem Naturell und meinen langfristigen beruflichen Plänen?

  • Und falls ich mich für die Niederlassung entscheide: Finde ich auf dem Praxisabgabemarkt eine zu meinen Vorstellungen passende Praxis oder gehe ich den Weg der Neugründung?

  • Und schließlich: Welche Praxisform soll es sein, sei es angestellt oder niedergelassen: Die Einzelpraxis? Oder doch lieber die Kooperation mit Kollegen in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)? Oder wäre gar ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) eine Option für mich?

Es gibt keinen Königsweg mehr

Die erstgenannte Weichenstellung, also die Entscheidung für eine Tätigkeit innerhalb oder außerhalb der Patientenversorgung, führt etwa 90 Prozent der jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte in die Patientenversorgung. Bei den nachgelagerten Weggabelungen gibt es dann allerdings keinen eindeutigen „Königsweg“ mehr.

Für ihre zukünftige Tätigkeit wünschten sich in der IDZ-Befragung 21,4 Prozent der jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte, in Teilzeit tätig zu sein. Die Präferenz für eine Teilzeittätigkeit war bei Frauen etwas ausgeprägter (25,8 Prozent) als bei ihren männlichen Kollegen (20,0 Prozent). Diejenigen, die eine Anstellung präferierten, wünschten sich signifikant häufiger eine Teilzeittätigkeit als die Niederlassungswilligen.

Eminent wichtig ist dann offenkundig die Entscheidung zwischen den Optionen Niederlassung oder Anstellung – im Sinne einer „Gretchenfrage“. Hier zeigte sich immerhin ein Fünftel der Befragten unentschlossen. Für eine berufliche Tätigkeit in freier Praxis votierten 57,3 Prozent, für die Option der Anstellung 22,6 Prozent der Befragten.

In der gleichen Befragung wurden die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte gebeten, aus einer Liste von 14 Determinanten jeweils zu entscheiden, ob der jeweilige Aspekt eher ein Argument für die Option der Niederlassung sei oder im Gegenteil für eine Anstellung spreche. Demnach sprachen sieben Determinanten eher für die Niederlassung, hingegen sechs Determinanten für die Anstellung. Lediglich der Aspekt des fachlichen Austauschs mit den Kolleginnen und Kollegen wurde größtenteils neutral gewertet, also in beiden beruflichen Optionen als realisierbar gesehen. Eindeutig für die Niederlassung spricht der Aspekt „eigener Chef sein“, der Freizeitaspekt hingegen überwiegend für die Anstellung, was den erwähnten höheren Anteil der Befragten mit Anstellungspräferenz und Teilzeitwunsch erklärt.

Kleine gemeinschaftliche Praxisformen bevorzugt

Bei der Realisierung der Niederlassung zeigt sich recht häufig die eingangs erwähnte „Kluft zwischen gelebten Wirklichkeiten und erträumten Möglichkeiten“. Die gewünschte Gründungsform muss nicht immer der tatsächlich realisierten entsprechen: Sowohl die Übernahme als auch der Einstieg oder Beitritt setzen eine Einigung zwischen (in der Regel älteren) Praxisinhaberinnen und -inhabern und (oft jüngeren) Existenzgründerinnen und -gründern voraus. Nicht selten kommt es zum Abbruch der Kaufverhandlungen, da unüberbrückbare Meinungsunterschiede hinsichtlich der vorliegenden und der gewünschten Praxiseigenschaften bestehen. So präferieren die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte häufiger den Einstieg in eine beziehungsweise den Beitritt zu einer Berufsausübungsgemeinschaft. Diese Option scheint aber letztlich nicht immer realisierbar zu sein, so dass die Niederlassung mitunter in Einzelpraxis als Second-best-Lösung erfolgt. 

Abschließend kann man sagen, dass kleinere gemeinschaftliche Praxisformen von der nachrückenden Generation bevorzugt werden. Mehrheitlich wurden in gemeinschaftlichen Praxisformen (Berufsausübungsgemeinschaften oder Praxisgemeinschaften) die besten Arbeitsbedingungen vermutet. 

Dr. David Klingenberger

Stellvertretender wissenschaftlicher Direkor des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) in Köln

137676-flexible-1900

Dr. David Klingenberger

stellv. wiss. Direktor des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ)
Dr. David Klingenberger ist stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ). Seit 2001 ist er dort für die Bereiche Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung zuständig. Ein Schwerpunkt des promovierten Diplom-Volkswirts ist die Existenzgründungsforschung.

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