So schürt Dr. Wolff die Angst vor Fluorid
Aufgrund der hohen Kariesraten hatten sich die zahnärztlichen Fachgesellschaften Ende 2018 auf eine Erhöhung des Fluoridanteils in Kinderzahnpasten von 500 auf 1.000 ppm geeinigt – bis zum Alter von zwei Jahren Reiskorngröße, von zwei bis sechs Jahren Erbsengröße.
In seinem neuen TV-Spot „Erbsen-Challenge“ für „Kinder Karex“ stellt der Zahnpasta-Hersteller Dr. Wolff die Notwendigkeit von Fluorid-Zugaben in Kinderzahnpasten generell infrage: „Wussten Sie, dass Kinderzahnpasta mit Fluorid nur erbsengroß auf die Zahnbürste soll? Aber erzählen Sie das mal Ihren Kindern!“ Mit einer Zahnpasta, die – wie eben „Kinder Karex“ – Hydroxylapatit („BioHAP“) anstelle von Fluorid enthält, sei es egal, wie viel Zahnpasta das Kind verwendet: „Deshalb haben wir eine Zahnpasta entwickelt, bei der selbst Verschlucken kein Problem ist.“
Karies bei Kindern bleibt ein Problem
Karies bei Kindern ist weiterhin ein großes Problem in Deutschland. Wie der aktuelle BARMER-Zahnreport zeigt, hatten 54 Prozent der unter Zehnjährigen kariöse, behandlungsbedürftige Zähne. Durch den Coronabedingten Wegfall der Gruppenprophylaxe in Kitas könnten diese Zahlen noch weiter ansteigen.
Aus der Stellungnahme der Informationsstelle für Kariesprophylaxe (IfK) und der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (dgpzm)
Gerügt wird der Werbe-Spot nun vom wissenschaftlichen Beirat der Informationsstelle für Kariesprophylaxe (IfK) und der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (dgpzm): Die Werbung trage zur Verunsicherung der Eltern bei, denn die Aussage der „Erbsen-Challenge“ stelle die Fluorid-Empfehlungen in Abrede. „Das legt ein mögliches Risiko einer Überdosierung von Fluorid verursacht durch unpräzises Auftragen nahe“, bemängeln IfK und dgpzm.
Die Werbung kann Eltern verunsichern
„Zum einen werden die offiziellen Empfehlungen der Fachgesellschaften ignoriert, zum anderen ist der Werbespot geeignet, Angst vor Fluorid zu schüren und so die Eltern zu verunsichern“, betont dgpzm-Präsident und IfK-Sprecher Prof. Dr. Stefan Zimmer, Lehrstuhlinhaber für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der Universität Witten/Herdecke. Er führt aus: „Wir wissen heute, wie wichtig Fluoride zur Kariesvorbeugung sind, die Wirksamkeit ist in über 300 internationalen klinischen Studien sehr gut belegt. Für Hydroxylapatit konnte dies bisher nicht in vergleichbarem Maße gezeigt werden. Vom Gebrauch der Zahnpasten, die lediglich Hydroxylapatit und kein Fluorid zur Kariesprophylaxe enthalten, raten wir daher ab.“
Bei richtiger Anwendung besteht kein Risiko
Über 300.000 Untersuchungen belegen demnach, dass von Fluoriden bei korrekter Anwendung keine gesundheitliche Gefahr ausgeht. Bei einer längerfristigen Überdosierung bestehe bei Kindern unter sechs Jahren allenfalls das Risiko einer Fluorose. Überdosierungen sollten daher vermieden werden. Unabhängig davon, welche Inhaltsstoffe in einer Zahnpasta enthalten sind, sollten Eltern die Dosierung Kindern unter sechs Jahren bekanntlich ohnehin nicht selbst überlassen.
Wenig Evidenz zu Hydroxylapatit
„Hydroxylapatit ist ein Mineral, das auch in unseren Zähnen vorkommt. Künstlich hergestellt soll es den natürlichen Zahnschmelz imitieren, bei der Remineralisierung unterstützen, das Anheften von Plaque an die Zahnoberfläche erschweren und so vor Karies schützen. Allerdings gibt es nur wenig Evidenz zur kariespräventiven Wirkung von Hydroxylapatit. Eine neue Ein-Jahres-Studie mit Drei- bis Siebenjährigen zeigt, dass die Kinder Karex einer Kinderzahnpasta mit 500 ppm nicht unterlegen ist. Metaanalysen belegen für eine Zahnpasta mit nur 500 ppm Fluorid jedoch keine signifikante Wirksamkeit in der Kariesprävention bei Kindern. Daher empfehlen Fachgesellschaften die Erhöhung auf 1.000 ppm Fluorid. So legt eine neue In-vitro-Studie aus der Schweiz, nahe, dass Zahnpasten ohne Fluorid – egal, ob sie Nanohydroxylapatit enthalten oder nicht – keine demineralisationshemmende Wirkung aufweisen. Im Unterschied dazu ließ sich der Effekt der Kariesprävention bei Zahnpasten mit Fluorid feststellen.“
Aus der Stellungnahme der Informationsstelle für Kariesprophylaxe (IfK) und der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (dgpzm)