Der Trend zurück zur Einzelkämpferin
Ursprünglich hatte die apoBank 2020 das Verhalten von Gründern in ganz Deutschland untersucht. Dem lag eine Stichprobe von 350 Existenzgründungen zugrunde, die von der Bank begleitet wurden. Angeregt durch die KZV und die Landeszahnärztekammer Brandenburg nahm die Bank dann eine Sonderauswertung für Ostdeutschland vor. Ergänzt haben KZV und Kammer diese um ihre Landeszahlen.
Im Zuge der Sonderauswertung der Analyse wurde Deutschland in die vier Regionen Nord, Süd, West und Ost aufgeteilt. Und da gibt es zwischen den Gründerinnen und Gründern mehr als deutliche Unterschiede, wie Frank Sparholz, Gebietsleiter Berlin-Brandenburg der Bank, erläuterte. Während in der Region Süd (Baden-Württemberg und Bayern) der Anteil der Zahnärzte bei den Gründungen bei 64 Prozent liegt, ist es in der Region Ost (Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern) genau umgekehrt: Dort liegt der Frauenanteil bei 62 Prozent. In den Regionen Nord und West sind die Männer mit 52 beziehungsweise 54 Prozent leicht vorn.
Die BAG – für Frauen im Osten heute unattraktiv
Lenkt man den Blick auf die Region Ost werden weitere Unterschiede zwischen den Geschlechtern deutlich. Lag im Jahr 2016 der Anteil der Gründerinnen, die sich in einer Kooperation wie einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) niederließen, noch bei 33 Prozent, waren es im Jahr 2020 nur noch magere 12 Prozent. Anders ausgedrückt: Neun von zehn ostdeutschen Gründerinnen lassen sich in einer Einzelpraxis nieder. Ganz anders ihre männlichen Kollegen: Während 2016 noch 20 Prozent der Gründer eine Kooperationsform zur Gründung wählten, so waren es vier Jahre später schon 30 Prozent. Das überraschende Ergebnis ist also, dass die Einzelpraxis für die allermeisten Zahnärztinnen im Osten für den Einstieg in die Niederlassung am attraktivsten ist.
Nach den Gründen gefragt erklärte Dr. Heike Lucht-Geuther, Vorstandsmitglied der KZV Land Brandenburg (KZVLB), dass der Wunsch überwiege, seine eigene Chefin zu sein und die Praxis nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Formen der Zusammenarbeit würden unter Gründerinnen aber trotzdem entwickelt, ergänzte Dr. Romy Ermler, Vorstandsmitglied der Landeszahnärztekammer Brandenburg und Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer. „Die Gründerinnen in einer Region bilden oft virtuelle Kooperationen. Dieser Trend kristallisiert sich heraus“, erläuterte Ermler.
Brandenburgerinnen gründen mit 42 Jahren
Bei den ostdeutschen Gründerinnen gibt es im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen weitere große Unterschiede zu beobachten: So gründen dort die Zahnärztinnen im Schnitt über drei Jahre später als die Zahnärzte – Tendenz steigend. Das Durchschnittsalter der ostdeutschen Gründerinnen lag 2020 bei 37,7 Jahren (2016: 35,2), das der Gründer dagegen bei 34,4 Jahren (2016: 33,4).
Klare Unterschiede gab es auch bei der Höhe der Praxisinvestitionen (Übernahmepreise plus Investitionen wie Modernisierungs- und Umbaumaßnahmen). Investierten die ostdeutschen Gründer im Jahr 2020 im Schnitt 374.000 Euro, waren es bei den Gründerinnen nur 308.000 Euro. Allen gemeinsam ist, dass sie im Vergleich zu früher deutlich mehr Geld in die Hand nahmen: Vier Jahre zuvor lagen die Vergleichszahlen noch bei 206.000 und 215.000 Euro. „Männer kaufen umsatzstarke Praxen, Frauen fangen eher etwas kleiner an“, fasste Sparholz zusammen.
Blickt man nach Brandenburg, werden die apoBank-Zahlen durch die KZV und die Kammer bestätigt. So lag der Anteil der Anträge auf Zulassung bei der KZV in der Zeit von 2017 bis 2022 zu 54 Prozent bei Zahnärztinnen. Auffallend ist, dass das Durchschnittsalter der Gründerinnen mit 42 Jahren noch einmal erkennbar über dem ostdeutschen Durchschnitt liegt. Noch ausgeprägter ist das Gefälle bei den Anträgen zur Anstellung. Dort lag der Anteil zu 75 Prozent bei den Frauen.
Hier werden Frauen wertgeschätzt
Aus Sicht von Ermler und Lucht-Geuther bietet der Osten, und hier insbesondere Brandenburg, sehr gute Voraussetzungen zur Niederlassung, vor allem für Frauen. So seien Beruf und Familie gut vereinbar, da die Kinderbetreuung meist gewährleistet sei. Außerdem stünden sehr viele Praxen zur Übernahme bereit. KZV und Kammer unterstützten zudem bei der Gründung mit vielfältigen Beratungsprogrammen wie das Praxislotsenprogramm oder der AG Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte.
„Und die Wertschätzung für Frauen in Brandenburg ist sehr hoch“, führt Ermler als weiteres Argument an, räumte aber gleichzeitig ein, dass es trotzdem eine große Herausforderung sei, Gründerinnen – und Gründer – in die Fläche zu bekommen. Das infrastrukturelle Angebot müsse schließlich stimmen. „Dabei sind wir auf die Unterstützung der Landkreise angewiesen“, betonte Lucht-Geuther. Und manchmal seien auch scheinbar banale Dinge wie eine stabile Internetverbindung oder die Entfernung zur nächsten Berufsschule die Voraussetzung für eine Gründung.