Streit wegen der Neuen im Team
Wer diesen schon 1977 von Bruce Tuckman beschriebenen Prozess richtig begleitet, kann viele unnötige Wechsel vermeiden. In der ersten sogenannten Forming-Phase lernen sich die neuen und alten Mitglieder des Teams kennen. Die Neuen erkunden die Plätze im Team, die für sie zur Verfügung stehen könnten. Dabei lernen sie die allgemeinen Rahmenbedingungen kennen: Wer hat hier welchen Einfluss, wer sitzt und isst zusammen, wo kann ich mich anschließen und wo scheine ich nicht erwünscht zu sein?
In dieser Phase gehen alle Beteiligten höflich und freundlich miteinander um. Sie klären untereinander vor allem:
Wie darf man sich in dieser Gruppe verhalten?
Wo liegen die Grenzen?
Wer ist hier wer? Wer reagiert hier wann?
Welche Regeln und Normen werden eingehalten?
Am Anfang läuft alles ganz gut ...
Als Chefin oder Chef erhält man von den „alten Teammitgliedern“ in dieser Zeit neutrales oder leicht positives Feedback zu den Neuen. So entsteht der Eindruck, jetzt hat es wohl endlich geklappt, das war die richtige Bewerberin oder der richtige Bewerber. Diese Einschätzung ist jedoch deutlich verfrüht, denn es handelt sich hier erst um die erste von vier Phasen.
Will man sein Team in der Forming-Phase unterstützen, hilft folgendes Vorgehen:
Zeigen Sie eine klare Haltung in Bezug auf die Werte, den Rahmen, die Ausrichtung und die Führungsstrukturen in der Praxis – Transparenz und Klarheit mindern Konfliktpotenziale.
Klären Sie mögliche Erwartungen und Befürchtungen – sowohl die der vorhandenen Teammitglieder, als auch die der Neuen.
Geben Sie allen Mitarbeitenden die Chance, ihre Fähigkeiten zu zeigen. Dadurch steigt die Wertschätzung füreinander.
Gerade wenn man als Chef nach einigen Wochen das Gefühl bekommt: „Ach, dieses Mal läuft es ja ganz gut ...“, dann ist plötzlich der Wurm drin. Es gibt Beschwerden und Bemerkungen über die Neuen, diese wiederum beklagen plötzlich, dass Unterstützung fehlt oder sie sich ausgeschlossen fühlen. Es entsteht der Eindruck: „Es gibt heute einfach keine vernünftigen Mitarbeiter mehr.“ Dabei ist das Team „nur“ in die sogenannte Storming-Phase übergegangen.
Alle kennen sich jetzt gut genug, und es geht darum, sich einen möglichst guten Platz in der neu entstehenden Rangordnung zu erarbeiten. Das führt unweigerlich zu Konflikten. Alte Cliquen halten plötzlich wieder zusammen und die Neuen haben Schwierigkeiten, einen guten Platz im neuen Team zu finden. Gerade heutzutage ist diese Phase sehr herausfordernd. Die älteren Mitarbeitenden stehen oft auf dem Standpunkt „Zu unserer Zeit gab es das auch nicht“, während die Neuen das Gefühl bekommen, dass die Versprechen, die ihnen bei der Einstellung gemacht wurden, nicht erfüllt werden.
... Und dann ist plötzlich der Wurm drin
Das rechtzeitige Erkennen dieser Phase ermöglicht eine möglichst proaktive Führung:
Sie können die Integration fördern, wenn Sie – für alles, was gut funktioniert – positives Feedback geben (individuell und im Team).
Es hilft, bestehende Unstimmigkeiten klar anzusprechen und möglichst zügig zu klären. Dabei gilt die alte Grundregel: Themen zwischen Einzelpersonen werden hinter geschlossenen Türen mit den jeweiligen Beteiligten direkt geklärt. In der Gruppe werden nur die Themen besprochen, die auch alle betreffen.
Unstimmigkeiten über Arbeitsabläufe bieten darüber hinaus die Chance der Prozessoptimierung im Rahmen von Teambesprechungen. Gleichzeitig werden bestehende Aufgabenbereiche und Funktionen nochmals eindeutig zugeordnet.
Zentral ist, dass sich der Chef oder die Chefin in dieser Phase weder auf die Seite der Neuen noch auf die Seite des bestehenden Teams stellen, sondern – quasi von außen – eine integrierende Funktion wahrnehmen. Gelingt die Begleitung dieser Phase gut, entsteht im Team die Überzeugung, dass diese Neuen bleiben werden und daher als vollwertige Teammitglieder zu integrieren sind. Wenn das klar ist, tariert sich die Rangordnung aus und das gesamte Team wird wieder ruhiger. Nun werden auch die Feedbacks über die Neuen wieder positiver. Insgesamt nehmen dann die Störungen und Konflikte ab. Das Team geht in die Norming-Phase über.
Warum Onboarding?
Zwar hat jetzt jedes Mitglied seinen festen Platz und das Team fühlt sich schon wieder mehr als „wir“. Allerdings ist das Vertrauen zwischen den Einzelnen noch nicht so weit gewachsen, dass die Teammitglieder sich aufeinander verlassen. Daher arbeiten alle mehr oder weniger „nach Vorschrift“ und halten die Regeln relativ präzise ein. Dabei beobachten sie sich auch gegenseitig und nehmen Verstöße relativ deutlich wahr. Alle unvorhergesehenen Dinge erfordern einzelne Absprachen – es läuft einfach noch nicht rund. Auch sind die Sozialbeziehungen untereinander nicht so weit gefestigt, dass sich wieder alle wohlfühlen. Häufig geht diese Phase mit einer gewissen emotionalen Leere einher, die das Gefühl vermittelt, seit die Neuen da sind, ist es „nicht mehr so schön wie früher“. Es fehlt einfach noch die Vertrautheit.
Aber jedes Team kann zum Leistungsteam reifen
Als Führung kann man diese Vertrautheit fördern, indem man dem Team einerseits gemeinsame herausfordernde Aufgaben gibt und dabei andererseits möglichst viel Gelegenheit für Absprachen und Austausch untereinander lässt. Dann entwickeln sich die Beziehungen untereinander und das gegenseitige Vertrauen wächst. Je mehr jetzt noch „von oben geregelt“ wird, desto mehr erwartet das Team, dass diese Form der Führung und Kontrolle dauerhaft bestehen bleibt – was Zeit bindet. Die Entwicklung beginnt dann zu stocken. Verläuft die Entwicklung jetzt weiterhin gut, wächst im Team das Vertrauen untereinander und das Team reift zu einem Leistungsteam.
Damit kommt es in die Performing-Phase. Nun werden die ganzen Regeldiskussionen überflüssig. Das Team ist motiviert, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und auch anspruchsvolle Ziele zu erreichen. Alle bringen ihr Wissen und Können ein. Auch das Wissen der Neuen wird jetzt dankbar aufgenommen und erweitert das Repertoire der Praxis. Die Hauptaufgabe in der Führung besteht darin, motivierende Ziele aufzubauen, denn Teams sind Gruppen, die gemeinsam Ziele erreichen wollen.