Die Nachsorge per Telemedizin bei zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen
Zahnärztlich-chirurgische Eingriffe erfolgen in den meisten Fällen vollkommen komplikationslos. Auch nach den Interventionen treten bei den Patienten nur selten schwerwiegende Beschwerden auf. Aufgrund dessen und angesichts der Pandemiesituation, die eine Minimierung von Kontakten zum Schutz von Einzelpersonen und gefährdeten Personengruppen notwendig machte, untersuchte eine Arbeitsgruppe um Dr. Philipp Luhrenberg und Dr. Diana Heimes, Mainz, den Nutzen einer klassischen klinischen gegenüber der rein telemedizinischen Nachsorge nach kleineren zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen. Die prospektive randomisierte Studie, die auf der Dissertation von Dr. Christine Obst, Mainz, beruht, verglich die Ergebnisse einer Gruppe von insgesamt 60 Patienten, die entweder der klinischen Nachkontrolle oder aber telefonisch einem zuvor entwickelten und validierten Fragebogen zugeführt wurden. Auf Basis dieses Protokolls wurden die Bereiche Symptome, Komplikationen, Zufriedenheit mit dem Behandler, Anreise- und Wartezeiten abgefragt.
Material und Methode
In den 1970er-Jahren wurde der Begriff „Telemedizin“ von Thomas Bord geprägt; die Wurzeln der Telemedizin reichen aber bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück. Unter dem Begriff wird neben der telefonischen Nachsorge auch der Einsatz verschiedener anderer Arten von Informations- und Kommunikationstechnologien mit dem Ziel der Unterstützung der klinischen Arbeit, der Überwindung geografischer Barrieren und der Verbesserung der gesundheitlichen Ergebnisse verstanden.
Für die Studie konnten die Daten von 60 Patienten ausgewertet werden, bei denen im ambulanten Setting entweder Zahnextraktionen oder Osteotomien (insgesamt 129 Zähne) durchgeführt worden waren. Die Patienten wurden randomisiert jeweils zur Hälfte der Testgruppe mit telemedizinischer Nachsorge und der Kontrollgruppe mit klinischer Nachsorge zugeordnet. Erfahrungsgemäß lassen Schmerzen nach zahnärztlichen Eingriffen nach dem dritten postoperativen Tag nach; Schwellungen treten nach 12 bis 24 Stunden auf und erreichen ihr Maximum nach 48 bis 72 Stunden. Aus diesem Grund wurde die postoperative Nachsorge in dieser Studie am vierten postoperativen Tag durchgeführt.
Ergebnisse
Es lagen keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen in Bezug auf die Symptomfreiheit (Unwohlsein, Schmerzmittelverbrauch, Alltagsteilnahme, Sorgen, Nahrungsaufnahme) vor. Fünf der 60 analysierten Patienten (8,3 Prozent) zeigten zum Zeitpunkt der Nachsorge postoperative Komplikationen. Innerhalb der Testgruppe mit telemedizinischer Nachsorge ergab sich in zwei Fällen (6,7 Prozent) die Notwendigkeit, die Patienten zur persönlichen Nachsorge einzubestellen, auf deren Basis in der anschließenden klinischen Untersuchung Wundheilungsstörungen mit anhaltenden Schmerzen diagnostiziert wurden. Innerhalb der Kontrollgruppe wurde in drei Fällen (zehn Prozent) aufgrund von Wundheilungsstörungen und einer postoperativen Wundinfektion eine weitere Nachsorge als notwendig erachtet. Die statistische Analyse zeigte hier, ebenso wie in der Frage nach der Zufriedenheit mit dem Behandler, keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen. Berechnet man die Reise- und die Wartezeit der beiden Nachsorgeformen, so lag der Zeitaufwand für die Patienten bei der konventionellen Nachsorge durchschnittlich um 1,09 Stunden höher als in der Telemedizin-Gruppe.
AUS DER WISSENSCHAFT
In dieser Rubrik berichten die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der zm regelmäßig über interessante wissenschaftliche Studien und aktuelle Fragestellungen aus der nationalen und internationalen Forschung
.Die wissenschaftliche Beirat der zm besteht aus folgenden Mitgliedern:
Univ.-Prof. Dr. Elmar Hellwig, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Univ.-Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Universität Bonn
Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, Universitätsmedizin Mainz
Bei der abschließenden Frage nach der bevorzugten Nachsorgeform wählten 71,7 Prozent der gesamten Studienpopulation die telemedizinische Nachsorge. Es zeigte sich, dass die Patienten, die bereits Erfahrungen mit einer telemedizinischen Nachsorge gesammelt hatten, diese bei einem zukünftigen Termin auch deutlich häufiger bevorzugen würden (83,3 Prozent), während nur 60 Prozent der Patienten in der Kontrollgruppe diese Präferenz äußerten.
Diskussion
Die Entwicklung neuer Techniken und Konzepte in der Medizin bietet zahlreiche Vorteile gegenüber herkömmlichen Vorgehensweisen. In einer zukünftig stark alternden Bevölkerung wird die Anzahl notwendiger Arztbesuche weiter zunehmen. Angesichts dieser Entwicklung (und auch angesichts möglicher weiterer Pandemie-Ereignisse) ist der Ausbau neuer, zeit- und kostensparender Alternativen zu den herkömmlichen persönlichen Vorgehensweisen von großer Bedeutung. In Großbritannien, Italien und den USA wurden bereits einige Studien zur postoperativen telemedizinischen Nachsorge in der Zahnheilkunde durchgeführt. Die Studien beschreiben – analog zur hier vorgestellten Studie – eine hohe Akzeptanz der Telemedizin bei hoher Patientenzufriedenheit. In keiner der Studien war die Rate an postoperativen Komplikationen in der Testgruppe höher als in der Gruppe mit einer konventionellen persönlichen Nachsorge.
Auf Basis der vorgestellten Daten erscheint die telemedizinische Nachsorge als ein sinnvoller, effizienter und positiv bewerteter technischer Fortschritt des zahnmedizinischen Sektors, wobei jedoch einige Einschränkungen zu beachten sind. Bei einem erhöhten Risiko für postoperative Komplikationen ist eine alleinige telemedizinische Nachsorge auf Basis der aktuellen Datenlage zu hinterfragen; grundsätzlich muss den Patienten selbstverständlich bei Vorliegen von Problemen oder Komplikationen die Möglichkeit zur klinischen Vorstellung gegeben werden. Für die Telemedizin eher ungeeignete Risikogruppen sind Patienten mit akuten und/oder chronischen Infektionen im Operationsgebiet, in höherem Alter, mit fehlender Adhärenz, mit schlechter Mundhygiene, mit systemischen Wundheilungseinschränkungen (zum Beispiel chronische Nieren- oder Lebererkrankungen, Diabetes mellitus, Immunsuppression, Mangelernährung), nach Bestrahlung und Chemotherapie oder unter Einnahme antiresorptiver Medikamente und Patienten mit hereditären oder iatrogenen Blutgerinnungsstörungen.
Fazit
Unter Berücksichtigung dieser Faktoren könnte die Implementierung telemedizinischer Nachsorgemodelle in die Zahnmedizin eine zeit- und kostensparende Alternative mit einem zeit- und ortsunabhängigen Zugang zur Gesundheitsversorgung für Patienten und Behandler darstellen. Neben der Nutzung telefonischer Nachsorgemodelle sind natürlich auch auf den Patienten individuell zugeschnittene, moderne Modalitäten wie die Videosprechstunde denkbar. Gerade in Bereichen mit einem hohen Aufkommen ambulanter Patienten, wie es in der Zahnmedizin der Fall ist, ist die Ausweitung und Erprobung dieser Möglichkeiten im Rahmen zukünftiger Studien von großer Bedeutung, um die Vorteile moderner Kommunikationstechnologien im Sinne der Patientenversorgung ideal nutzen zu können.
Heimes D, Luhrenberg P, Langguth N, Kaya S, Obst C, KämmererPW: Can teledentistry replace conventional clinical follow-up care for minor dental surgery? A prospective randomized clinical trial. International Journal of Environmental Research and Public Health. 2022.19(6):3444.