30 Jahre zahnmedizinische Patientenberatung in Baden-Württemberg

Mit einem Telefon fing alles an

Den Anfang machten die Schwaben, ganz klein, und zwar mit einem Bürgertelefon in Stuttgart. Inzwischen sind 30 Jahre vergangen und die zahnmedizinischen Patientenberatungen in jedem Bundesland fest etabliert. Vorreiter Baden-Württemberg geht bereits einen Schritt weiter und informiert ratsuchende Patienten neuerdings auch per Video.

Die Anwendung ist webbasiert und kann mit dem PC, Laptop, Tablet oder Mobiltelefon gestartet werden. „Das funktioniert so einfach wie WhatsApp,“ erklärt eine Mitarbeiterin der in Stuttgart angesiedelten Patientenberatungsstelle. „Die Ratsuchenden schätzen den trotz Video persönlichen Kontakt, vis à vis sozusagen im Gegensatz zum Telefon“, bestätigt Dr. Konrad Bühler, seit 2014 Vorsitzender des Verwaltungsrats der Zahnmedizinischen Patientenberatung in Baden-Württemberg. „Man kann mit der Stimme eben auch ein Gesicht verbinden. Sie schätzen weiterhin, dass sie nicht zu einer Beratungsstelle anreisen müssen. Sie finden es außerdem sehr vorteilhaft, dass man zusammen Röntgenbilder und den Kostenvoranschlag beziehungsweise den Heil- und Kostenplan anschauen kann. Manche laden sogar ein Foto aus ihrem Mund hoch.“

Angefangen hat die Beratungsplattform mit einem Bürgertelefon, das 1991 vom Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit Baden-Württemberg (IZZ) eingerichtet wurde und im Laufe des Jahres 1992 das Angebot zur zahnmedizinischen Patientenberatung auf das ganze Bundesland ausweiten konnte.


Zahnärzte, die ihre Kompetenz und ihr in der Praxis erworbenes Know-how in ihrer Freizeit zur Verfügung stellen, waren und sind die Ansprechpartner in der Beratungsstelle. Sie verstehen sich als Lotsen für die Patienten. Die Akzeptanz war von Anfang an groß. 1996 ging das „Zahnarzt-Telefon“ – bundesweit ein Pilotprojekt – als „Zahnmedizinische Patientenberatung“ an den Start. Ab 1998 konnten neben der telefonischen Beratung auch persönlich Termine vereinbart werden.

Getragen wird das gesamte Angebot von der KZV und der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg. Um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden, erhielt die zahnmedizinische Patientenberatung 2014 eine eigene Geschäftsstelle, bis dahin organisierte das IZZ die telefonische Beratung.

Ziel ist ein Gespräch auf Augenhöhe

Die Beratung umfasst das Spektrum von zahnmedizinischen, juristischen bis zu finanziellen Fragen einer Behandlung. Die Beratung findet immer losgelöst von wirtschaftlichen und politischen Interessen statt. Ziel ist, den Patienten zu helfen, sich über die Vor- und Nachteile der vielfältigen Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten zu informieren. Damit die Beratung neutral und auf dem neuesten Stand der Wissenschaft erfolgt, werden die beratenden Zahnärzte speziell geschult. Da sie der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, kann ihnen der Ratsuchende voll vertrauen. Im Gespräch achten sie auch darauf, die Information für die Laien verständlich zu formulieren und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen.

Das ist besonders dann wichtig, wenn zusätzliches Expertenwissen benötigt wird, nachdem der Patient mit seinem Hauszahnarzt über Brücken oder Implantate, Zahnersatz oder kieferorthopädische Maßnahmen gesprochen hat. Auf dem Zahnarztstuhl befindet sich der Patient meist in einer Stresssituation, Fragen kommen nicht selten im Nachhinein auf, die er dann neutral beantwortet haben möchte.

Über 31.000 Beratungen in einem Jahr

Dann kann er sich kostenlos eine Zweitmeinung einholen. Die neutralen Beratungszahnärzte können den HKP erläutern, Unterstützung bei der anstehenden Behandlungsentscheidung leisten und auch Alternativen aufzeigen. Die persönlichen Gespräche finden in den Zahnärztehäusern Freiburg, Mannheim, Stuttgart und Tübingen, im Notfalldienstzentrum Heidelberg sowie in den zahnärztlichen Fortbildungsinstituten in Karlsruhe und in Stuttgart statt.

Wie wichtig eine vertrauensvolle und fachlich fundierte Kommunikation für die Patienten ist, zeigen Zahlen der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung von 2020: Mit über 31.000 zahnmedizinischen Beratungen sind die Beratungsstellen von Kammern und KZVen mit großem Abstand die meistbesuchte Anlaufstelle für Patienten. Rund ein Drittel der bundesweit Ratsuchenden werden von ihrer Krankenkasse auf die zahnmedizinische Patientenberatung aufmerksam gemacht. In Baden-Württemberg waren es 36,15 Prozent – der Kammer zufolge ein großer Vertrauensbeweis der Kostenträger.

Die aktuellsten Zahlen für das Land stammen aus 2021: Insgesamt 3.770 Beratungen wurden geführt, davon waren 392 persönliche Gespräche zur Einholung einer Zweitmeinung. Darunter sind Frauen mit 63,5 Prozent unter den Ratsuchenden in der Mehrheit. Das gilt auch für GKV-Versicherte, die fast 90 Prozent der Beratungsfälle ausmachen.

Um sich eine Anreise zum persönlichen Zweitmeinungstermin zu ersparen und auch aus Gründen der Nachhaltigkeit, sollen in Zukunft noch mehr Ratsuchende die Online-Beratung wählen.

Bisher sind zwei geschulte Berater im Video-Einsatz. Eine Team-Erweiterung ist geplant, weil das Format so gut ankommt. Die Mitarbeiter sprechen von einem großen Mehrwert im Vergleich zur reinen Telefon-Beratung – aufgrund der möglichen „Visualisierung“ der Fragestellung.

Westfalen-Lippe ist seit 1996 am Start 

In Westfalen-Lippe können sich seit 26 Jahren Patienten kostenfrei über zahnärztliche Themen eine zweite Meinung einholen. Jeden Mittwoch werden die Anfragen telefonisch von einem Beraterteam aus erfahrenen Zahnärzten beantwortet. „Die Patientenberatungsstelle fungiert dabei als unabhängiger Ansprechpartner für die Patientinnen und Patienten. Wir sind sehr stolz, dass wir über die Jahre bereits mehr als 20.000 Ratsuchenden weiterhelfen konnten“, berichtet Jost Rieckesmann, Präsident der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe. Dabei sei es immer das wichtigste Ziel, die Anliegen der Patienten ernst zu nehmen und am Ende eine sachgerechte Lösung zu finden.

„Während der Pandemie sind unsere Berater ins Homeoffice gewechselt. Das hat prima funktioniert und hat auch der Nachfrage nicht geschadet – ganz im Gegenteil“, berichtet das Team der Beratungsstelle Westfalen-Lippe. | Zahnärztekammer Westfalen-Lippe

KZV-Chef Dr. Holger Seib: „Weitere wichtige Aufgaben unserer Patientenberatung sind sachliche Informationen zu Behandlungsverfahren, Materialien und modernen Versorgungsformen oder auch Informationen zu komplexen Abrechnungen oder zu umfangreichen Planungen von Behandlungen.“

 

Auch die zahnärztliche Begutachtungsstelle in Westfalen-Lippe feierte 2021 ihr 25-jähriges Bestehen. Sie soll Klarheit im Fall eines möglicherweise vorliegenden Behandlungsfehlers schaffen und helfen, Konflikte außergerichtlich aufzuklären und zu lösen. „In vielen Fällen konnte so ein aufwendiges und langwieriges Gerichtsverfahren vermieden und dennoch Sachverhaltsaufklärung und Rechtsfrieden herbeigeführt werden. Das macht die Arbeit der Begutachtungsstelle so bedeutsam“, sagt Rieckesmann.

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